Nick, die Saison ist seit Oktober vorbei, es gab seitdem nur zwei Tests. Konntest Du Dich in der Pause gut erholen?
Nick Heidfeld: Ja, ich konnte etwas Zeit zuhause verbringen, aber es hat nicht gereicht, um Urlaub zu machen. Wir hatten uns überlegt, einmal in die Sonne zu fahren, weil davon gab es in diesem Sommer nicht allzu viel, aber es gab zwischendrin immer Termine, die ich wahrnehmen musste. Gerade habe ich eine Woche Fitnesstraining hinter mir und es stehen auch noch einige Teaminterne Termine an, bevor es Mitte Januar wieder voll losgeht mit der Präsentation und den Tests mit dem neuen Auto.

Trotzdem kannst Du den Winter in diesem Jahr in vollen Zügen genießen, musst Dir keine Gedanken über Deine Zukunft machen.
Nick Heidfeld: Richtig, es ist viel besser als vor ein paar Jahren, als ich manchmal erst im Februar erfahren habe, wo ich in der folgenden Saison fahre. Das war vor der abgelaufenen Saison auch schon klar, allerdings gab es da noch eine gewisse Ungewissheit, ob wir uns weiter steigern könnten. Diese Ungewissheit gibt es natürlich dieses Jahr auch, aber ich bin zuversichtlich und davon überzeugt, dass es weiter nach vorne gehen wird.

Wenn man eine Saison Revue passieren lässt, spricht man immer über die Highlights, die Podestplätze und die guten Ergebnisse. Was kommt Dir in den Sinn, wenn Du an das Jahr 2007 denkst?
Nick Heidfeld: Wir haben als Team mehr erreicht, als wir erwartet hatten - damit können wir zufrieden sein. Ich stand zwei Mal auf dem Podium, habe die erfolgreichste Saison meiner F1-Karriere gehabt. Nur bei den Regenrennen hätte ich mir etwas mehr erwartet. Ansonsten sticht meine Fahrt in einem F1-Boliden auf der Nordschleife heraus. Dort habe ich Fahrrad und Kart fahren gelernt, meine ersten Runden auf dem Schoss meines Vaters gedreht. Dass ich dort nach 30 Jahren zum ersten Mal wieder mit einem F1-Boliden fahren durfte, war für mich ein ganz besonderes Erlebnis. Für mich lebt der Mythos Nordschleife noch immer.

Nick erwartet sich 2008 eine weitere Leistungssteigerung., Foto: Sutton
Nick erwartet sich 2008 eine weitere Leistungssteigerung., Foto: Sutton

Aber es ist richtig, dass es im Laufe einer Saison immer viele kleine Anekdoten gibt, an die man gerne zurückdenkt. In der Türkei fahre ich wegen des katastrophalen Verkehrs gerne mit dem Motorrad zur Strecke. In diesem Jahr habe ich einen Freund mitgenommen. Als wir anhielten, um die Karte zu lesen, kam ein streunender Hund auf uns zu. Zuerst hat er ganz freundlich geschnüffelt. Dann habe ich den Motor aufheulen lassen und er dachte wohl: da kommt jetzt Konkurrenz und ist auf uns losgegangen. Zum Glück hat er nicht zugebissen. In der Türkei sind die Straßen extrem rutschig, deshalb musste ich etwas langsamer losfahren, damit wir uns nicht auf die Nase legen und zerfleischt werden.

Das Ziel für 2008 ist klar: BMW Sauber will mit dem Siegen beginnen. Die Voraussetzungen sind vorhanden, die Ressourcen können voll ausgeschöpft werden. Du hast bereits angekündigt: Du bist diesem Druck gewachsen, nur das Team müsse sich jetzt beweisen...
Nick Heidfeld: Die Voraussetzungen sind wie bei mindestens fünf bis sechs anderen Teams auch; aber all das ist kein Garant für Siege. Ich hoffe, dass das Team mit dem Druck klarkommt. Man muss sich auf das Wesentliche konzentrieren, nämlich die Arbeit, und das Beste daraus machen. Wenn man die äußeren Einflüsse an sich heran lässt, bringt das nichts. Wir sollten das gut hinbekommen. Ich wäre jedenfalls nicht zufrieden, wenn es genauso laufen würde wie dieses Jahr. Das wäre nicht schlecht, aber um unser Ziel zu erreichen, zukünftig Weltmeister zu werden, muss uns nächstes Jahr ein weiterer Fortschritt gelingen. Wir müssen die Lücke nach vorne schließen.

Zu Deinen Aufgaben gehört es auch, der Fabrik regelmäßig Besuche abzustatten. Jenson Button meinte nach dieser verkorksten Honda-Saison sei es für ihn noch wichtiger gewesen, öfter beim Team vorbeizuschauen. Aber was machst Du, wenn Du in der Fabrik bist? Du wirst kaum die neue Flügelform bestimmen oder in den Gängen nach Spionen jagen...
Nick Heidfeld: Es ist immer positiv, wenn man beim Team ist. Es gibt unheimlich viele Mitarbeiter, die nicht an der Strecke sind, welche die Fahrer nur selten zu Gesicht bekommen. Denen muss man vor Augen führen, für welche Personen sie das machen, für wen sie so hart arbeiten. Das gibt ihnen einen zusätzlichen Motivationsschub. Außerdem gibt es öfter Besprechungen mit den Ingenieuren und der Teamführung. In der Winterpause ist es auch interessant, in den Windkanal zu gehen und das neue Auto anzusehen.

Die Aussichten für die nächsten Jahre sind aus Fahrersicht perfekt: die Slicks sollen zurückkommen, es gibt keine Traktionskontrolle mehr und es wird immer öfter auf Stadtkursen gefahren. Ein Paradies für Rennfahrer.
Nick Heidfeld: Leider soll die Aerodynamik ab 2009 beschnitten werden, aber ansonsten überwiegen die positiven Entwicklungen bei Weitem. Für mich stellt sich allerdings noch die Frage nach der Sicherheit auf den neuen Stadtkursen. Bisher sieht es auf den Zeichnungen ganz passabel aus, aber das wird man erst richtig einschätzen können, wenn man wirklich auf der Strecke fährt.

Nick gibt auch 2008 Vollgas., Foto: Sutton
Nick gibt auch 2008 Vollgas., Foto: Sutton

Im Singapur fährt Ihr über eine 100 Jahre alte Gusseisenbrücke. Die wird garantiert sicher sein, aber es klingt im ersten Moment nicht so. Nächstes Jahr kommt zu den Stadtrennen auch noch ein Nachtrennen hinzu. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie das sein wird?
Nick Heidfeld: Die Idee finde ich gut. Aber auch hier gibt es ein paar Sicherheitsbedenken. Hoffentlich ist es hell genug, blenden die Scheinwerfer die Fahrer nicht und fällt der Strom nicht aus. Davon abgesehen finde ich die Idee klasse, es ist einmal etwas anderes. Ich bin sowieso ein Nachtmensch und kein Frühaufsteher, deshalb habe ich nichts dagegen.

Für Dich wird es also ein ganz normales Rennen, nur zu anderen Uhrzeiten und unter Flutlicht. Würdest Du vorher gerne einmal bei Nacht testen?
Nick Heidfeld: Die Beleuchtung wird vorher von anderen Fahrern getestet. Wenn die der Meinung sind, dass es gut ist, bin ich mir sicher, dass es passen wird. Körperlich muss ich mich auf die anderen Zeiten einstellen, aber dafür muss ich nachts nicht fahren. Aus meiner Sicht reicht es, wenn ich mich auf die neuen Zeiten einstelle, wann ich aufstehe und wann ich ins Bett gehe.

Stadtkurse gelten immer als etwas Besonderes. Wie viel davon nimmst Du wahr, wenn Du im Auto sitzt. Besonders viel siehst Du aus dem Cockpit ja nicht vom Drumherum...
Nick Heidfeld: Man nimmt nicht wahr, dass man durch die Stadt fährt. Das sieht man nur, wenn man sich direkt darauf konzentriert, etwa auf der Aufwärmrunde oder auf der Auslaufrunde. Dann bemerkt man die besondere Atmosphäre schon. Aber während des Rennens siehst du das nicht. Man sieht, wo die Strecke zu Ende ist und wo die Leitplanken beginnen, mehr aber nicht.

Du bemerkst keinen besonderen Unterschied zu einer normalen Strecke - außer, dass in Monaco nicht überholt wird?
Nick Heidfeld: Richtig, das ist in Monaco der größte Unterschied. Wenn dich dort jemand überholt, ist das meistens nur, weil du ihn vorbei gelassen hast; aber auch dann musst du aufpassen, dass nichts passiert. Insofern ist es schon allgegenwärtig, dass es keine normale Rennstrecke ist.

Momentan gibt es einen Trend zu jungen Nachwuchspiloten. Gleichzeitig wird die Traktionskontrolle abgeschafft, kommen die Slicks zurück und wird mehr auf Stadtkursen gefahren. Ist das nicht eher ein Argument für erfahrene Piloten?
Nick Heidfeld: Es spielt keine große Rolle, ob man erfahren ist oder nicht. Der entscheidende Faktor ist der Speed. Für mich ist es nicht viel anders als in den letzten Jahren. Es kommen immer genügend junge Fahrer nach, die einem den Platz wegnehmen wollen. Möglicherweise gibt es aktuell das eine oder andere Team, das meint, jeder GP2-Fahrer ist der nächste Lewis Hamilton. Aber solche Entwicklungen gibt es immer wieder, das schlägt in die eine oder andere Richtung aus. Wenn es nicht mehr klappt, wollen plötzlich alle wieder ältere Fahrer haben.

Rennen in der Dunkelheit würden Nachtmensch Nick entgegenkommen., Foto: Bumstead/Sutton
Rennen in der Dunkelheit würden Nachtmensch Nick entgegenkommen., Foto: Bumstead/Sutton

Sportlich wird sich die Rückkehr der Slicks nicht so stark auswirken, da sie durch die Beschneidung der Aerodynamik ausgeglichen werden soll. Rein optisch sehen die Autos damit aber wieder wie richtige Rennautos aus.
Nick Heidfeld: Ja, darüber freue ich mich sehr. Ich habe in den letzten Jahren immer gesagt, wenn ich eine Sache an der Formel 1 ändern könnte, würde ich zu Slicks zurückkehren. Das war bei den Tests in Jerez ganz lustig: ich wusste, als nächstes würden Slicks aufgezogen. Ich saß also im Cockpit, hatte noch die Reifenwärmer drauf und war gespannt, wie es aussehen würde, wenn die Decken heruntergenommen würden. Der Anblick war dann so ungewohnt. Früher bin ich im Kart, in der Formel 3 und der Formel 3000 nur mit Slicks gefahren und plötzlich sahen sie so ungewohnt aus. Es war ein ganz komisches Gefühl.

Nach fast zehn Jahren ohne Slicks sind wir eben alle diese seltsamen Rillenreifen gewöhnt...
Nick Heidfeld: Genau, die Rillenreifen sind eigentlich seltsam, aber man hat sich schon daran gewöhnt.

Kannst Du Dich an F1-Autos erinnern, die Du im Fernsehen gesehen hast und die aus Deiner Sicht richtig gut aussahen?
Nick Heidfeld: Nein, seit der Zeit, als ich mir die Rennen zuhause angesehen habe, haben sich die Autos nicht so dramatisch verändert, dass sie ganz anders ausgesehen hätten oder mir im Gedächtnis hängen geblieben sind. Vor 30 oder 40 Jahren sah das natürlich ganz anders aus.