Vor wenigen Wochen noch um Welten hinter WM-Spitzenreiter Renault - jetzt plötzlich davor: auch wenn Kimi Räikkönen nicht ganz oben auf dem Siegerpodest stand, McLaren-Mercedes gehörte ganz sicher zu den Gewinnern von Hockenheim. Das mit Abstand beste Michelin-Team zu sein, als einziger mit den Rundenzeiten der hier offensichtlich deutlich überlegenen Bridgestone-Reifen mithalten zu können, das ist eindeutig ein Erfolg und bestätigt den von Norbert Haug und Co. Immer wieder beschworenen Aufwärtstrend, an dem die Skeptiker ja so gerne zweifelten - auch wenn die Silbernen ja zum Beispiel schon in Monaco oder Silverstone durchaus Siegchancen hatte, aber halt immer wieder Kleinigkeiten dazwischen kamen.

Unter den sechs Fahrern mit den schnellsten Rennrunden in Hockenheim waren fünf Bridgestone-Piloten - nur Kimi Räikkönen konnte als Drittschnellster in diese Phalanx einbrechen. Sicher auch ein bisschen begünstigt durch die Dreistopp-Strategie und das anfangs leichtere Auto - aber dennoch: Der Silberpfeil war auf dem Hockenheimring das einzige Auto, dass die Ferrari-Pace auch nur annähernd mitgehen konnte - und das trotz einiger Probleme wie dem verpatzten ersten Boxenstopp und einem Hydraulik-Leck, das die Gangwechsel erschwerte und immer wieder die Räder blockieren ließ. Schade nur, dass sich Pedro de la Rosa so früh wegen eines Benzinpumpendefekts verabschieden musste - der Spanier war sich sicher: "Ich hätte heute mit meiner Zwei-Stopp-Strategie ebenfalls auf's Podest fahren können." Ob Zweistopp oder Dreistopp - "im Prinzip funktioniert jede Strategie nur dann optimal, wenn man auch den entsprechenden Speed dafür hat", sagt Mercedes-Sportchef Norbert Haug.

Ein Geheimnis dafür, dass man den jetzt hat, ein Hintergrund des McLaren-Vormarsches steckt in einer besonderen Qualität dieses Autos, die die Silbernen jetzt endlich wieder besser ausspielen können: Der McLaren geht durch seine Charakteristik des Chassis und des Aufhängungskonzepts von allen Autos in der Formel 1 am schonendsten mit den Reifen um. So konnte man in Hockenheim auch mit einer weicheren Mischung fahren als die anderen Michelin-Teams, ohne übermäßige Probleme zu bekommen. Dass es diese wirklich weichen Reifen jetzt überhaupt gibt, hat McLaren der Tatsache zu verdanken, dass sich Michelin gezwungen sah, auf die Bridgestone-Fortschritte zu reagieren und weiter in den Risikobereich vorzudringen. Schon ein Kuriosum im Reifenkrieg, dass McLaren als Michelin-Kunde zumindest im internen Kampf der Michelin-Teams von der Weiterentwicklung beim Rivalen Bridgestone profitiert...

Man erinnert sich: Eines der großen Erfolgsgeheimnisse des McLaren-Mercedes 2005 war ja der schonende Umgang mit den Reifen - damals, als der Gummi eine ganze Distanz halten musste. Am Anfang dieser Saison, als sich Michelin von Bridgestone noch relativ unbedroht fühlte, waren die Reifen für den McLaren oft einfach zu hart, um sie optimal zu nutzen.

Ein zweiter Bereich, in dem man inzwischen ganz vorne ist, scheinen Motorleistung und Drehzahl zu sein. Nach den Problemen im Winter hat der Mercerdes-V8 inzwischen eine steil gestiegene Leistungskurve hinter sich - und die Zuverlässigkeit stimmt auch. In Magny Cours wurde im Qualifying erstmals die Marke von 20.000 Umdrehungen geknackt, in Hockenheim riskierte man jetzt auch im Rennen Drehzahlen von deutlich über 20.000: In der Endphase, als Kimi Räikkönen Jenson Button den dritten Platz wieder abjagte - und der Motor hielt. Keine schlechten Voraussetzungen dafür, dass es vielleicht doch noch einmal klappt mit dem Gewinnen im Jahr 2006...