Millionen Fernsehzuschauer haben es gehört: "Du darfst ihn überholen", spornte Robert Kubicas Renningenieur seinen Fahrer an, als dieser hinter Teamkollege Nick Heidfeld lag. Doch die angebliche Teamorder hatte keine Wirkung, Heidfeld beendete den Japan GP 2006 als Achter - vor Kubica. Nur zwei Wochen später setzte Kubica die Aufforderung um. Schon in der vierten Kurve des Saisonfinales in Brasilien ging er mit einem harten Manöver an Heidfeld vorbei, dessen Auto nahm dabei Schaden. Der Gesprächsstoff für die lange Winterpause war gesichert: BMW Sauber hatte plötzlich eine mit Zündstoff geladene Fahrerpaarung, in der viele der so genannten Experten großes Konfliktpotenzial sahen - mehr als bei Räikkönen und Massa, erst recht mehr als bei Alonso und Hamilton.

Optisch getrennt: Heidfeld und Kubica., Foto: Sutton
Optisch getrennt: Heidfeld und Kubica., Foto: Sutton

Es dauerte ein halbes Jahr bevor sich die Kritiker bestätigt fühlen durften. Ausgerechnet bei Heidfelds Heimrennen am Nürburgring kam es zum großen Knall. Wieder war es die erste Runde, diesmal jedoch schon die zweite Kurve - und diesmal fuhr Heidfeld Kubica ins Heck. Der Aufschrei war groß, doch BMW Sauber verstand es die Wogen schnell zu glätten. Ein Meeting vor dem nächsten Rennen stellte sicher, dass keiner der beiden mehr sagte als "Darauf werde ich nicht weiter eingehen." Angst vor einer Wiederholung hat Mario Theissen nicht. "Wir haben sicher gestellt, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird", sagte er überzeugt von sich und seinen Fahrern. In der F1 ist alles möglich, nichts lässt sich ganz ausschließen - schon gar keine Kollisionen. Doch Theissen sagte das genauso sicher, wie es ihm alle abkauften.

Das gelingt nicht allen Teamchefs, obwohl Theissen ja gar keiner ist. Er besteht auf die Bezeichnung Motorsportdirektor. Ron Dennis ist ein echter Teamchef, ja sogar ein Teamboss. Aber ausgerechnet er, ausgerechnet die Fahrerpaarung eines Formel 1-Doppelwelmeisters und eines Rookies, also die Harmlosigkeit in zwei Personen, die im Winter als so brisant, wie eine Folge der Lindenstraße angesehen wurde, bereitet dem erfahrenen Teamboss Kopfschmerzen, vermieste ihm den Sommerurlaub und sorgte für eine Protestwelle auf den Tribünen, vor den Fernsehern und im gesamten Paddock. "Ron, wo ist die Gleichberechtigung?", stand auf einem Fanbanner in Istanbul. "Wer Krähen züchtet, dem kratzen sie die Augen aus."

Schau du da hin, ich schau hier hin., Foto: Sutton
Schau du da hin, ich schau hier hin., Foto: Sutton

Die Fans hatten das Qualifying von Budapest nicht vergessen. Die angebliche Behinderung von Lewis Hamilton durch Fernando Alonso. Die missachtete Teamanweisung von Hamilton. "Alonso - Du hast ihnen geholfen, zu gewinnen", stand auf einem anderen Plakat, "sie haben dir geholfen, zu verlieren." Plötzlich war der Heidfeld-Kubica-Vorfall nur ein kleiner Wassertropfen im großen silbernen Sturm. Die einstmals als explosiv bezeichnete BMW-Fahrerpaarung wurde zu zwei Busenfreunden degradiert. Die F1-Welt hatte mit Alonso und Hamilton wieder zwei In-Team-Feinde. Kaum explodierte Hamiltons Reifen in der Türkei, wurden Verschwörungstheorien aufgestellt - war es Sabotage? Trieb der Streit Hamilton zum Reifenschaden? Die Boulevardmedien sind erfinderisch. In diesem Punkt hatte Lewis Recht, als er in Istanbul sagte: "Es ist eher die Presse, die sagt, wir haben einen Krieg. Dadurch verkaufen sie mehr Blätter."

Doch der Friede-Freude-BMW-Zustand sollte sich bei den Silbernen trotz der langen Donnerstagssitzung von Istanbul nicht einstellen. Immer wieder gab es Spitzen in die eine oder andere Richtung. "Ungarn darf nicht noch einmal vorkommen", betonte Alonso am Freitag. Doch er sagte spanischen Kollegen auch, dass er das Auto über den Winter um "mindestens eine Sekunde vorwärts gebracht" habe. "Aber ich sehe nichts, was das Team mir zurückgibt." Treffer Nummer 1. "Es ist kein angeordneter Frieden von Ron Dennis", sagte Hamilton. Angesichts solcher Aussagen kein Wunder - auf diese Weise ist gar keiner... "Aber Ron hatte genauso wie wir Fahrer Zeit, seine Aktionen zu überdenken", fuhr Hamilton fort. "Wir haben alle unsere Lektion gelernt." Auch Ron Dennis. Treffer Nummer 2. Ob irgendjemand sicher stellen kann, dass so etwas nicht wieder vorkommen wird? Vielleicht der Teamchef? Treffer Nummer 3.