Die Lehre des Jahres

Fast alles schien sich in diesem Jahr um Copyshops, 780 Seiten hiervon oder elf Disketten davon zu drehen. Es gab aber auch klassische Themen - wie die Teamorder. Nach dem 5. Saisonlauf in Monaco wurde McLaren von der britischen Presse zerrissen, weil sie angeblich Fernando Alonso gegenüber Lewis Hamilton bevorzugt haben sollten. Die FIA startete sogar eine Untersuchung. Nach dem 11. Saisonlauf in Ungarn sah die Situation anders aus: nach Ansicht der Rennstewards hatte McLaren erneut Fernando Alonso gegenüber Lewis Hamilton bevorzugt - deshalb erhielt man alle Konstrukteurspunkte jenes Wochenendes aberkannt; was später keine Rolle mehr spielen sollte. Der Spanier sah das zu diesem Zeitpunkt jedoch ganz anders: er wähnte eine Bevorzugung seines Teamkollegen und sagte das laut und deutlich. Die F1-Welt ist eben schnelllebig.

Die Lehre der WM

Eng war es 2007 - und am Ende gewann ein anderer., Foto: Sutton
Eng war es 2007 - und am Ende gewann ein anderer., Foto: Sutton

Nach 13 Rennen hatten noch fünf verschiedene Fahrer Chancen auf den WM-Titel - zumindest rein theoretisch. Beim Saisonfinale in Brasilien waren es immerhin noch drei. Mit gerade einmal einem Punkt Vorsprung setzte sich der Außenseiter durch. Für Nick Heidfeld war das alles gar nicht so eng. "Ich habe in Spanien ein paar Alonso-Fans getroffen", berichtete uns Nick. "Sie haben mich auf meine Duelle mit Fernando angesprochen. Ich sagte zu ihnen: So schlimm war das doch gar nicht - ich habe ihn nur ein paar Punkte gekostet." Einer davon fehlte Alonso in der Endabrechnung auf Weltmeister Kimi Räikkönen.

Australien: Die Lehre vom Funkloch

Einsteigen, Gas geben und gewinnen ist schon lange nicht mehr möglich. In einem F1-Auto müssen Knöpfe gedrückt, Einstellungen abgerufen und munter per Funk Informationen ausgetauscht werden. Christijan Albers soll vom Funkverkehr so sehr abgelenkt worden sein, dass er sein Auto als erster Fahrer der neuen Saison in den Reifenstapel setzte. Sein Teamkollege Adrian Sutil hatte einen Rat für ihn parat: "Ich lasse mich während des Rennens nicht über alle Positionen informieren, das würde mich nur in der Konzentration stören." Also war es vielleicht gar nicht so schlecht, dass beim Sieger Kimi Räikkönen der Funk komplett ausgefallen ist...

Malaysia: Die Lehre der Geister, die sie riefen

Große Namen haben große Schatten. Das erlebten Flavio Briatore und Jean Todt auf der Pressekonferenz. "Wir müssen die Seite [im Kapitel Alonso] umblättern und unser Bestes geben. Alle sind motiviert, ihr Bestes für Fernando und Heikki zu geben." Bamm. Schon war es passiert. "Sorry, ich meine natürlich Giancarlo." Die Geister aus der Vergangenheit, direkt daneben sitzt der verdutzte Fahrer der Gegenwart...

Nico hat keine Probleme mit dem Fliegen., Foto: Sutton
Nico hat keine Probleme mit dem Fliegen., Foto: Sutton

Todt erging es wenige Sekunden danach nicht besser. "Das gesamte Gerücht [um einen Motorwechsel bei Räikkönen] entstand aus Spekulationen. Es ist richtig, dass es gegen Ende des Australien GP in den letzten Runden ein Problem an Michaels..." Auto gegeben hat. Das wäre der richtige Abschluss für diesen falschen Satz gewesen. "Seht ihr? Ich bin nicht der einzige!", warf Briatore zufrieden ein. Die Geister der beiden Weltmeister sollten noch länger über Renault und Ferrari schweben.

Bahrain: Die Lehre vom Fliegen

BMW Sauber war in Bahrain nicht nur die dritte Kraft, sie hatten auch den Helden des Rennens in ihren Reihen. Bis zu den Airlines dieser F1-Welt schien sich die Superform der Weiß-Blauen aber noch nicht durchgesprochen zu haben. Für den ersten Teil seines Rückfluges musste sich Technikchef Willy Rampf in die Economy Class quetschen. Um sein Ticket für den zweiten Teil der Reise musste er dann am Schalter sogar noch härter kämpfen als Nick Heidfeld gegen Fernando Alonso im Duell um Rang 4. Die Performance der Autos war zu diesem Zeitpunkt eben um ein Vielfaches besser als der Reisekomfort. Vielleicht sollte Supercomputer Albert die Reiserouten planen...

Spanien: Die Lehre vom Altmeister

Im Medien- und Sponsorenzeitalter ist es üblich, dass die Fahrer nach einem Sieg erst einmal eine lange Liste an Danksagungen herunterrattern. Felipe Massa fügte dieser brav seinen letztjährigen Teamkollegen und Mentor hinzu: "Ich möchte mich bei Michael für all die Hilfe in den vergangenen Jahren bedanken. Seine Lektionen waren mir sehr nützlich." Zuvor war er gefahren wie der siebenfache Champion: Kompromisslos am Start, unbeeindruckt vom Feuer beim Boxenstopp und unangefochten als Sieger über die Ziellinie. Ein Ex-Rennfahrer sah sich bei Massas Manöver gegen Alonso an den Deutschen erinnert: "Alonso hatte die Nase vorne und Massa sagte sich: ich fahr dir in die Karre - das scheint die alte Schumacher-Schule zu sein."

Monaco: Die Lehre vom Bauernopfer

Kimi, was ist das? Ein Tattoo., Foto: Sutton
Kimi, was ist das? Ein Tattoo., Foto: Sutton

BMW Sauber sorgte in Monaco gleich zweimal für Stirnrunzeln, zweimal verspekulierte man sich mit der Taktik. Die erste Fehleinschätzung ereignete sch im Qualifying: die Wettervorhersagen stimmten nicht, man rechnete mit Schauern in den Schlussminuten des dritten Qualifyingabschnitts. Also schickte man Kubica und Heidfeld schon zur Mitte des dritten Qualifyings auf Zeitenjagd. Doch der Schauer blieb aus, am Ende fehlten beiden Piloten die vorzeitig benutzten frischen Reifen. Im Rennen setzte man auf eine Einstoppstrategie, da man auf eine Safety Car-Phase spekulierte - die kam aber nicht. "Mit einer Safety Car Phase darf man nicht rechnen", sagte Markus Winkelhock, "außer man schickt eines seiner eigenen Autos absichtlich in die Mauer."

Kanada: Die Lehre des Finnen

Man mag zu Kimi Räikkönen stehen wie man will, aber seine Aussagen sind immer präzise, auf den Punkt genau. Sie mögen nicht umfangreich oder mehrsilbig sein, aber sie sind exakt. Als Kimi am Donnerstag vor dem Rennen gefragt wurde, wie er die Tage vor dem Kanada GP in Montreal verbracht habe, erwiderte er ehrlich: "Ich kam am Dienstag hier an. Also war ich gestern hier." Absolut präzise.

USA: Die Lehre vom Schmutz

Fernando Alonso hätte sich in Runde 38 eine blaue Flagge gewünscht - für seinen Teamkollegen, von seinem Team. "Das war ein spannender Moment für uns an der Boxenmauer", wurde Ron Dennis im Team-Press Release zitiert. Erst Recht, als Hamilton sich gegen den Angriff des Spaniers wehrte und dieser danach wütend in Richtung Boxenmauer zog und zu nonverbaler Kommunikation griff. Hinterher stellte Fernando in der Pressekonferenz klar, dass dies natürlich keine verärgerte Kritik am Team gewesen sei.

Murmeltierverbot in Indy., Foto: Sutton
Murmeltierverbot in Indy., Foto: Sutton

"Ich fuhr die ganze Zeit in seinem Windschatten und der Staub von seinen Bremsen landete auf meinem Overall, dem Helm und dem Auto, deshalb fuhr ich manchmal eine andere Linie, um saubere Luft zu erhalten." Mit dem Handzeichen wollte er bestimmt nur einen Staubsauger für den nächsten Boxenstopp anfordern. Norbert Haug konnte dem Duell trotzdem etwas Positives abgewinnen - denn das Team fuhr erneut einen deutlichen Doppelsieg ein. "Und es ist nicht gerade die schnellste Art, dem Feld wegzufahren, wenn man miteinander kämpft." Schon gar nicht, wenn der Overall so verstaubt ist...

Frankreich: Die Lehre von den Kühen

Wenn F1-Fahrer Geburtstag feiern, knallen nicht immer die Sektkorken. "Ich saß 8 Stunden im Sitz", sagte Nico Rosberg, der am Mittwoch vor Magny Cours seinen Ehrentag feierte - auf dem Weg von einem PR-Event auf Island nach Frankreich. "Ich war 5 Stunden im Flieger und 3 Stunden im Auto. Dann saß ich in meinem Motorhome an der Strecke mit drei Kühen draußen und habe mich gelangweilt. Das war nicht schlecht. Um 8:30 Uhr bin ich dann früh ins Bett - das war mein 22. Geburtstag, daran werde ich mich lange erinnern."

Großbritannien: Die Lehre der dunklen Seite

Die F1-Welt ist finster, böse, hinterhältig. In Silverstone konnte man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass überall im Fahrerlager dubiose Gestalten lauerten, Teamchefs ansprachen und geheime Daten verschacherten. Wer wie McLaren den Schaden hat, braucht bekanntlich für den Spott nicht zu sorgen. So wurden die Weinflaschen bei der Eröffnung des Brand Centre schnell von der Theke geräumt, nachdem einige findige Journalisten entdeckt hatten, dass diese laut Etikett aus dem australischen "Spy Valley" stammten. Und auch das "italienische Design" des neuen Motorhomes musste für den einen oder anderen Witz herhalten - schließlich könnten die 780 Seiten Ferrari-Wissen ja weniger Informationen über den F2007 als vielmehr Baupläne des neuen Ferrari-Motorhomes beinhaltet haben... Als dann im Freitagstraining ein Teil am McLaren von Fernando Alonso flatterte, musste man im Media Centre nicht lange auf einen Kommentar dazu warten: "Ein gestohlenes Ferrari-Teil!"

Europa: Die Lehre von Oma

Kimis Oma brachte die Pole., Foto: Sutton
Kimis Oma brachte die Pole., Foto: Sutton

Zum zweiten Mal in ihrem Leben war Kimi Räikkönens Oma Sirkka Pietilä bei einem F1-Rennen live vor Ort. Zumindest am Samstag durfte sie sich mit ihrem Enkel über die Pole Position freuen. In der Pole-PK fragte ein italienischer Kollege: "Kimi, konntest Du schon mit Deiner Großmutter über die Pole sprechen?" Seine Antwort fiel wie immer kurz und trocken, aber absolut treffend aus: "Ich sitze hier, was also glaubst Du?" Die nächste Frage richtete der Kollege an Kimis Teamkollegen. "Die letzte Frage ist für Felipe..." - "Geht es um meine Großmutter?", unterbrach Massa. "Ich habe sie direkt angerufen, als ich aus dem Auto ausgestiegen bin."

Ungarn: Die Lehre vom Jugendschutz

Boxenfunk ist eine spannende Angelegenheit. Die meisten Fans bekommen im heimischen Wohnzimmer nur einige freigegebene und für unbedenklich befundene Fetzen zu hören. Dabei kann der Funkverkehr zwischen Box und Fahrer richtig unterhaltsam sein. Renault treibt seine Fahrer gerne zu Höchstleistungen an. "You've gotta push like fuck!", müssen sich die Fahrer dort regelmäßig anhören. Außer der Ingenieur bemerkt schnell genug, dass er on air ist, dann wird daraus kurzerhand ein "You have to push like... anything." Von McLaren Mercedes gibt es offiziell selten etwas zu hören. Doch ausgerechnet in Ungarn durfte ein britischer Kollege mithören und traute seinen Ohren nicht, was Lewis Hamilton und Ron Dennis sich zu sagen hatten. "Don't ever fucking do that to me again." - "Don't fucking talk to me like that." Was lernen wir daraus? Die Verschlüsselung beugt nicht nur Spionage vor - sie ist auch ein integrierter Jugendschutz.

Türkei: Die Lehre vom Bart

Drei Mal fuhren sich Fernando Alonso und Nick Heidfeld vor dem Türkei GP über den Weg. Immer behielt der Mönchengladbacher auf der Rennstrecke die Oberhand. Irgendeinen Grund muss das doch gehabt haben. Das sagte sich auch Fernando und ließ sich kurzerhand über die Sommerpause einen Bart wachsen - oder war das gar ein Affront gegen das Team? Egal. Fernandos Bart war vor dem Rennen wieder ab, der Murmeltierlook von Nick blieb. Das Ergebnis: wieder kam Alonso auf der Strecke nicht am Bartträger im BMW Sauber vorbei. Die aerodynamischen Anbauhärchen bringen also doch etwas.

Italien: Die Lehre vom Fernsehen

Erlaubter Murmeltierlook., Foto: Sutton
Erlaubter Murmeltierlook., Foto: Sutton

Fernando Alonso konnte den Fragen zu seinen E-Mail-Schreibgewohnheiten nicht entgehen. Der ganze Rummel beeinträchtigte ihn jedoch nicht in seiner Vorbereitung. "Ich lese nicht und schaue nicht so viel fern, wenn ich zu Hause bin", verriet Alonso. "Ich habe keine spanischen Kanäle und die anderen verstehe ich nicht so gut. Ich spiele lieber mit der Playstation und weiß nicht, was in der F1 vor sich geht." Auch eine Lösung: Playstation statt Spionage.

Belgien: Die Lehre vom Glamour

Die Formel 1 ist Lifestyle, Glamour, Glitter, VIPs - Heikki Kovalainen kann dem nicht zustimmen. "Ich habe davon noch nichts gesehen - nur davon gehört", sagte der Finne. "Das Leben als Stammfahrer ist nicht nur Glamour und Glitzer." Man reise von Rennen zu Test zu Rennen zu Sponsorentermin. "Das ist sehr anstrengend. Ich war seit Januar nicht mehr in Finnland." Im Vorjahr sei er als Testfahrer öfter zu Hause gewesen. "Jetzt gibt es jede Woche Verpflichtungen für das Team. Glamour, Jetset, hübsche Frauen, Sonne, Strand - all das habe ich noch nicht gesehen." In Finnland ist es mit dem Strand allerdings auch nicht so weit her. "Aber dafür gibt es Eis und Schnee."

Japan: Die Lehre von der Post

Wieder waren es E-Mails, wieder waren sie einigen unbekannt und wieder waren alle unschuldig. Ohne die elektronische Post scheint heutzutage gar nichts mehr möglich zu sein - weder Spionageanhörungen noch Regenrennen. Eine angeblich verspätete E-Mail an Ferrari, welche die Verwendung der 'heavy wets' vorschrieb, veranlasste einen britischen Kollegen bei der Ferrari-Pk nach dem Rennen zu folgender Frage: "Erkennen Sie die Ironie, dass vor zwei Monaten McLaren gesagt hat, dass sie unschuldig sind, weil sie von den Unterlagen nichts wussten und nun sagt Ferrari, dass man unschuldig ist, weil man von der Mitteilung nichts wusste?" Jean Todt war von dieser Frage wenig angetan. Dem technologischen Fortschritt tat dieser Vorfall sicherlich nicht gut, seitdem verteilt die FIA neben E-Mails auch wieder ausgedruckte Papierversionen an alle Teams. Dass die Bedingungen zu schlecht für Intermediates sind, müssen die Teams aber weiterhin selbst erkennen...

China: Die Lehre vom Bagger

Nur einmal hilft der Kranführer., Foto: Sutton
Nur einmal hilft der Kranführer., Foto: Sutton

Hamilton steckte im Kiesbett. Kaum hatten die McLaren-Verantwortlichen den Schock überwunden, fragten sie vom Kommandostand bei der FIA nach: dürfte er das Rennen fortsetzen, wenn ihm die Streckenposten helfen? Die Antwort lautete ja. "Mit ein paar größeren, stärkeren Streckenposten, hätte er vielleicht weiterfahren können", bedauerte Martin Whitmarsh. "Aber das soll keine Kritik sein." Es wäre jedoch nicht verwunderlich gewesen, wenn beim Saisonfinale in Brasilien an allen Kiesbetten ganz in Silber gekleidete Schwarzenegger-Verschnitte auf ihren Einsatz gewartet hätten.

Brasilien: Die Lehre vom Aussehen

Schon vor dem Saisonfinale durfte Nick Heidfeld einen ersten Blick auf Entwürfe seines neuen Autos für 2008 werfen. "Es sieht gut aus, aber so ein Gefühl kann man gleich in die Tonne hauen", sagte er. "In der F1 kann man nicht durch Anschauen entscheiden, ob ein Auto schnell ist oder nicht." Als er zu Jahresbeginn zum ersten Mal den neuen Renault sah, dachte er auch: "Der sieht aber geil aus." Nick rechnete damit, dass es schwer werden würde, Renault zu schlagen. "Und dann waren wir schneller, obwohl unser Auto normal aussieht."