Vor der Saison noch hatte Jorge Lorenzo gehofft, ähnlich dominant wie 2010 unterwegs sein zu können. Doch daraus wurde nichts. Hatte er zu Saisonbeginn noch die Zusatzpower von Honda als Referenzpunkt der Entwicklung ausgegeben, äußerte er diese Bedenken doch unter dem einen Gesichtspunkt: So wird es nicht möglich sein, wieder genau so viele Rennen wie 2010 zu gewinnen.

Tatsächlich waren es einige weniger und für diese Rennsiege musste Lorenzo hart kämpfen, vielleicht sogar härter als in den Duellen mit dem ehemaligen Teamkollegen Valentino Rossi. Denn eines ist klar: Die Yamaha M1 war 2011 nicht mehr das Überflieger-Motorrad, wie in der vorangegangenen Rossi-Ära. Das hatte aber viel weniger mit dem Weggang des Italieners zu Ducati zu tun, als vielmehr mit den großen Fortschritten, die Honda machte.

Wie dem auch sei, Jorge Lorenzo konnte 2011 bei 15 Rennen trotzdem 10 Podeste holen. Dabei siegte er drei Mal, holte sechs zweite und einen dritten Platz. Zwei Pole Positions zeigen an, dass es der Spanier auch weiterhin im Qualifying konnte. Doch mehr als der Vize-Titel war eben nicht drin. Auch Lorenzo hatte keine Antwort auf das Phänomen Casey Stoner.

Jorge Lorenzo musste 2011 viel riskieren, um mit Casey Stoner mithalten zu können, Foto: Milagro
Jorge Lorenzo musste 2011 viel riskieren, um mit Casey Stoner mithalten zu können, Foto: Milagro

Zunächst einmal hätte die Saison für den amtierenden Weltmeister aber kaum besser beginnen können. In den ersten fünf Rennen klassierte er sich vier Mal auf dem Podest - einmal davon gewann er (in Jerez), drei Mal wurde er Zweiter. In Le Mans reichte es immerhin zu Rang vier. Doch dann kam der Sturz von Silverstone und Platz sechs in Assen - ebenfalls nach einem Sturz. In der ersten Runde konnte Lorenzo dem stürzenden Marco Simoncelli in de Strubben nicht mehr ausweichen und krachte ebenfalls ins Kies. Doch er fuhr weiter und stürmte noch sensationell nach vorne.

Lorenzo kämpft weiter

Lorenzo zeigte spätestens bei den drei folgenden Rennen, dass sich Stoner nicht zu sicher fühlen sollte. Der Yamaha-Werkspilot gewann in Mugello und wurde in Deutschland Zweiter. In Laguna Seca aber wurde Lorenzo von Stoner vorgeführt. Auf der Zielgeraden, die in den USA mehr eine Kurve als eine Gerade ist, ging der Australier außen herum am Mallorkiner vorbei. Der war da aber auch gehandicapt unterwegs, nachdem er bei einem Startversuch nach dem Training mittels Highsider abstieg. Lorenzo hatte damals die Launchcontrol eingeschaltet, die sich beim ersten Runterschalten wieder abschaltet und damit die Traktionskontrolle aktiviert. Doch Lorenzo schaltete nicht herunter und konnte so am Kurvenausgang aus dem Sattel fliegen.

Nichtsdestotrotz ließ sich der Spanier nicht unterkriegen. Zumindest nicht so richtig. In Brünn und Indianapolis folgten vierte Plätze, einmal hinter drei Hondas und ein Mal hinter zwei Hondas und Teamkollege Ben Spies. In San Marino dann, irgendwie wie aus dem Nichts, gewann Lorenzo wieder. Und er hatte definitiv die Ambition, die Titelentscheidung so lange es ging hinauszuzögern. Darum fuhr er weiter voll auf Angriff. In Aragon hatte neuerlich Stoner den besseren Ausgang für sich und holte Rang eins, Lorenzo wurde hinter Pedrosa Dritter. In Japan dann gewann eben Pedrosa, Lorenzo wurde Zweiter und Stoner nur Dritter.

Stoner hatte in Australien den Matchball, doch die WM schien schon vorher entschieden. Bei einem Sturz riss sich Lorenzo Teile eines Fingers ab und konnte am Rennen nicht teilnehmen. Die Fingerkuppe sollte plastisch wieder hergestellt werden, doch bedeutete das auch, dass er selbst in Sepang und beim Saisonfinale in Valencia ausfiel. Zu gewinnen hatte er nach Australien eh nichts mehr, denn der WM-Titel ging an Stoner, und zu verlieren eben auch nicht, denn Jorge Lorenzo ist der Vizeweltmeister 2011.