Es ist empfindlich kalt geworden, am Abend des dritten Testtages in Barcelona. Der Wind bläst immer kräftiger in die Fahrerlagerschneise zwischen beladenen Trucks und abgebauten Motorhomes. Nur bei Force India steht das Teamzelt noch, auch wenn die Gäste und Teammitglieder darin unter dem aufkommenden Wind ganz schön gebeutelt werden. Tonio Liuzzi und Christian Klien stören weder die Eiseskälte noch der starke Wind, sie sitzen schon seit über einer Stunde im Fahrerbriefing hoch oben im Teamtruck. Für beide könnte es eines der wichtigsten Briefings ihrer bisherigen F1-Karriere sein.

Beide sind sie mit Red Bull in die Königsklasse gekommen, beide suchen sie nach einem neuen Unterschlupf als Stammfahrer für 2008. Bei Force India kann das nur einer werden, der andere stünde plötzlich doch im eiskalten Gegenwind. Doch es könnte auch alle beide erwischen. Auch Roldan Rodriguez und Giedo van der Garde durften in Barcelona für das Team testen. In Jerez sollen neben den bekannten Piloten angeblich auch Ralf Schumacher und Giancarlo Fisichella eine Chance erhalten, um sich und ihre Qualitäten zu beweisen.

"Warten wir es ab", sagt Adrian Sutil, der allen eines voraus hat: er besitzt schon einen gültigen Vertrag für die nächste Saison. "Es testen sehr viele Fahrer für uns", so Sutil. "Am Mittwoch waren zwei im Auto, am Dienstag waren zwei andere im Auto, in Jerez werden noch einmal ein paar andere kommen. Der Beste wird das Cockpit bekommen." Den zu finden, ist gar nicht so einfach. "Wir haben immer viele Fahrer", gestand Teamchef Colin Kolles gegenüber motorsport-magazin.com, "aber wir haben auch immer viele schnelle Fahrer." Das mache die Auswahl noch schwieriger. "Wir werden eine Entscheidung treffen, mehr kann ich nicht sagen. Es macht die Sache nicht einfacher, wenn du zwei Fahrer innerhalb eines Zehntels hast. Am Mittwoch waren es sogar drei Fahrer."

Christian Klien darf in Jerez noch mal ran., Foto: Hartley/Sutton
Christian Klien darf in Jerez noch mal ran., Foto: Hartley/Sutton

Einer davon war Tonio Liuzzi, der sich bald eine Entscheidung wünscht. "Ich hoffe, dass die Entscheidung bald vom Team getroffen wird." Er habe sein Bestes gegeben, um zu überprüfen, ob seine Arbeitsweise zum Team passe. "Ich bin ziemlich optimistisch, wir haben gut gearbeitet." Der letzte direkte Kampf um ein offenes Cockpit fand in der Wintersaison 2004/2005 statt. Damals duellierten sich Nick Heidfeld und Antonio Pizzonia um ein Williams-Cockpit. Vor der Saison 2000 fuhren Jenson Button und Bruno Junqueira einen Shoot-Out um einen Platz bei Williams. "Für mich ist es kein Shoot-Out", betont Liuzzi im Gespräch mit motorsport-magazin.com. "Ich wollte nur herausfinden, wie das Team arbeitet."

Jetzt müsse das Team entscheiden, welcher Fahrer die beste Wahl für es sei. "Heute ging es nicht um Rundenzeiten", sagt der Italiener. Adrian Sutil sieht das anders. "Für die anderen war es wie ein Shoot-Out, deshalb sind sie eher auf Rundenzeiten gegangen und ich bin Long Runs gefahren." Liuzzi sah sich etwas im Nachteil, weil er die wenigste Erfahrung mit dem ehemaligen Spyker-Boliden hatte. "Adrian ist das Auto schon ein Jahr gefahren, Christian hat auch schon damit getestet. Ich dagegen bin zum ersten Mal damit gefahren und das auch noch ohne Traktionskontrolle." Das sei ein großer Schritt gewesen. "Ich bin von Red Bull ein komplett anderes Auto gewöhnt."

Apropos Red Bull: am Mittwoch teilten sich Klien und Liuzzi für je einen halben Tag den gleichen Force India-Boliden - wie in alten Red Bull-Zeiten, wo sie sich sogar bei den Rennen abwechselten. "Das ist anscheinend immer so", sagt Liuzzi mit einem Lachen. "Nächstes Jahr fahren wir zusammen in einem Doppelsitzer." So könnte man fast alle Fahrer unterbringen. Andererseits steht noch nicht fest, ob die eigentlich gesetzte Nummer 1 auch 2008 noch da sein wird.

"Dazu muss ich leider sagen: kein Kommentar", sagt Sutil, dem Chancen bei McLaren Mercedes nachgesagt werden. "Momentan kann ich dazu nichts sagen. Natürlich hoffe ich, dass es klappt. Es wäre ein unglaublicher Schritt, eine Riesenchance und für Deutschland bestimmt eine Sensation: endlich ein deutscher Fahrer in einem deutschen Team." Noch steht aber nichts fest. "Ich gehe davon aus, dass ich hier bleibe." Ein kleines Hintertürchen lässt sich Sutil dennoch offen: "Vielleicht gibt's ja wieder ein schönes Weihnachtsgeschenk." Im Vorjahr erfuhr er kurz vor Heiligabend, dass er in dieser Saison sein GP-Debüt geben würde. Damit würde er noch einen der vielen Force India-Kandidaten glücklich machen. Dann würde es tatsächlich zwei geben.