Was für eine Machtdemonstration von Valentino Rossi! Der Altmeister legte in Misano schlicht und einfach einen perfekten Sonntag hin. Im Warm Up schon sicherte er sich im letzten Umlauf die Bestzeit und im Rennen zeigte er dann eine Leistung, wie man sie aus seinen besten Zeiten vor einigen Jahren kennt.

Vom Start weg jagte er Jorge Lorenzo vor sich hier und konterte zwei Mal die Überholmanöver von Marc Marquez, der seinerseits Druck auf ihn ausübte. Die entscheidende Attacke auf Lorenzo, die Rossi schließlich den Sieg einbrachte, war ideal getimet und könnte in jedes Rennfahrerlehrbuch aufgenommen werden. Auch in den folgenden Runden ließ er sich von Marquez, der ihm in Nacken saß nicht verunsichern. Ganz im Gegenteil: Rossi zog die Pace extrem an und hetzte den Weltmeister so in einen seiner ganz seltenen Fehler. Marquez stürzte und für Rossi war der Weg zum Sieg frei. Er fuhr den Erfolg im Stil eines alten Hasen nach Hause.

Nach Rennende war Rossi von den zigtausenden Fans und dem Fahnenmeer auf der Start-Ziel-Geraden völlig überwältigt und hätte am liebsten die gesamte Welt umarmt. "Ich bin sehr glücklich. Das ist ein sehr spezielles Gefühl, hier vor meinen Fans, meiner Familie und meinen Freunden zu gewinnen. Nach über einem Jahr diesen Sieg zu holen ist unglaublich. Und dann auch noch in Misano! Ich kann mir nicht mehr wünschen. Das ist einfach ein perfekter Tag", sprudelte es nur so aus dem 107-Grand-Prix-Sieger heraus. Rossi fühlte sich an alte Duelle mit seinem Teamkollegen erinnert: "Vor fünf Jahren habe ich hier zuletzt gewonnen und heute war es genau gleich wie damals mit dem Zweikampf gegen Jorge, den ich am Ende knapp für mich entscheiden konnte. Ich komme mir vor, als hätte ich eine Zeitmaschine."

Fünf Jahre musste Rossi auf einen Heimsieg warten, Foto: Milagro
Fünf Jahre musste Rossi auf einen Heimsieg warten, Foto: Milagro

Besser als Assen 2013

Für Rossi war der erste Sieg seit der Dutch TT in Assen 2013. Für ihn persönlich war der Sieg in Misano aber deutlich wertvoller. "Dieser Sieg ist besser als Assen im letzten Jahr. Damals waren die Umstände durch Jorges gebrochenes Schlüsselbein ganz anders. In diesem Jahr bin ich viel schneller und stärker, deshalb war ich auch schon vier Mal Zweiter hinter Marc. Mein erstes Ziel war es aber, in diesem Rennen zu gewinnen und das ist heute passiert", freute er sich.

Mit der Erfahrung von mittlerweile 307 Starts in der Motorrad-Weltmeisterschaft erkannte Rossi an diesem Wochenende schnell, dass für ihn in Misano, nur 15 Kilometer von seinem Heimatort Tavullia entfernt, viel möglich ist. "Unser Bike ist schon im Training super gelaufen. Ich denke wir haben hier in Misano einen kleinen Vorteil gegenüber den Hondas. Wir haben dafür aber auch alles gegeben und in den Trainings zusammen mit dem Team sehr gute Arbeit geleistet. Ich wusste, dass ich heute hier um den Sieg kämpfen kann, denn ich war schon am Samstag und auch heute im Warm Up sehr stark. Die Yamaha hat wie gesagt toll funktioniert und ich liebe diese Strecke einfach", machte Rossi dem Misano World Circuit Marco Simoncelli eine Liebeserklärung.

Nach Rennende kannte der Jubel bei Rossi keine Grenzen, Foto: Movistar Yamaha MotoGP
Nach Rennende kannte der Jubel bei Rossi keine Grenzen, Foto: Movistar Yamaha MotoGP

Harten Kampf erwartet

Mit einer Kaffeefahrt rechnete der Yamaha-Werkspilot aber auch nicht: "Mir war klar, dass es gegen Marc, Jorge und Dani sehr schwer wird. Vor allem sitzt Jorge ja auf dem gleichen Motorrad wie ich, das macht es noch härter. Dennoch hatte ich irgendwie das Gefühl, dass das heute mein Tag wird." In den Duellen mit Lorenzo und Marquez in den ersten Runden des Rennens ging Rossi dann volles Risiko. "In der Startphase habe ich gleich alles gegeben. Ich musste hart pushen, war aber von Beginn an wirklich schnell unterwegs und hatte eine gute Pace. Da musste ich es einfach probieren!", beschreibt er seinen Entschluss.

Rossi vergaß nicht, dass sein Rennen definitiv härter gewesen wäre, hätte sich Marc Marquez nicht in Runde acht direkt hinter dem Doktor aus dem Rennen verabschiedet: "Der Fehler von Marc ist genau im richtigen Zeitpunkt gekommen. Als ich auf dem Pitboard gesehen habe, dass er nicht mehr hinter mir ist, war es für mich gleich viel einfacher."Auch Rossi konnte eine gewisse Versagensangst nicht bestreiten: "Ich hatte zwar keinen großen Druck, aber doch das Gefühl, hier etwas zeigen zu müssen. Wenn man da einen kleinen Fehler macht, ist alles vorbei."