Wenn die Tinte auf dem Papier eines neuen Vertrages getrocknet ist, startet der ein oder andere Sportler gern verbale Angriffe auf alle, die eben nicht zum Gelingen dieses Vorhabens beigetragen haben. Das prominenteste Beispiel für diese Vorgehensweise in der MotoGP ist aktuell Andrea Dovizioso. Der Italiener nimmt bekanntlich nur selten ein Blatt vor den Mund und äußerte als einer der ersten Piloten in der laufenden Saison öffentlich seinen Wunsch, dem Satelliten-Team Tech3 trotz guter Ergebnisse den Rücken kehren und sich einem Werksteam anschließen zu wollen.

Dieses Vorhaben hat bekanntlich mit der Unterschrift bei Ducati auch geklappt, allerdings war Dovizioso am Ende der letzte Fahrer, der sich in Sicherheit über einen Platz bei einem Werksteam wiegen konnte. Schließlich war der Italiener ausgerechnet von seinem Landsmann Valentino Rossi um die Position bei Yamaha gebracht worden. Und auch sein aktueller Teamkollege Cal Crutchlow wurde zwischenzeitlich vertragsreif mit Ducati in Verbindung gebracht. Gute Ergebnisse und klare Ansagen - was also ist schief gelaufen, dass Dovizioso letztlich doch noch solange ausharren und gewiss auch bangen musste?

Der 26-jährige selbst hat jetzt die Begründung dafür gefunden: Laut eigener Aussage würde man in der MotoGP seine Leistungen nicht genügend anerkennen. "Es stört mich, dass einige Dinge einfach nicht berücksichtigt werden, weil es scheint, dass meine Resultate nicht Ernst genommen werden. Ob ich das Rennen als Dritter oder Siebter beende, es verändert sich nichts: Der Fakt, dass ich Dritter mit einem Satelliten-Bike geworden bin, was nicht vielen gelungen ist, wird nicht hervorgehoben. Ich möchte nicht überbewertet werden, aber ich möchte auch nicht so schlecht betrachtet werden", sagte Dovizioso jetzt gegenüber Motosprint. Nun steht außer Frage, dass der Tech3-Pilot eine starke Saison fährt. Schließlich sprechen vier Podestplätze ihre eigene Sprache. Auch in der vergangenen Serie hielt der ehemalige 125cc-Weltmeister als WM-Dritter die italienischen Fahne höher, als es Valentino Rossi getan hat. Und doch lief es für den Italiener nach der Trennung von Honda 2011 zumindest bei der Teamauswahl für das Jahr 2013 erneut nicht nach Plan.

Doviziosos Glaube an sich selbst scheint dennoch unerschüttert. "Ich gehöre zu den Stärksten in der Welt, während meiner ganzen Karriere war ich in den Top-Positionen", lässt der Vater einer Tochter namens Sara nun aufhorchen - und sorgt damit auch bei Menschen, die Ehrlichkeit zu ihren Tugenden zählen für ein Stirnrunzeln. Redet man im Fall des Tech3-Piloten nun von einem starken Selbstbewusstsein oder von Überschätzung? Eine Antwort auf diese Frage zu finden, ist gar nicht so leicht.

Natürlich gehört Dovizioso als aktuell Vierter in der WM-Gesamtwertung zu den Spitzenfahrern. Auch wenn er nicht um Siege kämpft, befindet er sich durch eine konstante Entwicklung mittlerweile tatsächlich in Reichweite zu Lorenzo und Pedrosa. Dennoch hätte sich der Italiener jetzt, wo die Richtung für seine Zukunft bereits feststeht, solche Aussagen zu seiner Persönlichkeit wenigstens bis zur nächsten Saison aufsparen können.

Dann nämlich hat er die Möglichkeit mit Ducati-Werksmaterial zu überzeugen und unter Beweis zu stellen, dass er nicht nur abgeklärt fahren kann, sondern auch in der Lage ist ein Bike zu entwickeln. Entschuldigungen mit dem Verweis auf die Voraussetzungen der Maschine werden dann jedenfalls nicht mehr geduldet - erst recht nicht, wo sich Dovizioso jetzt selbst in den Status eines Top-Fahrers gebracht hat. Man könnte also meinen, der talentierte Italiener hätte sich mit seinen offenen Aussagen ein Eigentor geschossen. Statt der lobenden Worte, die er aktuell vermisst, werden künftig wohl öfters hohe Erwartungen an ihn formuliert werden. Unter Druck entstehen ja bekanntlich Diamanten - die Frage ist nur, ob der Italiener auch bewusst den steinigen Weg einschlagen wollte. So oder so sollte Doviziso einen schlauen Rat allerdings nie vergessen: Übermut tut selten gut.