Jetzt dauert es nicht mehr lange, dann steht er fest: der Formel-1-Weltmeister 2008, der Nachfolger von Kimi Räikkönen. Kandidaten gibt es nur noch zwei: Lewis Hamilton und Felipe Massa. Mal wieder heißt es: McLaren gegen Ferrari. Die Ausgangssituation ist eindeutig: Hamilton führt mit sieben Punkten Vorsprung, ihm würde ein fünfter Platz zum Titelgewinn reichen.

"Ferrari darf gerne einen Doppelsieg holen", sagt Teamchef Ron Dennis. Jedenfalls so lange sein Fahrer mindestens vier Punkte mitnimmt. Allerdings hat McLaren neben dem Fahrer-Titel auch die Konstrukteurswertung noch im Auge - und da wäre ein Doppelsieg der Roten mit dem Titelgewinn gleichzusetzen, denn dort führt Ferrari mit 156:145 Punkten.

Die Fehlerquote

"Niemand darf in Brasilien einen Fehler machen", weiß Martin Whitmarsh. "Wir haben 7 Punkte Vorsprung, aber wir wissen, dass es trotzdem schief gehen kann." Das hat die Vorsaison gezeigt, da verspielte Hamilton genau diesen Vorsprung an Ort und Stelle in Brasilien. Noch mehr Fehler begingen beide Titelkandidaten in dieser Saison, weswegen manche Fahrerlagervertreter sich sogar fragen, ob überhaupt einer von beiden ein würdiger Weltmeister wäre?

Hamilton tritt vor dem Finale erneut auf die Bremse. Wie vor den letzten beiden Rennen beschwört er Ruhe und Gelassenheit. "Zwar muss ich diesen Grand Prix nicht gewinnen, dennoch will ich die bestmögliche Leistung zeigen", sagt er. In Shanghai ist ihm das gelungen, er dominierte das gesamte Wochenende. Eine Woche zuvor in Japan versagten die Nerven, er wollte zu viel und kassierte dafür die Quittung - auf dem Punktekonto und in den Medien.

Die beste Lösung wäre ein Rennen wie in Shanghai, meint Norbert Haug. "Wenn man ganz vorne steht und dann das Rennen kontrolliert, ist das der schönste Weg, aber ich kann keinen Sieg ankündigen." Dafür kündigt Dennis ein spannendes Rennen an. "Aber wir werden versuchen, es für alle langweilig zu machen."

In Silverstone stellte Massa einen neuen Dreherrekord auf., Foto: Sutton
In Silverstone stellte Massa einen neuen Dreherrekord auf., Foto: Sutton

Felipe Massa geht sein Heimrennen ebenfalls ruhig an, sagt er zumindest. "Ich muss mich nur darauf konzentrieren, das Rennen am Sonntag zu gewinnen, hoffentlich mit meinem Teamkollegen auf Platz 2." Alles andere liege außerhalb seines Einflussbereichs. "Deshalb denke ich nur ans Gewinnen."

Die Strecke

Für einen Sieg benötigen beide Titelanwärter ein schnelles Auto. "Die Autos sind gleichwertig", sagt Christian Danner. Allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Leistung der Boliden in diesem Jahr von Strecke zu Strecke schwankte. In China gestand sogar Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali, dass Hamilton in einer eigenen Liga gefahren sei. "Wir konnten nicht einmal daran denken, ihn anzugreifen."

Entsprechend stand seit Shanghai Fehleranalyse auf dem Programm. So schlecht wie in China sei man nur noch einmal in dieser Saison gewesen: in Deutschland. "Das Einzige, was bei diesen Rennen gleich war, waren die Reifen", sagte der Italiener. In Shanghai hatte Bridgestone die beiden härtesten Reifen im Gepäck, mit denen der Ferrari in diesem Jahr Probleme hat. In Brasilien sind wieder die beiden mittleren Mischungen angesagt, die auch in Fuji eingesetzt wurden.

"Die Leistung unseres Autos war in dieser Saison unkonstant", gesteht Massa. "Manchmal waren wir extrem konkurrenzfähig und manchmal weniger." Dabei müsse man das Streckenlayout, die Streckenoberfläche und die Reifen ins Kalkül ziehen. "Normalerweise funktioniert unser Auto in Brasilien sehr gut", erinnert Massa an die Vergangenheit. "Obwohl wir nicht erklären können, warum. Aber wir waren hier immer gut, das sollte auch diesmal so sein."

Davon geht auch Martin Whitmarsh aus. "Vor einem Jahr war Ferrari in Brasilien stärker als wir, in diesem Jahr sieht es besser aus für uns", meint er. "Die bisherige Saison hat gezeigt, dass Interlagos unserem Auto diesmal mehr liegen sollte als 2007."

Das Wetter

Ein wichtiger Faktor wird das Wetter sein, und zwar nicht nur wenn es regnen sollte, was laut den Wetterfröschen sehr wahrscheinlich ist (sie quaken von mindestens 60% Regenwahrscheinlichkeit am Sonntagnachmittag). Aber auch kühle oder wärmere Temperaturen können schon den Ausschlag in Richtung Rot oder Silber geben.

"Im letzten Jahr war es in Brasilien besonders heiß, was Ferrari entgegen kommt", erinnert Whitmarsh, "doch in diesem Jahr wird das Wetter voraussichtlich kühler sein." Das wiederum würde McLaren entgegen kommen. "Wenn die Strecke nass ist, kann Massa nicht gewinnen", glaubt Niki Lauda. "Wenn es kühl ist, hat McLaren das schnellere Auto. Massa braucht trockenes, heißes Wetter, damit er dem McLaren Paroli bieten kann."

2007 riskierte Hamilton zu schnell zu viel., Foto: Sutton
2007 riskierte Hamilton zu schnell zu viel., Foto: Sutton

Eine größere Fehleranfälligkeit im Regen sieht Lauda nicht. "Seine fünf Regenspiralen von Silverstone kann ich Massa nicht vorwerfen", sagte Lauda dem kicker. "Das lag nicht an ihm, sondern am Ferrari, der unfahrbar war mit den abgenutzten Regenreifen." Bei Hamilton erwartet der Österreicher ebenfalls keine Fehler. "Denn so blöd, dass er den Fehler von 2007 wiederholt und die WM wegschmeißt, ist er nicht."

Die Zuverlässigkeit

Die große Sorge aller Beteiligten liegt bei der Technik. "Klar, mit unserem Auto sollte man Fünfter werden können", sagt Haug offen, "aber man muss dazu erst einmal ins Ziel kommen." Das gelang McLaren Mercedes zuletzt nicht immer, zweimal hintereinander erwischte es Heikki Kovalainen. "Die Sorge um die Zuverlässigkeit sorgt bei den Jungs in der Box für den größten Stress", gesteht Whitmarsh.

Alles wird genauestens untersucht, die kleinsten Fehler sollen vermieden werden. "Möglicherweise werden wir auch die Abstimmung von Lewis' Motor etwas ändern, um auf der sicheren Seite zu sein. Darauf achten wir bei jedem Rennen, aber diesmal ist das natürlich wichtiger als sonst."

Die Zusatzmotivation

Für Felipe Massa ist Interlagos schon immer ein besonderes Rennen gewesen, jetzt könnte er hier zum ersten brasilianischen F1-Weltmeister seit Ayrton Senna werden. "Brasilianer lieben die F1, lieben den Motorsport, es ist eine riesige Leidenschaft für sie", sagt Massa, der seinen gesamten Clan an der Strecke haben wird. "Ich liebe es, zu Hause zu fahren und ich glaube, dass ich zu Hause besser fahre. Ich muss wohl nicht extra betonen, dass ich sehr motiviert bin, oder?"

Das ist der Konkurrenz nicht entgangen. "Natürlich wird die Mehrheit der Zuschauer Felipe die Daumen drücken", weiß Haug. "Trotzdem kommt es letztlich nur auf unseren Speed, unsere Zuverlässigkeit, die Vermeidung von Crashs und die Cleverness bei Team und Fahrern an." Außerdem baute McLaren dem Zorn der brasilianischen Fans vor, indem sie in der offiziellen Vorschau Hamiltons (angebliche) Aussagen, dass er besser sei als Ayrton Senna, noch einmal abschwächten: "Für mich ist er der beste Fahrer aller Zeiten, und ich glaube nach wie vor nicht, dass ihm das jemand streitig machen kann."

Die Quertreiber

Wird Alonso zum Zünglein an der Waage?, Foto: Sutton
Wird Alonso zum Zünglein an der Waage?, Foto: Sutton

Neben Massa und Hamilton werden auch in Interlagos 18 weitere Fahrer auf der Strecke sein, alle von ihnen könnten den Titelkampf in die eine oder andere Richtung beeinflussen - gewollt oder ungewollt. Die beiden finnischen Helfer Kimi Räikkönen und Heikki Kovalainen dürfen und müssen das. Räikkönen hat das mit der Stallorder von Shanghai bereits bewiesen.

Aber Norbert Haug fürchtet sich auch noch vor anderen Unbekannten. Man müsse darauf achten, wo man sich im Feld befinde. "Speziell, wenn es unbeteiligte Fahrer im Feld gibt, die schon ankündigen für wen sie fahren wollen", spielt er auf Fernando Alonso an, der vor dem Wochenende in China erklärt hatte, dass er Felipe Massa wenn möglich helfen wolle. Mit einer unfairen Aktion rechnet Haug in Brasilien natürlich nicht, aber Psychospielchen gebe es viele. "Bisher hat es nur nicht funktioniert."

Auch nicht umgekehrt: "Klar, Lewis wird mich unter Druck setzen", weiß Massa. "Aber ich habe keinen Druck, weil ich nichts zu verlieren habe." So sieht es auch Michael Schumacher, der weiterhin fest an seinen Ex-Teamkollegen und dessen Titelchancen glaubt. "Der Titelgewinn ist alles andere als eine Formsache", weiß Haug. "Natürlich gibt es Rennen mit überraschenden Randbedingungen oder Safety-Car-Einsätzen, die, wie zuletzt in Singapur, das Feld durcheinander wirbeln und für nicht erwartete Ergebnisse sorgen." Es dauert nicht mehr lange, dann steht der Formel-1-Weltmeister 2008 fest.