Ich weiß nicht, ob ich mit meiner Meinung alleine da stehe. Aber mir graut vor dem Formel 1 Kalender im Jahr 2010. Ich glaube, Europa ist drauf und dran, zum Nebenschauplatz der Formel 1 zu werden. Bernie Ecclestones multinationale Geldvermehrungs-Maschinerie ist gerade dabei, die Tradition zu Grabe zu tragen. Geschichtsträchtige Orte werden wir die nächste Generation nur noch aus verstaubten Büchern kennen. Und das finde ich wahnsinnig schade.

Wow - eine Idylle so weit die Wüste reicht., Foto: Sutton
Wow - eine Idylle so weit die Wüste reicht., Foto: Sutton

Oder habt Ihr schon mal einen Formel 1-Fan getroffen, der mit leuchtenden Augen geschwärmt hat: "Wow! Bahrain, was für eine Strecke!" oder "Wow! Malaysia, was für tolle Rennen fallen mir dazu ein..."

Bahrain ist für mich eine faszinierende und zugleich abstoßende Mondlandschaft mit angeschlossenem Rennbetrieb. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich hier im Jahr 2003 - es war etwa ein halbes Jahr vor der Eröffnung - einen Baustellenbesuch absolvierte. Gnadenlose Hitze, Staub und Sand zwischen den Zähnen, und dazwischen Armeen von pakistanischen und indischen Bauarbeitern. Für einen Bettel haben sie ins Niemandsland eine der modernsten Strecken hineingebaut. 12 Stunden-Tage sind die Regel, und damit sind sie sozial ziemlich gut gestellt, denn vom König gibt's für jeden Neuankömmling eine Klimaanlage und einen Farbfernseher als Einstandsgeschenk.

150 Millionen hat der Sakhir-Circuit angeblich gekostet. Standard-Tarif für eine Tilke-Strecke im dritten Jahrtausend. Und Kleingeld für die Betreiber eines Geldparkplatzes. Erst ab 1 Milliarde, so hört man, sollte man doch mal beim König nachfragen, ob die Investition in Ordnung geht.

Jenson Button war der erste, der seinen - zumindest steuerlichen - Wohnsitz hierher verlegt hat. In Dubai, Bahrain, Qatar leben heute bereits mehr Rennfahrer und Rennsport-Größen als in Monaco. Ein Einkommenssteuersatz von bis zu 0% ist logischerweise ein starkes Lockmittel. Dass die arabischen Behörden nicht so ganz kleinlich sind bei der Kontrolle der Anwesenheitszeiten macht den Standort extra attraktiv. War schon immer lästig, in Monte Carlo extra jemanden zu beschäftigen, der im Appartement mal die Klospülung bedient und das Licht brennen lässt. Denn die Energiekosten decken gnadenlos auf, ob Du nur ein Briefkasten-Bewohner bist oder den Steuervorteil tatsächlich durch entsprechende Anwesenheit ersitzt.

Arabischer Flair ist nicht alles. Wo sind die echten Strecken?, Foto: Sutton
Arabischer Flair ist nicht alles. Wo sind die echten Strecken?, Foto: Sutton

Und auch sonst ist die Auslegung der Regeln hier eine eher flexible. Wie sonst hätten Räikkönen und Massa hier entgegen aller Konventionen in herrlichem Marlboro-Branding die weltweiten Haushalte erreichen dürfen? Das arabische Großkapital hat längst einen fixen Stellenwert in der Formel 1 erreicht. David Richards streicht durch Fahrerlager. Ob Prodrive ab 2008 vorne mitfährt hängt in erster Linie von seinen Geldgebern ab. Die sitzen in Dubai. So wie die von McLaren. Zusammenhang verstanden?

Ich halte vieles für möglich in der Formel 1. Einen Grand Prix in Dubai genau so wie größere Aktivitäten in Qatar oder Abu Dhabi. Wer's nicht glaubt, sollte mal bei Herrn Tilke nachfragen. Ich glaube, er hat schon die Vielfliegerkarte in Platin bei Emirates.

Als Hardcore-Fan sieht man all das natürlich mit zumindest einem weinenden Auge. Wer je mal in Zolder war, in Dijon oder in Brands Hatch, dem fehlt heute irgendwie der leicht modrige Geruch vergangener Zeiten im Rennsport. Wer je den Sand zwischen den Zähnen in Zaandvort geschmeckt hat, dem kommt der große Bruder in Arabien höchstens wie ein steriler, hochgezüchteter Klon vor. Aber wie gesagt: Vielleicht stehe ich ja wirklich alleine da mit meiner Meinung...