Es war jener Freitag Mitte Januar, als in der Gegend um Barcelona über Nacht der Winter zurückgekehrt war und die Testfahrten auf dem spanischen Catalunya-Circuit wegen Schneefällen ein jähes Ende fanden. Während draußen die Rennställe in gewohnter Eile ihre mehr als sieben Sachen packten, lud Toyota zum Tischgespräch mit Pascal Vasselon - das ist jener Franzose, der zuvor bei Michelin gearbeitet hat, um sich in diesem Jahr bei Toyota um das Zusammenspiel zwischen Chassis und Bridgestone-Reifen zu kümmern. Vasselon wechselte also von der Reifen- auf die Chassis-Seite - könnte man meinen...

Doch im Gespräch mit Motorline holte der offenherzige Vasselon zunächst weit aus, um Prinzipielles zu erklären. "Wenn du mit Reifen arbeitest, dann arbeitest du dabei immer auch am Chassis. Du kannst nicht gesondert an den Reifen und am Chassis arbeiten. Wenn du den Reifen verstehen willst, musst du auch daran arbeiten, das Chassis zu verstehen - und vor allem musst du das Zusammenspiel dieser beiden Elemente verstehen lernen", sagte Vasselon.

Und: "Daher war es für mich überhaupt nicht schwierig, von der einen Seite, der Arbeit an den Reifen, zu der anderen Seite, der Arbeit am Chassis, hinüber zu wechseln. Denn am Ende hast du die gleichen Elemente im Spiel - und es geht darum, dass wir das Zusammenspiel von Chassis und Reifen verstehen. Ich muss mich jedoch korrigieren - wenn ich ehrlich bin, muss ich sagen: Wir versuchen, dieses Zusammenwirken zu verstehen. Denn das ist ein sehr komplexes Spiel."

Schon damals sprach Vasselon darüber, dass man - in Hinblick auf die Entwicklung des Nachfolgemodells TF106B, welches in Monaco debütieren soll - zunächst noch "das Zusammenspiel zwischen dem TF106 und den Bridgestone-Reifen optimieren" wolle und dass es "bei gewissen Komponenten wie den Aufhängungen" noch einige Fragen geben würde, die man "mit Bridgestone abklären" müsse.

Diese Fragen dürften auch heute noch, zwei Monate später, im Raum stehen. Bekanntlich hatte Toyota bei den ersten beiden Saisonrennen Probleme damit, die Bridgestone-Gummis auf die nötige Temperatur zu bekommen. Dieses Problem wird umso größer, je niedriger die Luft- respektive Asphalttemperaturen sind. Daher war das Problem in Sepang weniger auffällig als eine Woche zuvor in Bahrain. Auch in Melbourne wird alles andere als ein Hitzerennen erwartet - die Prognosen sprechen von durchschnittlichen 20 Grad Celsius Lufttemperatur.

Voreilige Jubelmeldung

Im Anschluss an den GP von Malaysia hat Toyota auf der Hausteststrecke im französischen Le Castellet gemeinsam mit der Konkurrenz getestet. Testfahrer Ricardo Zonta berichtete erfreut, man habe nun endlich eine Reifenmischung gefunden, mit der das Problem aus der Welt geschafft sei. Doch nicht nur die auf der Paul Ricard-Strecke gefahrenen Rundenzeiten sprachen eine andere Sprache. Denn in Anbetracht der Reifenkrise nahmen auch die beiden Stammpiloten Jarno Trulli und Ralf Schumacher an den Tests teil - und deren Urteil klang alles andere als viel versprechend.

Krisengipfel: Trulli, Gascoyne und Vasselon., Foto: Toyota
Krisengipfel: Trulli, Gascoyne und Vasselon., Foto: Toyota

Ralf Schumacher wird von Auto, Motor und Sport mit den Worten zitiert: "Wenn wir den richtigen Dreh finden, kann es ganz schnell gehen. Wenn das Problem in der Konstruktion des Autos liegt, kann es sehr lange dauern." Genau das befürchtet Jarno Trulli: "Das Problem wird uns das ganze Jahr verfolgen." Trulli hatte bereits mit dem Vorgänger des TF106, dem TF105B, seine Probleme - und auch die hatten mit den Reifen zu tun, der Italiener klagte, er würde über die Vorderpneus zu wenig "Response" erhalten, auch damals lag es nicht nur an den Reifen, sondern auch an den Aufhängungen. Pascal Vasselon erklärte dazu: "Die größte Änderung am TF106 betrifft ja das hintere Ende des Wagens, der vordere Teil beziehungsweise die Vorderradaufhängung entspricht zu einem großen Teil jener des TF105B." Die Entwicklungsarbeit bei den in Köln stationierten Japanern ist bekanntlich eine fließende - der TF105B war noch mit Michelin-Pneus unterwegs.

Vermutungen

Vielleicht ist diese fließende Entwicklung - Toyota nennt es "Keizen" - im Hinblick auf den Wechsel des Reifenpartners gar nicht so optimal? Vielleicht hat man den Wechsel unterschätzt? Wahrscheinlich fehlt Toyota auch das dritte Fahrzeug an den GP-Freitagen, welches man im Vorjahr noch einsetzen durfte - zumindest wäre dieses jetzt besonders hilfreich. Freilich sind das nur weitere Fragen und Vermutungen - wie auch jene Expertenstimmen, wonach die Hausstrecke in Le Castellet einen derart speziellen Belag vorweise, sodass die dort gewonnenen Daten auf anderen Strecken wenig brauchbar sein sollen.

Abgesehen von der wahrscheinlich verfrühten Jubelmeldung des Ricardo Zonta klingen die Toyota-Stimmen eher düster. In seinem Fazit nach den jüngsten Testfahrten erklärte Testteammanager Gerd Pfeiffer: "Die nächsten Rennen werden eine große Herausforderung für uns darstellen und wir wissen, dass wir noch viel Arbeit zu erledigen haben - wir sind jedoch zuversichtlich, dass wir in die richtige Richtung gehen."

Melbourne als verlängerter Test?

Technikchef Mike Gascoyne sagt: "Unser Auto geht sehr schonend mit den Reifen um, weshalb wir im Vergleich zu unseren Bridgestone-Partnerteams eher die weicheren Mischungen benötigen." Man müsse in diese Richtung hin "puschen", dann könne man "weiter vorwärts kommen". Das Reifenrätsel lähmt offensichtlich die weitere Entwicklung des TF106. Pascal Vasselon schätzt, dass man noch "ein, zwei Rennen" benötigen wird, um dem Problem auf die Schliche zu kommen.

Für Jarno Trulli ist daher jetzt schon klar, dass man das Melbourne-Wochenende dafür nützen werde, um "mehr darüber zu erfahren, welche Veränderungen wir vornehmen müssen, um das Zusammenspiel zwischen Chassis und Reifen optimieren zu können".

Nach dem Australien-Grand Prix, der also, so ist zu befürchten, eher eine Art verlängerte Testfahrt für die Toyota-Piloten werden dürfte, folgen die drei Europa-Rennen in Imola, auf dem Nürburgring und in Spanien - alle drei dürften keine Hitzerennen werden. Danach steht bereits jener GP von Monaco auf dem Programm, bei dem man den neuen TF106B zum Einsatz bringen möchte. Die Zeit drängt...