Wie unerbittlich waren die Schnellrichter der Presse mit Lewis Hamilton, nachdem er Kimi Räikkönen bei Rot ins Heck gerutscht ist? Und der Finne legte den urteilswütigen Schreiberlingen den Ball noch auf den Elfmeterpunkt mit deftigen Worten. Unterm Strich bleibt: Lewis Hamilton ist ein Idiot, der zu dumm ist, ein Formel 1-Auto zum Stehen zu bringen. Tja, ich würde meinen: Das sieht nicht gut aus für Hamilton. Ein Parkschaden dieser Art, dargebracht vor einem Millionenpublikum lässt selbst den größten Überflieger wieder ein wenig erdgebundener wirken. Und trotzdem würde ich mit Lewis nicht so hart ins Gericht gehen. Denn er ist in allerbester Gesellschaft. Die ganz Großen des Sports hatten alle ihre fragwürdigen Momente. Wer sich nicht mehr erinnern kann:

Auch David Coulthard kennt diesen Moment des Versagens., Foto: Sutton
Auch David Coulthard kennt diesen Moment des Versagens., Foto: Sutton

Der große Schumi ist im Herbst seiner Karriere in Shanghai in der Runde zum Startplatz dem Minardi von Christijan Albers hinten drauf gekracht. Und im selben Rennen dann hinter dem Safety Car von der Strecke geflogen. Es war der "perfekte" Schlussstrich unter eine katastrophale Saison - 2005 sah Schumacher mit Ferrari kein Land. Und dann machte es eben Rumms und Albers kannte sich gar nicht mehr aus. Trotzdem hat Michael Schumachers glanzvolle Karriere unter dem Malheur nicht wirklich gelitten.

David Coulthard schaffte es bei Williams, in Monza eine vielumjubelte Pole Position herauszufahren. Der Schönheitsfehler dabei war nur, dass er sich in der Ascari-Schikane selbst wegschmiss, als er das Feld in der Aufwärmrunde zum Start anführte. Spott und Häme ergossen sich über ihn. Wenig später gelang es ihm, den Williams während des Rennes bei der Boxeneinfahrt zu verschrotten, weil er zu flott zum Reifenwechsel unterwegs war. Und? Uncle David ist immer noch dabei. Und hat durch Peinlichkeiten sicher gelernt, wie man einen so kühlen Kopf bewahrt, dass man in einem Chaos-Rennen wie Kanada den Red Bull aufs Podium manövriert.

Nigel Mansell hatte in Montreal einiges zu verarbeiten., Foto: Sutton
Nigel Mansell hatte in Montreal einiges zu verarbeiten., Foto: Sutton

Auch Alain Prost hat den Ferrari einmal in der Anwärmrunde in die Wiese gesetzt. Anders als für Coulthard war das Rennen für den Professor gelaufen. Und die WM auch. Und die Spaghetti-Presse unterstellte dem Franzosen so ziemlich alles, was ein Rennfahrer falsch machen kann. Dabei war das noch gar nichts gegen das Kanada-Kunststück von Nigel Mansell 1991. Da lag der Löwe uneinholbar in Führung und winkte ein paar Kurven vor dem Ziel bereits den Fans zu. Das fand die Elektronik seines Williams nicht ganz so logisch und drehte die Kiste sicherheitshalber ab. Vor Millionen Zusehern musste Mansell am Straßenrand parken, während sein ewiger Rivale Piquet im Benetton sich noch bei der Siegerehrung kaputt lachte über so viel Blödheit. Alles nur menschlich.

So wie der Ausfallsgrund von Niki Lauda in den 1970er-Jahren. Der Ferrari-Star hatte jede Menge Zeit zum Nachdenken und dachte blöderweise an das Falsche. Genauer gesagt die Falsche, nämlich die Damenbekanntschaft vom Vorabend (das hat er mir selbst bestätigt - in nicht ganz jugendfreien Worten, daher hier nur eine entschärfte Version). Und eh er sich's versah, hing der Ferrari im Kies. Ausfall quasi aus hormonellen Gründen...

Selbst Ayrton Senna war vor Fehlern nicht gefeit., Foto: Sutton
Selbst Ayrton Senna war vor Fehlern nicht gefeit., Foto: Sutton

Auch ein Ayrton Senna war nicht davor gefeit, sich vor aller Welt zum Deppen zu machen. In Monaco lag der Brasilianer 1988 bereits 40 Sekunden vor seinem Teamkollegen Alain Prost. Nichts und niemand sollte ihn an diesem Tag aufhalten können. Außer seine eigene Unachtsamkeit. In der Kurve am Hafen schmiss er ohne ersichtlichen Grund den McLaren in die Leitplanken. Prost gewann und Senna verkroch sich direkt in seinem Appartement, ohne auch zur Box zurückzukehren. Stundenlang war er auf Tauchstation bis Ron Dennis eine Sucheskorte ausschickte, weil er sich Sorgen machte. Aber Senna ging aus dieser Niederlage stärker hervor als er je gewesen war. Es war ein Knackpunkt in seiner Karriere, die erst dadurch zur Perfektion reifen konnte.

Und da sprechen wir noch gar nicht von den Peinlichkeiten, die den Normalsterblichen passiert sind. Wie Giancarlo Fisichella, der in Sepang zwei Mal (!) bereits mit seinem Auto nicht den Startplatz gefunden hat und damit für kuriose Abbrüche sorgte. Oder der spätere Jaguar-Testfahrer Björn Wirdheim, der in der F3000 zum Zeichen seines Sieges in Monaco an der Boxenmauer verlangsamte, um seinem Team zuzujubeln. Blöderweise war die Ziellinie aber erst hundert Meter danach, und Nicolas Kiesa kassierte den 1. Platz. Gäbe es einen Preis für die dümmste Aktion aller Zeiten, er wäre Wirdheim damals sofort verliehen worden. Ich bin mir daher sicher: Lewis Hamilton hat dieser Sonntag in Kanada sehr geschmerzt. Er hat ein wenig von seinem Nimbus als überperfekter geklonter Supermann eingebüßt. Und das ist gut so. Für die Formel 1 und vor allem für ihn. Denn dieser Fehler ist ihm garantiert zum letzten Mal passiert. Und wenn ich Ferrari oder BMW wäre, hätte ich Hamilton ab sofort noch mehr auf der Rechnung.