Es gibt in unserem Beruf unangenehmere Mails als eine Einladung zu den Kessel Track Days. Betreff gesehen, Datum gecheckt: Passt, das Wochenende ist Formel-1-frei. Besonderes Schmankerl: Das Wochenende nach Monaco. Also erst gar nicht die Heimreise Richtung München antreten, sondern die Woche zuvor noch Mailand einen Besuch abstatten.

Auch wenn Mailand immer eine Reise wert ist - besonders zur Expo, wie ein Kollege fälschlicherweise meint -, kribbelte es fünf Tage lang nur aus einem Grund. Schließlich warten ein Duzend Ferrari auf mich. Am Samstagmorgen geht es dann von Mailand etwa 70 Kilometer in den Süden.

Wolkenloser Himmel, knapp 30 Grad - das Wetter meint es gut. Schauplatz: Der Circuito Tazio Nuvolari. Der Weg zur Strecke ist schnell gefunden, Kessel- und Ferrari-Banner zeigen, wo lang es geht. Im Fahrerlager warten dann nicht nur Hospitality und guter italienischer Cappuccino, sondern vor allem eins: Ferraris.

Zwischen Vollgas und zahmer Streicheleinheit

Am ersten Tag der Trackdays dürfen sich die Besitzer der Supersportwägen mit ihren privaten Geschoßen auf die Strecke wagen. Es ist faszinierend zu sehen, wie unterschiedlich mit den meist roten Göttinen umgegangen wird. Der eine gibt seiner Göttin zahme Streicheleinheiten, der andere lässt sich von einem Rennfahrer erklären, in welchen Passagen er noch entscheidende Hundertstel aus seinem Gefährt herausquetschen kann. Spaß haben beide.

Für mich geht es erstmal mit einem Abarth Biposto auf die Strecke. Weniger als eine Tonne Trockengewicht, knapp 200 PS - damit kann man auch schon ordentlich Spaß haben. Besonders mit Renngetriebe, Schalensitzen und Co. So umwerfend wie das Auto, ist auch der Preis: Schlappe 65.000 Euro durfte ich im Renntempo - sofern man das bei mir so bezeichnen kann - über den Kurs bewegen.

Verglichen mit den Rennern aus Maranello aber noch immer ein Schnäppchen. Auch wenn 458 Speciale, F430 und Co. schon ordentlich Lärm machen, am späten Samstagnachmittag wird es richtig laut: GT-Fahrzeuge aus der Ferrari Challenge werden losgelassen. Die Autos machen nicht nur eine Menge Krach, sondern sind auch noch verdammt schnell.

Das stellt man spätestens dann fest, wenn der Rennfahrer-Chauffeur - dessen Name nach dem ersten Bremspunkt wieder vergessen ist - an der Boxenausfahrt zum ersten Mal die Drosselklappe voll öffnet und die Gänge nur so durchballert. Nicht nur nach vorne geht der Rennferrari unglaublich. Bei der Verzögerung beim Bremsen muss ich Angst um meine Kontaktlinsen haben - also lieber die Augen ein bisschen zukneifen.

Nach dem Höllenritt geht es ruhiger zur Sache. Auch die Ferrari-Besitzer sind von ihrer Renntaxifahrt begeistert. Die Vorfreude, den GT-Ferrari am nächsten Tag selbst pilotieren zu dürfen, ist den Millionären anzusehen. Einige wollen nur Spaß haben und fühlen, wie sich so ein Rennauto anfühlt, andere wollen ihre Zeit aus dem Vorjahr verbessern. "Ich habe viel mit einem Instruktor gearbeitet, deshalb war ich mit meinem Straßenferrari schon fast so schnell wie letztes Jahr mit dem Challenge. Da sind morgen mindestens drei bis vier Sekunden drinnen", erzählt mir ein infizierter Ferraristi mit leuchtenden Augen.

Die Objekte der Begierde, Foto: Kessel Racing
Die Objekte der Begierde, Foto: Kessel Racing

Am Sonntagmorgen geht es dann erst ins Fahrerbriefing. Ein wenig Theorie muss auch sein. Die meisten hören gebannt zu, auch Firmenchef Ronnie Kessel ergreift das Wort. Viele werden aber mit dem Kopf bereits im Cockpit sein. Dann geht es in die Boxengasse, die roten Overalls warten. Schuhe an, den richtigen Helm suchen, Handschuhe an.

Und dann werden erwachsene Männer zu Kindern. Am Ende steigt einer nach dem anderen mit einem strahlenden Gesicht aus den Boliden, beziehungsweise versucht es. Denn der Ausstieg mit Überrollkäfig gleicht einem Limbo Tanz. Meist müssen die hübschen Damen von Kessel Racing mithelfen. Ich habe mich natürlich gerne aus dem Cockpit hieven lassen.