Beim vierten Saisonrennen holte Honda seinen ersten WM-Punkt. Damit hätte vor Saisonbeginn niemand gerechnet. Aber halt: nicht das Werksteam rund um Jenson Button und Rubens Barrichello fuhr verspätet den ersten Zähler ein, es war Takuma Sato, der Super Aguri zum Jubeln brachte. Die Werkstruppe steht weiterhin ohne einen einzigen WM-Punkt da, obwohl sie den neuen RA107 einsetzen, während der SA07 von Super Aguri ein modifizierter RA106 der Vorsaison ist - immerhin das Siegerauto des Ungarn GP.

Nicht nur in Japan stellt man sich jetzt die Frage: Warum ist das kleine Kundenteam schneller, besser und erfolgreicher als der große Bruder aus Brackley? Ein gerne angeführter Grund ist der neue Windkanal des Werksteams, der im Winter seine Arbeit aufnahm und anscheinend noch nicht korrekt kalibriert war beziehungsweise dessen Daten noch nicht richtig gedeutet wurden. Das gilt ganz besonders bei Erkenntnissen über die Bridgestone-Reifen, an die sich Honda Racing in diesem Jahr erst gewöhnen muss. Super Aguri hat hingegen schon Erfahrungen aus dem Vorjahr. Vielleicht hat Honda den aerodynamischen Einfluss der neuen Reifengeneration auf das Gesamtkonzept unterschätzt oder sogar zu radikal entwickelt, was Christian Klien und Chefingenieur Jacky Eeckelaert andeuteten.

Wie der Renault ist der neue Honda schwierig zu kontrollieren, gerade beim Anbremsen von schnellen Kurven, in denen es stark auf die Aerodynamik ankommt. Möglicherweise haben die Ingenieure den Strömungseinfluss der Reifen falsch eingeschätzt. Bei Renault gab man das indirekt zu, denn der R26 war im letzten Jahr aerodynamisch perfekt auf die Charakteristik der Michelin-Hinterreifen zugeschnitten. Betrachten wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der drei letzten Honda-Renner im Detail.

Der Ursprung: Honda RA106

Der Honda RA106 bei seiner Präsentation Anfang 2006., Foto: Honda
Der Honda RA106 bei seiner Präsentation Anfang 2006., Foto: Honda
  • Der Honda RA106 stellt die technische Ausgangsbasis für die beiden 2007er Fahrzeuge von Super Aguri und Honda Racing dar. Der Super Aguri SA07 darf jedoch bestenfalls als eine sanfte Evolution des RA106 bezeichnet werden, deshalb auch der große Aufruhr im Kundenchassisstreit. Es wurden lediglich leicht austauschbare aerodynamische Anbauteile überarbeitet. Der RA107 stellt hingegen eine radikale Revolution dar, was sich vor allem in seinem aufwändigeren Bodyworks niederschlug.
  • Nachdem 2006 der Trend die Seitenkästen nach unten hin extrem einzuschnüren auch die letzten Teams erreichte, ist die Form der Seitenkästen am RA106 umso verwunderlicher. Der anscheinend hohe Kühlluftbedarf des Honda-Motors machte in diesem Bereich eine engere Bauform unmöglich.
  • Aufgrund des neuen Motorenreglements und des deshalb größtenteils baugleichen Motors konnte am RA107 sowie am SA07 wenig geändert werden, was besonders im Vergleich zu den mittlerweile extremen Lösungen der Konkurrenz (McLaren, Red Bull, Renault) auffällt. Das solche Extremlösungen nicht unbedingt zielführend sein müssen, stellte letzte Saison Red Bull mit dem RB2 eindruckvoll zur Schau.
  • Aerodynamisch bewährte Details des RA106 wurden auch auf die Revolution RA107 übertragen, was sich beispielsweise in den weiter ausgefeilten Warmluftkaminen auswirkte. Diese leiten die warme Abluft nicht mehr auf, sondern seitlich am Heckflügel vorbei (Thema Flügeleffizienz). Gleiches gilt für das No-Keel-Konzept, das gerade Nasenkonzept und die vergleichsweise klobigen Seitenkästen.

Der Umbau: Super Aguri SA07

Der Super Aguri SA07 wurde erst kurz vor Saisonbeginn präsentiert., Foto: Sutton
Der Super Aguri SA07 wurde erst kurz vor Saisonbeginn präsentiert., Foto: Sutton
  • Das Chassis basiert auf dem RA106, allerdings mit weiterentwickelten aerodynamischen Anbauteilen.
  • Es gibt einige auffallende Änderungen in der Strömungsführung um das Monocoque (ähnlich wie bei Renault gibt es kleine Zusatzflügel auf der Nase). Außerdem wurden die Honda-typischen Anstellflächen vor den Seitenkästen weggelassen. Das wurde notwendig, weil Honda beim RA106 erstmals auf Bargeboards verzichtete, um genügend Kühlluft in die Seitenkästen zu bekommen.
  • Der Radstand des RA106 wurde entgegen dem allgemeinen Trend von 3.140 auf 3.135mm verkürzt, wobei man sich an das Konzept des Quasi-Vorgängers SA06 annäherte. Dieser hatte einen Radstand von 3.100mm und fuhr schon 2006 auf Bridgestone-Reifen. Die Verkürzung des Radstandes kann einerseits an den Erfahrungen mit Bridgestone liegen, andererseits kann auch das engere/kompaktere Package des neuen Honda-Getriebes dafür verantwortlich sein.
  • Trotz der Radstandverkürzung blieb man der Radgeometrie des RA106 treu, was teilweise ähnlichen und identischen Radgeometrieabmessungen sowie unserer Bilderserie zu entnehmen ist.
  • Rein technisch gesehen wäre die Umstrukturierung einer bereits vorhandenen Geometrie auf einem fertig auskonstruierten Basischassis nicht nur finanziell, sondern auch von den daraus resultierenden, anders liegenden Krafteinleitungspunkten her unsinnig. Bei einer Umsetzung eines solchen Vorhabens wäre der Gewichtsnachteil durch die zusätzlichen Versteifungen wohl größer als die Vorteile der neuen Radgeometrie.

Das Problemkind: Honda RA107

Der Honda RA107 ist nicht nur bei der Lackierung radikal., Foto: Honda
Der Honda RA107 ist nicht nur bei der Lackierung radikal., Foto: Honda
  • Auch wenn es die Optik nicht vermuten lässt, der RA107 stellt eine Weiterentwicklung des RA106 dar. Er ist der erste Honda, der vollkommen aus dem neuen 1:1-Windkanal stammt. Darin liegt auch der radikale Schritt beim Design des Bodyworks begründet.
  • Die auffälligsten Merkmale im Vergleich zum RA106 sind der extrem kompakte Heckbereich (bei weitem eine der extremsten Lösungen im Feld), der eine störungsfreie Anströmung des Heckflügels ermöglichen soll und somit die aerodynamische Effizienz des Heckflügels bei gleichem Anstellwinkel erhöht (Verhältnis Abtriebskraft zu Luftwiderstand).
  • Die schmale Nasenform (siehe Renault 2005) erhöht zum einen die Effektivität des Frontflügels, andererseits wird die seitlich anströmende Luftmenge auf und um die Seitenkästen erhöht. Die schmale Nasenform bewirkt einen Abtriebsgewinn am Flügel und einen Abtriebsverlust an der Nase. Bei der breiten Nasenform, die auch McLaren verwendet, sieht es genau anders herum aus: sie bewirkt einen Abtriebsgewinn an der Nase und einen Abtriebsverlust am Flügel.
  • Der Radstand wurde ausgehend von den 3.140mm des RA106 dem allgemeinen Trend folgend und genau gegensätzlich zum SA07 auf 3.150mm vergrößert.
  • Die Radgeometrie wurde vom Konzept her beibehalten und optimiert an das neue Chassis angepasst.
  • Der RA107 setzt auf das mittlerweile übliche No-Keel-Konzept des Vorgängers. Dabei erfolgt die Anbindung der unteren Wishbones an der nach unten verlängerten unteren Kante des Monocoques, was einen Nachteil bezüglich der Radgeometrie und der Schwerpunktlage mit sich bringt, den die aerodynamischen Vorteile durch eine freie Anströmung des Splitters und des Unterbodens aber wieder aufwiegen.