Egal ob Showbusiness, Sport-Weltereignis oder Tierdokumentation - im Formel 1-Fahrerlager gibt es zu jedem nur denkbaren Thema etwas zu erfahren. So war es auch beim Saisonhalbzeitrennen in Montreal.

Die Lehre von Madonna

Es gibt Dinge, die gibt's gar nicht: Der erfolgreichste Rennfahrer der Gegenwart und siebenfache Weltmeister Michael Schumacher ist in seinem Hotel in Montreal nicht der am meisten belagerte Star. Wie fühlt man sich also als Nummer 2 im Hotel neben Madonna? "Das macht für mich keinen großen Unterschied - aber vielleicht komme ich dadurch etwas unbeobachteter rein und raus...."

Wie Michael Schumacher weilte auch Nico Rosberg vor dem Rennwochenende beim Madonna-Konzert. "Aber es hat mir überhaupt nicht gefallen - sie hat viele neue, langsame Lieder gesungen, die kein Mensch kannte und die keine Stimmung vermittelt haben", beschwerte sich der Williams-Pilot. "Außerdem waren 10% des Konzerts politische Botschaften gegen Armut und den amerikanischen Präsidenten. Man hat sterbende Kinder, Blut und Aids gesehen und das hat mir den Rest gegeben." Nichtsdestotrotz musste Nico gestehen: "Aber es war trotzdem Madonna", grinste er, "ich muss zwar aufpassen was ich sage, aber ihre Figur ist nicht so schlecht..."

Wenn Fußball lief, gab es keine freien Plätze mehr..., Foto: Sutton
Wenn Fußball lief, gab es keine freien Plätze mehr..., Foto: Sutton

Die Lehre vom Fußball

Selbst die Königsklasse des Motorsports ist zur Zeit der Weltmeisterschaft von König Fußball infiziert. Beinahe alle Meetings, Pressegespräche und sonstigen Termine wurden verschoben, verkürzt oder nur mit einem Auge bestritten. "Vielleicht bekomme ich ja einen kleinen Bildschirm in mein Lenkrad - Vodafone hat da vielleicht etwas für mich parat", scherzte Michael Schumacher am Donnerstag. Nick Heidfeld hätte sich das sicherlich auch gewünscht, als er am Samstag nach dem Qualifying das Spiel einschaltete, stand es bereits 2:0. Dabei hatte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen schon bei der Fahrzeugpräsentation Mitte Januar versprochen: "Als erstes werden wir in beide Cockpits Fernseher einbauen lassen." Die Leidtragenden des Fußball-Wahns im Fahrerlager waren die Montrealer Geschäftsleute - weil der Formel-1-Tross lieber das runde Leder auf dem eckigen Flimmerkasten beäugte, als zum Shoppen und Kreditkarten-Zücken in die Stadt zu pilgern...

Die Lehre vom Titel

Und noch einmal Fußball; Nico Rosberg ist sich sicher: Die deutsche Elf ist so gut, sie kann den Titel gewinnen. motorsport-magazin.com-Redakteur Juha Päätalo stellte Fußballliebhaber Michael Schumacher nun vor die schwierige Wahl: "Würden Sie einen Sieg hergeben, wenn Deutschland dafür Weltmeister wird?" Nach kurzem Überlegen gab der Ex-Champion eine klare Antwort: "Wenn ich danach immer noch genug Punkte habe, um den Titel zu holen, ist das okay."

Auf seine Siege braucht man nicht zu spekulieren..., Foto: Sutton
Auf seine Siege braucht man nicht zu spekulieren..., Foto: Sutton

Die Lehre von den Spekulanten

Die Silly Season ist in vollem Gange - für Nico Rosberg ist dies teils richtig "lustig" zu lesen. Manchmal hält er es jedoch nur für reinen "Unsinn", was über die möglichen Fahrerwechsel geschrieben wird. Aber wie gut macht sich Nico als einer der unsinnigen Gerüchteköche? "Kimi fährt nächstes Jahr für Renault", blickte er in seine Kristallkugel, "weil Fisi verlängert hat, sie das beste Auto haben und Michael bei Ferrari bis 2008 verlängert." Ach ja, wirklich? "Nein, das ist totaler Unsinn." Es können also nicht nur Journalisten Unsinn in die F1-Welt setzen...

Auf anderen Gebieten sind Nicos hellseherische Fähigkeiten besser: "Deutschland gegen Schweden? 2:1 in der 89. Minute für Deutschland", prophezeite er. Und wer sollte das Tor machen? "Klose mit Vorlage von Lahm von der linken Seite." Präzise Angaben, leider ebenfalls alles "Unsinn".

Genauso unsinnig wie folgende Frage eines Kollegen an Ralf Schumacher: "Glauben Sie, dass Michael im Urlaub eine Entscheidung über seine Zukunft getroffen hat?" "Wieso fragen Sie mich das? Ich war nicht dabei und habe keine Ahnung." Na dann eben noch einmal die gleiche Frage an seinen Bruder: "In Monza gibt es eine offizielle Mitteilung. Für Euch ist es zu lang, für mich ist die Zeit vielleicht zu kurz - das kann man sehen wie man will", wehrte er wie üblich ab. Die clevere Journalistenmeute trickst man aber nicht so schnell aus: "Wenn heute Monza wäre, was würden Sie dann sagen?" "Das ist eine hochinteressante Frage - in Monza gebe ich Ihnen eine Antwort darauf."

Auch Einsteigen will gelernt sein..., Foto: Sutton
Auch Einsteigen will gelernt sein..., Foto: Sutton

Die Lehre von der Wahl

Im letzten Winter hat sich Michael Schumacher auf einem Ducati-MotoGP Bike versucht. Als Fußballer macht er immer wieder den grünen Rasen unsicher. Welche Sportart würde er aber wählen, wenn er noch einmal von vorne anfangen könnte und die freie Wahl hätte? Fußball? Golf?? Schwimmen??? "Schach." Kurz und schmerzlos - und wohl auch ein bisschen geflunkert...

Die Lehre vom Platz

Bis zum Heimrennen in Silverstone setzte Super Aguri kein drittes Auto ein. Kaum ist Sakon Yamamoto zum zweiten Mal im Einsatz, musste er schon wieder draußen bleiben: Nein, nicht aus dem Cockpit, sondern aus der Box. Wegen Platzmangels standen die Freitagstester der Hinterbänkler-Teams in Montreal vor und nicht in den Boxen. Da können wir ja froh sein, dass Max nicht alle 22 Anmeldungen für 2008 zugelassen hat - sonst müssten einige wohl im olympischen Ruderbecken untergebracht werden. Nur für die beiden Red Bull Teams wäre das kein Problem, die roten Bullen haben schließlich Erfahrung darin ihre Energy Station im Hafen von Monaco schwimmen zu lassen...

Die Lehre von der Rache

Kein Mensch beachtet sie, aber sie sind im F1-Fahrerlager allgegenwärtig: Die Fernseh- und Zeitenmonitore. Sie hängen im Media Centre, sie zieren die Wände in den Hospitalities, sie befinden sich über den Autos in der Box - und sie scheinen es satt zu haben, dass sie für Millionen von TV-Zuschauern nur Requisiten sind. Kaum war Giancarlo Fisichella am Freitag nach seinem ersten Outing aus dem Cockpit geklettert, fiel ihm der Flachbildschirm sprichwörtlich auf den Kopf. Was lernen wir daraus? Erstens: Es ist gut, dass F1-Fahrer Helme tragen. Und zweitens: Vielleicht war dies die gerechte Strafe für den Rundengeiz...

Die Bremsen benötigten noch einen Feinschliff., Foto: Sutton
Die Bremsen benötigten noch einen Feinschliff., Foto: Sutton

Die Lehre vom Schleifer

Nein, Felix Magath ist nicht in den Vierradsport gewechselt. Der Schleifer von Ferrari blieb bislang namenlos - aber keinesfalls tatenlos. Während des Freien Trainings musste er die Bremsscheiben von Felipe Massas 248 F1 bearbeiten - erst leicht mit Schleifpapier, danach mit schwerem Gerät. In der Nachbarbox bei Toyota hätte selbst dieses nicht mehr geholfen: Bereits nach zwei Installation-Laps war aus Ralf Schumachers Bremsscheiben ein Teil herausgebrochen. Spätestens jetzt wissen wir, was all die Technikgurus vor dem Rennwochenende mit "Material- und Bremsenmordend" gemeint haben.

Die Lehre vom Vorstart

Früher war angeblich alles besser. Zumindest auf den so genannten "Vorstart" trifft dies zu. Was heute nur noch in verkrüppelter Form als Herumschleichen um den Kurs vorkommt, war früher ein kleines Mini-Warmup mit inkludierten Setup-Spielchen und Sektorzeitenjagden. Die chaotischen Streckenverhältnisse und die Handling-Probleme einiger Teams brachten in Montreal zumindest Teile dieser Spannung zurück. Vor allem BMW Sauber und Ferrari machten davon mit einigen zusätzlichen Runden vor dem Rennstart Gebrauch - angesichts der verbesserten Leistung im Vergleich zum Vortag, hat es anscheinend tatsächlich etwas gebracht. Früher war wohl wirklich alles besser...

Portugal 1 - Niederlande 0, Foto: Sutton
Portugal 1 - Niederlande 0, Foto: Sutton

Die Lehre von den Zweikämpfen

Sie sind Teamkollegen, aber auf der Rennstrecke und dem Fußball-Platz sind sie Gegner. Die Midland-Teamkollegen Tiago Monteiro (Portugal) und Christijan Albers (Niederlande) nahmen sich das wohl zu sehr zu Herzen, als sie in der ersten Runde des Rennens miteinander kollidierten. Für Albers war das Rennen damit schon gelaufen, gewissermaßen eine Revanche für das Abdrängen von Monaco, als Albers den Portugiesen in die Mauer drängte und dafür sogar eine Strafe erhielt. Gleich vier Strafen erhielten je zwei ihrer Landleute: Die Kicker von Portugal und den Niederlanden scheinen sich vor ihrer Achtelfinalpartie bei der Fußball-WM das Rennen angesehen zu haben, denn in Nürnberg flogen gleich vier Spieler mit einer gelb-roten Karte vom Platz! Wie in Montreal gewann am Ende Portugal: Die Fußballer siegten mit 1:0, Monteiro kam immerhin als 14. ins Ziel. Da soll noch einmal jemand sagen, es gäbe keine Parallelen zwischen Fußball und der Formel 1.

Die Lehre vom Action-Man

Sollte Juan Pablo Montoya tatsächlich kein Cockpit für die nächste Saison finden, könnte er nach dem Kanada GP spielend einen Job in Hollywood erhalten: Zweikämpfe, Unfälle, Kollisionen, Überholmanöver - JPM hatte das volle Action-Repertoire zu bieten, da würde selbst Arnold Schwarzenegger vor Neid erblassen. Nur die Länge seines Bewerbungsvideos ist mit gerade einmal 13 Runden bis zum spektakulären Abschluss-Stunt etwas mau.

Die Lehre von den Murmeltieren

In Kurve 7 des Circuit Gilles Villeneuve sind sie zuhause - die heimlichen Herren der Ile de Notre Dame; die murmelnden Denker und Lenker Montreals. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich Ralf Schumacher auf den 58 Runden bis zu seinem Ausfall wie in einem der größten Kinoerfolge der Einheimischen vorkam: Und ründlich grüßt der Gripmangel. Rückwärts, vorwärts, seitwärts: Ralf schien in alle Richtungen zu fahren, nur nicht in jene, in der seine Kollegen an ihm vorbeizischten. Da war es fast ein Wunder, dass der Rückwärtsgang des TF106B nicht wegen Überbeanspruchung den Geist aufgab. Denn letztlich überbot nur die Anzahl seiner Boxenaufenthalte die Anzahl seiner Dreher.

Die Verbeugung vor dem Arbeitsgerät., Foto: Sutton
Die Verbeugung vor dem Arbeitsgerät., Foto: Sutton

Die Lehre vom sicheren Sieger

Flavio Briatore lässt keine Gelegenheit aus - schon gleich gar nicht, wenn er seinem Lieblingsfreund Ron Dennis oder der roten Konkurrenz aus Maranello eins auswischen kann. So betont der Italiener immer nur allzu gerne, dass von der Pole über den Sieg bis zur schnellsten Runde "alles ganz easy" gewesen sei und man noch nicht einmal "bis ans Limit" habe gehen müssen. In Montreal ging er nun noch einen ganzen Schritt weiter und vergnügte sich bereits während des Rennens an den Fernsehbildern auf den Monitoren am Renault-Kommandostand. Dort hatte Flavio jede Menge Spaß damit diverse Gesten und Handzeichen in Richtung des Bildschirm-Ron zu machen...

Die Lehre von der Halbzeit

In Zeiten der Fußball-WM schafft es jeder Fahrer eine Anspielung auf das runde Leder zu machen - die erste Halbzeit sei nun vorbei, aber es gebe ja noch eine zweite Hälfte - und in dieser werde man bis zum Schlusspfiff alles geben.

Für die Gegner von Fernando Alonso galt dies in Montreal nur bedingt - zwar erfuhr Kimi Räikkönen wieder einmal am eigenen Chassis, dass ein Rennen nicht nach 90 Minuten, sondern erst mit dem Fallen der Zielflagge beendet ist, aber ansonsten unternahmen die Alonso-Rivalen so ziemlich alles menschenmögliche, um dem Spanier den Sieg so leicht wie nur irgend möglich zu gestalten. Zwei verpatzte Boxenstopps und ein Fehler von Kimi sowie die klägliche Performance der selbst ernannten Sieganwärter von Ferrari sprechen eine deutliche Sprache; eine Sprache die vor zwei Jahren übrigens noch zugunsten der Scuderia gesprochen wurde. Mit dem WM-Titel scheint aber auch deren Glück, Zuverlässigkeit und Dominanz an Alonso übergegangen zu sein...