Vor ein paar Jahren noch gehörten Aufnahmen der MotoGP-Piloten, wie sie mit ihren Knieschonern über den Asphalt schleifen, zum Aufregendsten was die Königsklasse zu bieten hat. Doch das ist mittlerweile Schnee von gestern. Die besten Motorradfahrer der Welt erzielen mittlerweile deutlich größere Schräglagen als noch vor einem Jahrzehnt und berühren so nicht mehr nur mit den Knien, sondern oft auch mit ihren Ellbogen den Boden.

Was früher unmöglich schien, ist also nun bereits Standard. "Ich denke, es hat einfach mit der Evolution der Motorräder zu tun", meint Pol Espargaro im Gespräch mit der offiziellen Seite der MotoGP. "Auch die Reifen müssen passen, um so einen Stil zu ermöglichen. Dadurch kann man sich weiter in die Kurve lehnen und so den Boden berühren."

Dabei hatte der Tech-3-Pilot, der mittlerweile zu den Piloten mit dem stärksten Ellbogen-Einsatz zählt, noch vor einigen Jahren selbst nicht von einem derartigen Fahrstil geträumt: "Als ich 2011 meine erste Saison in der Moto2 gefahren bin, habe ich in Jerez bei Stefan Bradls Lederkombi die Schleifspuren am Ellbogen gesehen. Damals habe ich es für unmöglich gehalten, mit dem Ellbogen auf den Boden zu kommen. Ein Jahr später habe ich es selbst gemacht."

Pol Espargaro lässt den Ellbogen ebenfalls regelmäßig schleifen, Foto: MotoGP
Pol Espargaro lässt den Ellbogen ebenfalls regelmäßig schleifen, Foto: MotoGP

Doch warum ist es für die MotoGP-Fahrer überhaupt sinnvoll, mit ihren Armen über den Asphalt zu schleifen. "Man nimmt die Belastung etwas vom Motorrad und fängt auch gewisse Bewegungen mit dem Körper ab, die sonst auf die Maschine übertragen würden", erklärt Espargaro. "Wenn man nur auf dem Bike sitzt, kommt der Großteil der Last auf das Hinterrad, wodurch man den Reifen stark beansprucht. Wenn man sein Gewicht vom Motorrad etwas auf den Asphalt verlagert, kann man das verbessern. Außerdem hilft es, das Bike um die Kurve zu manövrieren."

Zusätzlich zur Reifenschonung wird der Ellbogen von den Piloten auch zum Erfühlen der maximal möglichen Schräglage eingesetzt, wie Espargaro erläutert. "Ich verlagere in etwa gleich viel Gewicht auf den Ellbogen und auf das Knie. Mit dem Ellbogen kann ich aber besser das Limit ertasten, das geht mit dem Knie kaum."

Hilfe in höchster Not

Eine letzte Funktion hat der Ellbogen im neuen MotoGP-Fahrstil noch. Er ist im Falle eines Fahrfehlers der letzte Rettungsanker. "Man hat die Möglichkeit, wenn man nach einem kleinen Fehler wegrutscht, das Motorrad mit dem Ellbogen noch einmal aufzurichten. Das ist aber wirklich der letzte Ausweg", schmunzelt der Katalane, der auch oftmals etwas über dem Limit agiert.

Mit Hilfe des Ellbogens können auch heftige Rutscher noch gerettet werden, Foto: Milagro
Mit Hilfe des Ellbogens können auch heftige Rutscher noch gerettet werden, Foto: Milagro

Um den neuen Bedürfnissen der MotoGP-Piloten in puncto Schutzkleidung gerecht zu werden, haben die Hersteller der Lederkombis eigene Systeme für die Ellbogen entwickelt. Es dauerte eine Weile, die ideale Position der Schoner zu finden, verrät Stefano Corti von Dainese: "Es kommt immer darauf an, wie weit sich die Fahrer nach innen lehnen. Das ist von Strecke zu Strecke verschieden."

Mittlerweile hat man die ideale Position gefunden. Der Ellbogenschoner besteht aus demselben Material wie die Elemente am Knie, wird aber nicht mit Klettverschlüssen sondern durch zwei kleine Schrauben an einer Verankerung fixiert. Ein Schoner hält im Ellbogenbereich in der Regel ein volles Wochenende und muss zwischen den Sessions nicht gewechselt werden.