Motorsport-Magazin.com war bei den letzten Testfahrten der neuen Formel E in Donington dabei, um sich einen Eindruck vor dem Saisonstart in Peking zu verschaffen. Für einen Test waren überraschend viele Fans und Medien gekommen. In Ruhe mit den Fahrern quatschen? Gar nicht so einfach. Nach der letzten Session sichteten wir den ehemaligen Formel-1-Piloten Karun Chandhok, wie er sich gerade zum Aufbruch bereit machte...

Karun, hast du noch kurz Zeit für ein Interview?
Karun Chandhok: Klar, aber wir müssen das im Gehen machen. Ich muss zurück zur Teambox.

Kein Problem, ich habe ja zwei gesunde Beine...

[Wir laufen los aus der Boxengasse in Richtung Fahrerlager-Ausgang.]

Immer was los in der Mahindra-Box, Foto: Motorsport-Magazin.com
Immer was los in der Mahindra-Box, Foto: Motorsport-Magazin.com

Fühlst du dich bereit für das erste Rennen am kommenden Wochenende in Peking?
Karun Chandhok: Ich denke, wir sind in einer guten Verfassung. Es gibt natürlich noch einiges, das wir optimieren können. Wenn wir uns mal die Zeiten der letzten Testfahrten in Donington anschauen: Sebastien Buemi hat da einen riesigen Sprung gemacht und lag vier Zehntel vor den anderen. Dahinter war es allerdings eine ziemlich enge Angelegenheit.

e.dams und Buemi waren immer weit vorn dabei bei den Tests. Warum hatten die so einen Vorteil?
Karun Chandhok: Schwierig zu sagen. Wir wollen mal nicht vergessen, dass Renault das Team unterstützt... Aber die haben auch einfach ein sehr gutes Team mit guten Ingenieuren. Sie haben in anderen Serien Erfolg und leisten auch in der Formel E sehr gute Arbeit. Dahinter wird es dann spannend - und ich glaube, dass wir da mittendrin sind. Vieles wird bei den Rennen von der Strategie abhängen und wie schnell die Fahrer und Teams lernen. Das wird jetzt die große Herausforderung in Peking.

Ihr reist alle ein wenig ins Unbekannte. In Peking fahrt ihr zum ersten Mal auf einem Stadtkurs.
Karun Chandhok: Klar, in Donington ist die Strecke sehr glatt und hat einige Highspeed-Kurven. In Peking wird es ganz anders, dort erwartet uns eine sehr holprige Strecke mit ausschließlich langsamen Kurven. Das ist eine völlig andere Herausforderung. Schwer zu sagen, ob wir da konkurrenzfähig sind.

[Wir erreichen den Ein- und Auslass zum Fahrerlager. Rund 100 Fans stehen an der Absperrung. Jeder Zweite erkennt Karun und fragt nach einem Autogramm und einem gemeinsamen Foto. Eine gefühlte Unendlichkeit vergeht, bis Chandhok alle Fan-Wünsche erfüllt hat. Dann kommt er zurück zu mir.]

Karun startet mit Bruno Senna frü Mahindra, Foto: Formel E
Karun startet mit Bruno Senna frü Mahindra, Foto: Formel E

Karun Chandhok: Sorry, Fans haben Vorrang. Wo waren wir stehe... Hey, stopp! Wir fahren mit!

[Ein Shuttle kommt in diesem Moment vorbeigefahren. Karun, der Fuchs, hat's zuerst gesehen und angehalten.]

Karun Chandhok: Fährst du mit?

Klar, gern. Also, weiter: Wie kommst du mit den Reifen von Michelin zurecht? Muss sich komisch anfühlen, nicht auf Slicks zu fahren, oder?
Karun Chandhok: Das ist ein bisschen komisch. Natürlich blockieren die Räder manchmal und rutschst ein bisschen herum, aber viel weniger als ich erwartet hatte. Ich dachte eigentlich, dass sich die Reifen wie Regenreifen anfühlen. So ist es aber nicht. Vom Griplevel war ich richtig überrascht. Klar, es sind keine Slicks... warte, warte, warte, warte!

[Die nette Shuttle-Fahrerin fährt zügig - und in die vollkommen falsche Richtung. Wir wenden.]

Die Formel E ist startbereit für die erste Saison, Foto: Formel E
Die Formel E ist startbereit für die erste Saison, Foto: Formel E

Karun Chandhok: Okay, wo war ich? Ah, die Reifen. Slicks sind es zwar nicht, aber es fühlt sich wirklich nicht schlecht an. Auf den Stadtkursen werden wir bestimmt ein bisschen driften, das sollte ziemlich spannend aussehen. Stopp! Hier rechts in die Straße rein!

[Unsere Shuttle-Chauffeurin wollte links statt rechts abbiegen. Schlechte Wahl. Dabei ist das Donington-Areal eigentlich gar nicht so groß...]

Die Irrfahrt geht weiter...
Karun Chandhok: Sorry, haha.

Kommen wir mal zum Fanboost. Was hältst du von dieser Social-Media-Idee?
Karun Chandhok: Ich bin da ehrlich gesagt kein großer Fan von. Ich bin wohl eher Purist im Motorsport. Wirklich fair ist es nicht. Bruno Senna hat rund 700.000 Fans auf Twitter. Eine Michela Cerruti zum Beispiel hat die nicht mal ansatzweise, also hat sie keine Chance. Aber das ist schon in Ordnung, immerhin werden die Fans dadurch eingebunden.

[Geschafft! Wir sind nach einigen Minuten Fahrt an der Teambox von Mahindra Racing angekommen. Alle Formel-E-Teams haben ihren Standort mitten auf dem Donington Circuit.]

Mahindra setzt auf Ex-F1-Power in der Formel E, Foto: Andy Carver
Mahindra setzt auf Ex-F1-Power in der Formel E, Foto: Andy Carver

Läuft die Formel E mit dem Fanboost nicht Gefahr, nicht als richtiger Sport ernst genommen zu werden?
Karun Chandhok: Nein, am Ende sind es doch nur fünf Sekunden. Na ja, es kann schon einen Unterschied machen und beim Überholen helfen. Aber am Ende gelten doch für alle die gleichen Regeln.

[Ich bedanke mich für das Gespräch und weiß im Hinterkopf, dass ich jetzt den ganzen Weg zurück ins Fahrerlager zu Fuß latschen darf. Zwischendurch fährt ein Shuttle an mir vorbei, ich winke. Es fährt weiter. Ich bin eben nicht Karun Chandhok, denke ich mir noch, als die Fans am Fahrerlager-Eingang freundlich Platz machen.]