Die italienischen Tageszeitungen gingen mit ihrem Weltmeister in den letzten Tagen ungewöhnlich hart ins Gericht. Obwohl Kimi Räikkönen mit Rang 3 der eigentliche Gewinner des Grand Prix von Ungarn war, ließ man kaum ein gutes Haar an ihm. "Er ist ein blasser Abklatsch des Fahrers, der er einmal war" war zu lesen. Und "Räikkönen ist nicht der Fahrer, den Ferrari braucht. Er soll sich lieber mal selbst fragen, ob er noch die Motivation hat."(Tuttosport)

Starker Tobak. Und für mich klingt das alles nicht nach einer künstlich aufgeblasenen Medienkampagne, um über das Sommerloch zu kommen. Den Italienern reicht es tatsächlich.

Schlafwagen mit Gelegenheitsturbo

Kimi ist untergetaucht, manchmal wacht er kurz auf., Foto: Sutton
Kimi ist untergetaucht, manchmal wacht er kurz auf., Foto: Sutton

Was Kimi seit seinem letzten Sieg in Spanien abgeliefert hat war in der Tat alles andere als eines Weltmeisters würdig. Und wer ihn ein wenig kennt, für den kommt alles nicht unerwartet. Da war mal der peinliche Rammstoß gegen Adrian Sutil in Monaco. Immer wieder Monaco. Nirgendwo sonst finden so viele Partys statt. Nirgendwo sonst ist die Versuchung für einen Mann in der Blüte seiner Jahre so groß, mal mit ein paar Kumpels auf den Putz zu hauen. Ein Gerücht, das sich im Fahrerlager hartnäckig hält lautet: Im Vorjahr soll Kimi in Monaco vor dem Rauswurf gestanden sein. Angeblich soll er nach dem freien Freitag nicht unbedingt fahrtüchtig gewesen sein. Aber Achtung vor schnellen Urteilen. Es ist ein Gerücht, nicht mehr.

Tatsächlich hat sich der Weltmeister nach seinem Sieg in Barcelona irgendwie ausgeklinkt. Und er ist meines Erachtens immer noch nicht zurück. Eine andere Erklärung gibt es nicht für seine matten Leistungen im direkten Vergleich mit Felipe Massa. Der Brasilianer ist sehr, sehr gut, keine Frage. Aber Kimi ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Trotzdem schnarcht er scheinbar im Rennen herum, nur um kurzfristig aufzuwachen, eine schnellste Runde hinzuknallen und wieder in den Sleep Mode zurück zu wechseln. So geschehen in Ungarn, in Hockenheim und so weiter.

Seit Barcelona auf Urlaub

Und das ist nicht nur meine persönliche Einschätzung. So sagte Force India-Marketingchef Ian Philipps am Rande des Ungarn-Rennens: "Der ist doch seit Barcelona auf Urlaub." Und Ian, das Jordan-Urgestein ist einer der wenigen Bosse, der nie ein Blatt vor dem Mund nimmt. (So kommentierte er die neugegründete FOTA nach dem Meeting in Maranello als höchst bemerkenswert, denn "normalerweise kommt bei solchen Teamchef-Meetings nie etwas Gescheites raus. Zuerst diskutieren sie alle drei Stunden lang, welcher Wochentag heute eigentlich ist. Und dann muss der erste weg zu seinem Flieger." )

Vielsagend auch Kimis öffentliches Auftreten. Am Donnerstag war er in der offiziellen FIA-Pressekonferenz geladen. Dort wartet die versammelte Weltpresse. Wer nur drei Minuten zu spät kommt, muss tief in die Tasche greifen. Kimi hatte schon ein paar Mal das Vergnügen. In Budapest habe ich auf die Uhr geschaut - persönlicher Rekord: 27 Minuten zu spät. Alonso und Kovalainen wollten gerade gehen.

Und nach dem Rennen hatte er über sein Rennen nur folgendes zu sagen: "boring". So spricht keiner, in dem das Feuer brennt. Keiner, der dort hineingeht, wo es wehtut. Deswegen ist er seit 8 Rennen sieglos. Und ehrlicherweise wird er heuer mit dieser Einstellung auch nicht mehr viele Rennen gewinnen.

Comeback im Kimi-Style?

Ein Weltmeister auf Urlaub: wann kommt er zurück?, Foto: Sutton
Ein Weltmeister auf Urlaub: wann kommt er zurück?, Foto: Sutton

Und um nicht in den Verdacht der Majestätsbeleidigung zu geraten, möchte ich alle Kritiker gleich mal zurückpfeifen. All das hat einen Grund. Rennfahrer sind sensibel. Auch Kimi ist so gestrickt, auch wenn er der letzte wäre, der öffentlich drüber redet. Die Öffentlichkeit hat auf seinem Radar gar nicht verloren. Leicht genervt macht er sich über alle Rücktrittsgerüchte in Ungarn lustig: "Schön, dass die Leute alle wissen, was ich im nächsten Jahr mache. Wenn es so weit ich, kann ich sie ja dann alle anrufen..." Wer weiß schon, was dem Finnen fehlt. Sportler haben Durchhänger, wenn die Frau Stress macht, wenn es der Familie nicht gut geht, wenn das ewige Reisen verhindert, sein bisheriges Leben weiterzuleben. Ich kenne genügend Leute, die Jobs in der Formel 1 deswegen geschmissen haben. Ich war auch einer davon.

Der Zorn der Italiener wird Kimi unweigerlich treffen, wenn er so weitermacht. Es wird ihm trotzdem egal sein. Zeitungsschreiber sind auf seiner Beliebtheitsskala ungefähr so hoch oben wie ein Besuch beim Zahnarzt. Und vergessen wir eines nicht: Im Vorjahr hatte Kimi Räikkönen in der Weltmeisterschaft einen Rückstand von 20 Punkten auf Lewis Hamilton, heuer sind es nur 5. Wenn wir das mal nicht vergessen. Und wie sagte Ian Philipps noch so schön: "Im Vorjahr ist Kimi nach dem Budapest-Rennen drei Wochen auf Urlaub in irgendeine Bar in Italien gegangen. Und dann kam er frisch aufgeladen zurück und war ab Fuji voll auf Betriebstemperatur." Möglich ist alles. Wundern würde mich es nicht, wenn der Schläfer demnächst endlich mal aufwacht. Es wäre die richtige Antwort für alle - original Kimi-Style.