In den letzten sieben Tagen wurde getestet, gesprochen und verschrottet. Es war also eine ganz gewöhnliche Testwoche auf dem Circuit de Catalunya. Nicht dabei waren viele Testfahrer. Stattdessen drehten die Einsatzpiloten die einzigen Runden zwischen den Rennen in Bahrain und Spanien. Besonders interessant war dies aus Sicht von BMW Sauber. Denn die beiden Stammfahrer Nick Heidfeld und Robert Kubica klagten schon vor Saisonbeginn darüber, dass sie durch die Freitagseinsätze von Sebastian Vettel wertvolle Trainingszeit verlieren würden.

Als eines der wenigen Teams kündigte BMW Sauber schon im letzten Jahr an, dass man von der neuen Regelung, einen Testfahrer im Freien Training einzusetzen, Gebrauch machen würde. Es war fast schon ein bisschen Galgenhumor, als Nick Heidfeld bei der Teampräsentation in Valencia auf seinem Hocker saß und dabei sagte: "Glücklicherweise verlieren wir nicht die gesamte Freitagssession, sondern nur die Hälfte - aber aus meiner Sicht ist das schon zu viel."

Seine Sicht ist seitdem unverändert geblieben: "Wenn es meine oder Roberts Entscheidung wäre, würden wir den ganzen Freitag fahren", sagte er damals wie heute. "Ich mag die Idee nicht. Es ist offensichtlich, dass es ein Nachteil für die Einsatzfahrer ist." Sein Chef, BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen, beurteilte die Situation jedoch anders. Er wollte seinem hoch gelobten Nachwuchsstar Sebastian Vettel so viel Fahrpraxis und Streckenkenntnis wie möglich geben.

Vier Fahrer, zwei Cockpits - bis auf weiteres dürfen nur noch zwei darin fahren., Foto: BMW
Vier Fahrer, zwei Cockpits - bis auf weiteres dürfen nur noch zwei darin fahren., Foto: BMW

"Es soll mindestens einer der Testfahrer auch am Freitag fahren", verkündete Theissen in Valencia. "Das muss nicht in allen Sessions der Fall sein, aber wir werden immer einen Testfahrer dabei haben und er wird immer fahren." So war es auch an den ersten drei Freitagen der Saison in Australien, Malaysia und Bahrain. Jeweils musste einer der Einsatzfahrer zähneknirschend für Vettel aussetzen. Immer wieder wurden die Piloten und Theissen mit den Fragen der Journalisten konfrontiert und immer wieder blockten sie ab: die Entscheidung sei gefallen beziehungsweise die Wahl liege nicht bei ihnen.

Vor dem Europaauftakt in Barcelona kam nun die Wende: "Wie angekündigt, haben wir nach den Überseerennen die Fahrerbesetzung für die Freitage analysiert", teilte Theissen über das BMW Sauber Press Release mit. "Bis auf weiteres werden die beiden Einsatzpiloten künftig den kompletten Freitag fahren." Woher der Sinneswandel? Hatten die ewigen Fragen der Presse ihn zermürbt? Haben Heidfeld und Kubica den Machtkampf gewonnen? Oder sah Theissen ein, dass seine Idee doch nicht so gut war?

Wie üblich ist es wahrscheinlich von allem etwas. Schon seit Monaten kursieren Gerüchte, wonach Vettel als Stammfahrer für 2008 gesetzt sei, deshalb soll ursprünglich die Entscheidung für seine Freitagsrolle gefallen sein. Wahr ist jedoch, dass die Zukunft des Deutschen momentan nicht nur in den Händen von BMW, sondern auch seines zweiten Förderers Red Bull liegt, die ihn anfänglich nur an BMW ausgeliehen haben. Allerdings soll es in den Reihen der Weiß-Blauen schon seit dem Winter Kritik am Feedback und dem Speed des Nachwuchsfahrers geben. Diese soll sich auch an den Freitagen wiederholt haben. Der zweite Testfahrer Timo Glock bekam hingegen für seine technisch versierten Aussagen Rosen gestreut. Er hat aber auch sehr viel mehr Erfahrung als der 19-jährige Vettel.

Dass Vettel schnell Rennauto fahren kann, hat er schon oft bewiesen. Er wurde überlegener Meister in der Formel BMW, Vizechampion in der Formel 3 Euro Serie, holte Siege in der World Series by Renault, den bislang letzten an diesem Samstag am Nürburgring. Außerdem kann nicht ein jeder auf Anhieb in den ersten Freien Trainings seiner F1-Karriere ohne große Testerfahrung Bestzeiten hinlegen, wie es Vettel 2006 vollbrachte. Er ist ein guter, sogar sehr guter Rennfahrer, aber er ist noch jung, unerfahren und macht Fehler - auch das bewies die letztjährige F3-Saison. Mehrmals verschenkte er durch unnötige Ausrutscher wichtige Punkte. Der Reisemarathon in den letzten Wochen der Saison von F1-Rennen zu F1-Tests zu F3-Rennen ging sicherlich nicht spurlos am 19-jährigen vorbei, der gerade erst sein Abitur bestanden hatte. Sebastian tat das gerne mit einem Lächeln und den Worten ab: "Ich bin ja noch jung..." Das gleiche gilt jetzt wohl auch für das vorläufige Ende seiner Freitagseinsätze für BMW Sauber: Vorerst können die Einsatzfahrer dem Team vielleicht mehr weiterhelfen, aber Sebastian ist ja noch jung...