Vor dem Türkei GP standen drei Zahlen im Mittelpunkt: 10 Punkte - Der Rückstand von Michael Schumacher auf Fernando Alonso; der 90. Sieg, den Schumacher hätte holen können; und der 15. Sieg, den Alonso hätte holen können. Am Ende war es aber wie am Samstag: Nicht Schumacher oder Alonso, sondern Felipe Massa hatte die rote Fahrzeugnase vorne! Im Titelkampf führt Alonso nun mit 12 Punkten Vorsprung auf den siebenfachen Champion.

Rot gewinnt und verliert

Die drei Hauptdarsteller des Türkei GP ließen es gleich in der ersten Kurve nach dem Start richtig krachen - jedenfalls symbolisch gesehen. Während Felipe Massa von der Pole davonzog, fuhr Fernando Alonso kurzzeitig an Michael Schumacher vorbei, musste jedoch zurückstecken, als der Deutsche spät in die erste Kurve hineinbremste. Danach führte Massa mit klarem Vorsprung vor Schumacher, beide Ferrari konnten sich deutlich von Alonso absetzen.

Runde 13 brachte dann die zwischenzeitliche Wende: Das Safety Car ging heraus und zwang Ferrari zu einem Doppelstopp. Massa bog zusammen mit Schumacher in die Boxengasse ein, wo sich der Deutsche hinter seinem Teamkollegen anstellen musste. Gleichzeitig holte sich auch Alonso neue Reifen und mehr Benzin, allerdings stand der Spanier nicht so lange wie der Deutsche, weshalb er in der Box am WM-Zweiten vorbeigehen konnte. So blieb die Situation bis zur zweiten Runde der Boxenstopps; mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass Schumacher einmal leicht von der Strecke abkam und so gut viereinhalb Sekunden auf Alonso verlor.

Für den siebenfachen Champion bedeutete dies, dass er nach den parallelen Boxenstopps von Massa und Alonso in Umlauf Nummer 39 einen wahren Husarenritt starten und genügend Vorsprung für seinen Stopp herausfahren musste. In Runde 43 kam dann die rote Ernüchterung: Die 16,1 Sekunden Vorsprung von Schumacher reichten nicht, um Alonso hinter sich zu halten. Er kam eine Sekunde hinter seinem Titelrivalen heraus - der Fehler zu Rennmitte kostete Schumacher den Platzgewinn in der Box. Jetzt musste er dies in den letzten 14 Runden auf der Strecke korrigieren. Obwohl Schumacher etliche Male im Getriebe des Renault klemmte und in den letzten Kurven noch einmal alles riskierte, kam er in einem Runden langen Duell nicht an seinem Titelkontrahenten vorbei. Ferrari brachte das um die schwere Entscheidung einer Teamorder und Felipe Massa bescherte es einen Tag nach seiner ersten Pole Position seinen ersten GP-Triumph!

Das Chaos regiert

Jarno Trulli hatte es vor dem Rennen vorausgeahnt: "Wenn wir die erste Kurve überstehen, ist alles möglich." Jarno überstand die erste Kurve, sein Teamkollege Ralf Schumacher nicht. Nachdem sich vorne Giancarlo Fisichella gedreht hatte, weil er Fernando Alonso nicht ins Heck fahren wollte, verfiel das Feld hinter dem verkehrt herum stehenden Italiener in pures Chaos. Ralf Schumacher und Nick Heidfeld verloren ihre Frontflügel und Scott Speed stieß mit dem linken Hinterrad von Kimi Räikkönen zusammen. Das bedeutete viel Arbeit für die Boxencrews; alle Beteiligten mussten zu einem frühen Reparaturstopp hereinkommen. Für Räikkönen war das Rennen danach aber schon bald beendet: Der Finne kam von der Strecke ab und rutschte geradeaus in die Mauer. Noch vor ihm schieden Takuma Sato und Tiago Monteiro aus.

"Mir tut die Schulter etwas weh, der Einschlag war relativ hart", sagte der Finne nach seinem Unfall. "Irgendjemand hat mich am Start getroffen und danach hatte ich einen Reifenschaden. Das Auto war danach ziemlich beschädigt. Ich hatte keinen Grip und bin abgeflogen."

Das Startchaos bescherte uns ein durcheinander gewürfeltes Feld und jede Menge Überholmanöver. Der große Gewinner der ersten Runde, Tonio Liuzzi, wurde in der Folge von einigen Piloten aufgeschnupft und wieder nach hinten durchgereicht. Besser lief es für Mark Webber, der sich in der Verfolgergruppe auf Platz 5 festsetzen konnte.

In Runde 13 war das Rennen für Liuzzi beendet, der Italiener drehte sich in der ersten Kurve und beschwor eine Safety-Car-Phase herauf. Dadurch begann der zweite große Sturm auf die Boxengasse, in der etliche Piloten neue Reifen und mehr Benzin abholten. Eine kleine Gruppe mit Button, Rosberg, Klien, de la Rosa, Trulli, Barrichello und Coulthard ging jedoch auf Risiko und verzichtete auf einen Stopp. Für den Moment brachte diese neuerliche Unruhe im Feld viele Zweikämpfe, Überholmanöver und Konter. Der Istanbul Speed Park bestätigte den guten Eindruck von seiner Premiere im Vorjahr und entpuppte sich als würdiger GP-Austragungsort.

Der zweite Sieger auf türkischem Boden trägt den Namen Felipe Massa und ist damit der zweite Debütgewinner der Formel 1 innerhalb von nur drei Wochen. Hinter dem Spitzentrio belegte der Ungarn-Sieger Jenson Button Platz 4 vor Pedro de la Rosa, womit beide für ihre andere Strategieauslegung ohne Stopp in der SC-Phase belohnt wurden. Rang 6 ging an Giancarlo Fisichella, der sich nach seinem Dreher in der ersten Kurve mit einer umgestellten Einstoppstrategie bravourös nach vorne kämpfen konnte. Die letzten beiden Punkteplätze holten sich Ralf Schumacher und Rubens Barrichello. Nick Heidfeld fuhr in einem am Start verkorksten Rennen mit zwei Runden Rückstand als 15. ins Ziel, Nico Rosberg fiel mit einem technischen Defekt aus.