Man muss im Geschichtsbuch der Formel 1 schon ziemlich weit gegen Anfang blättern, um ein so farbloses, chancenloses Rennen von Fernando Alonso wie in Sepang zu finden. An ihm selbst liegt die dürftige Performance von Renault am allerwenigsten. Trotzdem ist das Jahr 2008 für seinen endgültigen Platz in der Formel 1-Historie ausschlaggebend.

Alonso muss nun beweisen, ob er ein komplettes Team mitreißen kann und nochmals Richtung Weltmeistertitel marschieren kann. Oder ob das Jahr bei Renault für ihn nur eine bezahlte Bewegungstherapie ist, um 2009 endlich wieder die Nummer 1 in einem Top-Auto zu sein.

Fernando Alonso ist zurück bei Renault, in Flavios Reich., Foto: Sutton
Fernando Alonso ist zurück bei Renault, in Flavios Reich., Foto: Sutton

Man kann Fernando Alonso mögen oder nicht. Seine kerzengerade, nur auf Erfolg ausgerichtete Art behagt nicht jedem. In Deutschland hasst man ihn sowieso, weil er der Mann war, der Schumi gekillt hat. Die zwei Titel 2005 und 2006 waren der entscheidende Bremsklotz in Schumachers beispielhafter Karriere. In England braucht er sich ohnehin nicht mehr blicken lassen, nachdem er Lewis Hamilton und McLaren nach britischer Interpretation ins Verderben geführt hat. Vergessen wir aber bitte nicht, dass Alonso als Fahrer bereits jetzt eine Allzeitgröße ist.

Aber ist er auch der Typ wie Schumacher, der 1996 bei Ferrari erst mal Dreck (sehr viel Dreck) gefressen hat, um den am Boden liegenden Giganten wieder aufzurichten? Die Formel 1-Geschichte kennt unterschiedlichste Beispiele von Topfahrern, die mal einen Schritt zurück machen mussten: Mansell oder Prost haben meines Erachtens das richtige getan. Sie sahen trotz Titeln im Gepäck kein Land am Transfermarkt und pausierten einfach. Mansell gewann eben mal die Indycar-Serie, Prost lag in der Hängematte und kam im Jahr darauf zurück, um Titel Nummer 4 abzuholen. Beide haben es zumindest besser gemacht als Jacques Villeneuve, der am Unmöglichen scheiterte, als Weltmeister ein komplett neues Team aus der Taufe zu heben und damit Erfolg zu haben.

Ich bin im Herbst 2007 mehrfach gefragt worden, was Alonso nach dem McLaren-Desaster wohl machen wird. In ungefährer Kenntnis der Verhältnisse war für mich sonnenklar: Alonso wird 2008 pausieren, um 2009 als Lichtgestalt zurückzukehren. Sein Ja zu Renault wundert mich bis heute. Er hat als zweifacher Weltmeister nichts mehr zu beweisen. Und ein Jahr ohne Krücke als fahrbarer Untersatz hätte er in seinem Alter ruhig vertragen.

Alonso auf dem Weg nach Maranello?, Foto: Renault
Alonso auf dem Weg nach Maranello?, Foto: Renault

Doch die Formel 1 ist unbarmherzig: Wenn sie merken, dass du mit dem Rücken zur Wand stehst, dann reicht dir keiner die Hand. Alonso hätte sicher bei Toyota, Red Bull oder Honda unterkommen können. Die Türen waren weit offen. Aber alle wollten den Spanier längerfristig binden. Und das halte ich für deren gutes Recht. Damit hat sich Alonso auch klar deklariert: Ihn interessiert in der Formel 1 nur noch eines: für Ferrari zu fahren und dort die Heldenverehrung zu genießen, die er in einem britischen oder japanischen Team nie bekommen wird.

Das ist der Latino-Faktor, den viele nur zu gerne übersehen. Auch wenn sein Entdecker Adrian Campos immer wieder bestätigt: "Fernando ist der untypischste Spanier, den ich kenne: kontrolliert, ruhig, ehrgeizig." Daher war Renault auch die einzig mögliche Ersatzdroge statt Ferrari. Und vergessen Sie alles über Renault als englisch-französisches Team. Renault ist Flavio Briatore, der Inbegriff des südländischen Paten. Eine Art Enzo Ferrari der Neuzeit. Nirgendwo sonst kommst du als Fahrer dem Ferrari-Feeling näher als bei Flavio.

Und das kleine Einmaleins der Gerüchteküche beherrschen ohnehin alle: Je öfter Felipe Massa die Nerven wegschmeißt, desto konkreter werden die Alonso-Chancen in Maranello. Gerade jetzt, wo der Todt-Clan aufs Abstellgleis gestellt wird. Das verbessert die Karriereaussichten von Massa auch nicht gerade. Denn Luca Montezemolo ist ein erklärter Räikkönen-Supporter.

Fernando Alonso kann 2008 also wahre Größe zeigen. Gelingt ihm mit Renault der Sprung zurück in die Nähe der Spitze, dann steigt sein Marktwert nochmals dramatisch. Denn das aktuelle Auto ist ein "dog", wie es die Briten so schön formulieren. Und ein Alonso ist nicht da, um Achter zu werden. Dass er mit 100% Einsatz arbeitet zeigt folgendes Detail: Renault hat erstmals in Malaysia probiert, die Trinkflasche vor den Sessions einzufrieren. Denn normal gekühltes Wasser war bereits nach wenigen Runden heiß wie Tee. Am Freitag ging das Experiment noch daneben. Ein Eisklotz in der Flasche war eher kontraproduktiv. Am Samstag hatte man das richtige Getränke-Setup heraußen. Ein Champion denkt eben an jedes Detail.