Saisonprognose Force India möchte 2009 die rote Laterne abgeben. Die Weichen dafür sind gestellt, doch der neue Zug wird erst sehr spät auf die Gleise in Richtung Melbourne gestellt. (...) David Coulthard traut Force India sogar die Rolle des Favoriten-Schrecks zu. (Auszug aus der Saisonvorschau 2009 - Motorsport-Magazin 3/09 - März 2009)

Die Bilanz - Team Vor der Saison 2009 wurde bei Force India groß aufgeräumt: dem Frühjahrsputz fielen Technikchef Mike Gascoyne und Teamchef Colin Kolles zum Opfer. An ihrer Stelle übernahm Teambesitzer Vijay Mallya mehr Einfluss auf die Entscheidungen im Team. Zugleich wirkten die Ingenieure und Techniker ohne die Vorschriften von Gascoyne viel gelöster und befreiter.

Der erste Pokal für Force India: Platz 2 in Belgien., Foto: Sutton
Der erste Pokal für Force India: Platz 2 in Belgien., Foto: Sutton

Der wichtigste Faktor beim Aufschwung des notirischen Hinterbänklerteams der vergangenen Jahre war die Partnerschaft mit McLaren und Mercedes. Neben dem wohl stärksten Motor bekam das Team dadurch Zugriff auf Ressourcen von McLaren, durfte den wohl besten Simulator für Fahrertests und zur Rennvorbereitung nutzen und erhielt mit Simon Roberts einen CEO, der das Team mit dem Wissen eines Topteams aufwertete und die Prozesse in Hinblick auf die Arbeitsweise der Silbernen optimierte.

Nach Saisonende kehrte Roberts zu McLaren zurück, um sich von der anderen Seite um die Betreuung des McLaren-Kunden zu kümmern. Nur die chronisch späte Bezahlung der Rechnungen, die schon mal den Gerichtsvollzieher ins Fahrerlager trieben, konnte die McLaren-Partnerschaft nicht ausmerzen.

Die Bilanz - Auto Der VJM02 schien zunächst kein Durchbruch zu sein. Trotz einiger guter Ergebnisse und Fortschritte mit diversen Aerodynamikpaketen gelang der große Coup erst in Spa-Francorchamps - das Low-Downforce-Paket für Spa und Monza schlug ein wie die berüchtigte Bombe. In dieser Konfiguration gehörte der Force India zu den besten Autos im Feld und war in Belgien sogar besser als alle anderen. So fuhr Giancarlo Fisichella im Qualifying die erste Pole Position des Rennstalls ein und stand danach als erster Force India Pilot auf dem Podium - ohne KERS hätte ihn Kimi Räikkönen nicht überholen und hinter sich halten können.

Force India war 2009 manchmal tatsächlich pfeilschnell unterwegs., Foto: Sutton
Force India war 2009 manchmal tatsächlich pfeilschnell unterwegs., Foto: Sutton

Das Low-Downforce-Paket war ein Glücksgriff, ebenso wie der Mercedes-Motor, der sowohl zuverlässig als auch leistungsstark war und dazu beitrug, dass die Force India regelmäßig die Topspeedwertungen anführten. Der Verzicht auf KERS bedeutete zudem, dass das Team sich nicht mit Kompromissen bei der Gewichtsverteilung herumschlagen musste. Mit diesen Trümpfen nahm Force India die Toro Rosso Rolle von 2008 als Überraschungsteam ein und überflügelte besagtes Team sogar nach Punkten.

Dabei wäre noch mehr drin gewesen: Force India gelang in Spa ein Wunder, das man in Monza bestätigte - allerdings hätte man bei beiden Rennen mehr erreichen können, sprich: Einen Sieg in Spa und mindestens ein Podest in Monza. Abgesehen von diesen beiden Highlights, die nicht komplett ausgeschöpft wurden, verlief die Saison nicht immer perfekt. Force India war klar besser als 2008, aber der Schein trügt: Die beiden Highlights überstrahlten einige Dinge, die alles andere als gut funktionierten; etwa sechs Ausfälle von denen vier durch technische Probleme zustande kamen.

Die Bilanz - Fahrer Giancarlo Fisichella sorgte für das große Saisonhighlight, zuvor stand er aber oftmals im Schatten seines Teamkollegen Adrian Sutil, gerade im Qualifying war der Deutsche stärker als der Routinier aus Italien. All das schien durch die Sternstunde von Spa und seine Traumerfüllung bei Ferrari verdrängt zu werden.

Tonio Liuzzi wusste nur beim Heimspiel in Monza zu überzeugen., Foto: Sutton
Tonio Liuzzi wusste nur beim Heimspiel in Monza zu überzeugen., Foto: Sutton

Dabei hätte Fisichella in Monza in einem Force India sehr viel erfolgreicher sein können als im roten Renner aus Maranello. Mit seiner Vorstellung in Spa ließ er noch einmal aufblitzen, dass er noch nicht zum alten Eisen gehört, allerdings nur, als das Auto absolut top war. Ansonsten wirkten seine Leistungen, gerade zu Saisonbeginn, eher lustlos denn motiviert.

Sutil gab hingegen immer Gas - manchmal nur etwas zu viel, was in einigen Unfällen, Drehern und Zwischenfällen endete. In Singapur bekam er wegen einer Kollision mit Nick Heidfeld den Zorn seines Landsmanns zu spüren, in Brasilien war Jarno Trulli kaum zu beruhigen. Der Startunfall in Interlagos beweist jedoch, dass Sutil nicht immer der Schwarze Peter zuzuschieben war - dort hätte auch Trulli nachgeben können. Wie das gesamte Team wäre für Sutil mehr drin gewesen, wenn nicht immer Fehler, Kollisionen, Defekte oder Pech dazwischen gekommen wären, als sein Auto konkurrenzfähig war. Mit starken Qualifyingergebnissen wie am Nürburgring, in Monza, Japan und Brasilien sowie dem 4. Platz in Italien hat er seinen Speed unter Beweis gestellt.

Anstelle von Fisichella übernahm in den letzten Saisonrennen Testfahrer Tonio Liuzzi das zweite Auto. Seine Cockpitrückkehr in Monza war viel versprechend, ohne einen technischen Defekt wäre er ähnlich gut wie Sutil unterwegs gewesen, der knapp hinter dem Podium Vierter wurde. Nach dem starken Comeback verfiel Liuzzi jedoch ins Mittelmaß, überragende Leistungen blieben aus. Seine Weiterverpflichtung für 2010 erscheint angesichts seiner Ergebnisse unverständlich.

Force India

Saisonziel Punkten und nicht Letzter werden
Saisonergebnis 9. Platz (13 WM-Punkte)
Ziel erreicht? Ja.
Top oder Flop? Top. Wer zuletzt lacht, der lacht am Besten. Nach der Pole Position von Giancarlo Fisichella in Spa jubelte ein Team, mit dem niemand gerechnet hatte: Force India. Im Rennen konnte Räikkönen Fisichella schließlich auch nur dank KERS hinter sich halten. Nach der Nullnummer 2008 konnte Force India dieses Jahr 13 Punkte auf sein WM-Konto schaufeln. Top! (Kerstin Hasenbichler)