Streiks - nicht unbedingt etwas, das mit Formel-1-Fahrern in Zusammenhang gebracht wird. Doch ist ein anständiger Streik für unzufriedene Piloten das beste Druckmittel. Wir sprechen nicht umsonst hier stets von den besten Rennfahrern der Welt. Einer der allerbesten ließ es einmal drauf ankommen. 1982 sorgte Niki Lauda beinahe für lebenslange Sperren und einen abgesagten Grand Prix. Um sich und seine Berufskollegen zu schützen.

Die Nacht vom 21. auf den 22. Januar war für die Formel 1 1982 eine dramatische. Und es war wirklich vor allem Laudas Schuld. Der damals noch zweifache Weltmeister hatte sich nach einem kurzen zweijährigen Flirt mit dem Ruhestand eigentlich gerade erst entschlossen, ein Comeback zu geben. Doch als er vor dem damals noch sehr frühen Saisonstart in Südafrika die letzten Dokumente unterzeichnen wollte, kam der Schreck.

Der Automobil-Weltverband FIA hatte in der Winterpause die damals neu eingeführte Superlizenz an alle Fahrer zur Unterschrift gesendet. In ihr wurden die Rahmenbedingungen abgesteckt, die man erfüllen musste, um Formel 1 fahren zu dürfen.

Lauda, der sich im Zwischenruhestand auf seinen Zweitjob als Fluglinien-Manager konzentriert hatte, las genau. Teil der Superlizenz war eine neue Exklusivitäts-Klausel. Jeder Fahrer musste jetzt festschreiben, wie lange er für welches Team fahren würde. Vom Fahrer angestoßene Wechsel wären damit Geschichte.

Lauda sah klare Folgen vor sich: Ein Transfer-System wie im Fußball, die ganze Macht bei den Teams, und nichts mehr bei den Fahrern. "Wenn wir das unterschreiben, wären wir alle Idioten, die komplett von der Gnade ihrer Teamchefs abhängig sind", zitiert ihn F1-Journalist Maurice Hamilton in seiner Lauda-Biografie.

Lauda eint die Formel-1-Fahrer im Streik

Kurz vor dem Saisonstart überzeugte Lauda den Präsidenten der Fahrergewerkschaft Didier Pironi von der Gefahr. Letzte Verhandlungen zwischen Test und Rennen scheiterten. Statt im Auto saßen die Fahrer daraufhin am Donnerstag, eigentlich dem ersten Trainingstag zum Südafrika-GP, in einem von Lauda organisierten Bus. Lauda und Pironi hatten sie eingesammelt, dann ergriffen sie mit einem Konvoi an Reporterfahrzeugen die Flucht in Richtung Johannesburg.

Fotografen umringen den Bus voller streikender F1-Fahrer beim Südafrika-GP
Journalisten umringen den Fluchtbus in Johannesburg, Foto: LAT Images

Der Streik hatte begonnen. Man sperrte sich unter der Führung von Lauda im Konferenzraum des Sunnyside Park Hotels ein. Pironi übernahm die Verhandlungen, die Südafrikaner stellten ihm sogar einen Militär-Helikopter zurück zur Strecke, wo er mit der FIA-Sportabteilung und den Team-Vertretern (FOCA) zusammentraf. Ihre Hoffnung, das Rennen zu retten, schwanden im Laufe des Trainingstages immer mehr.

Weder von FOCA noch von FIA gab es Verständnis. Nicht zuletzt, weil die meisten Fahrer ihre Superlizenz bereits unterschrieben hatten, bevor Lauda sie weggekarrt hatte. "Ich hätte erwartet, dass sie den Vertrag erfüllen, für den sie bezahlt werden", gab sich Teamchef Frank Williams gegenüber der ARD patzig. Max Mosley, FOCA-Mann und Jahre später FIA-Präsident, ebenso: "Niki ist ein Geschäftsmann, hat eine Fluglinie geleitet. Jetzt kommt er mit großer Erfahrung hier. Aber meines Erachtens brauchen wir nicht darüber diskutieren."

Ein Schild vor der Garage des ATS-Teams kündigt eine streikbedingte Fahrersuche an
Das ATS-Team mit Humor: Formel-1-Fahrer gesucht - drinnen nachfragen, Foto: LAT Images

Bei verhärteten Fronten übermittelten die FIA-Stewards am Abend ein scharfes Urteil: Die Streikenden würden mit sofortiger Wirkung ihre Rennlizenzen verlieren und gesperrt werden. Das Rennen sollte acht Tage später mit anderen Fahrern stattfinden. Lauda und Co. ignorierten im Hotel diese Drohgebärden. Einfach so konnten die Teams 31 F1-Fahrer wohl kaum ersetzen.

Alle Fahrer schlafen im gleichen Zimmer: Streik nicht zu brechen

Um einen Streikbruch zu verhindern, wurden Matratzen herangeschafft, man verbarrikadierte sich über Nacht in einem einzigen Raum, wollte nicht das Risiko eingehen, dass sich jüngere Fahrer, die deutlich mehr zu verlieren hatten, abseilten. Eine Nacht der Legenden, wie 'Motor Sport Magazine' in einer Retrospektive Jahre später aufrollte.

Niki Lauda und Ricardo Patrese im Streik-Nachtquartier der Fahrer in Südafrika
Lauda und Ricardo Patrese im Streik-Nachtquartier, Foto: LAT Images / Ercole Colombo

Der zweifache Sieger Elio de Angelis als Unterhalter am Klavier. Bis man dieses Klavier brauchte, um die Tür zu verbarrikadieren und das Eindringen von Teamchefs zu verhindern. Nur einer flüchtete am Ende bei einer Toilettenpause: Rookie Teo Fabi, für den Südafrika das erste F1-Rennen sein sollte. "Wie ein Huhn", beschrieb der spätere Weltmeister Keke Rosberg, "und er hat den Respekt von uns allen verloren, nicht weil er ging, sondern weil er uns alle verraten hat." Fabi soll die letzten Verhandlungspunkte weitergegeben haben.

Am Morgen des 22. Januar nahm Pironi wieder die Verhandlungen auf. Erst am späten Vormittag kam die Erlösung in Form eines Telefonanrufs bei Lauda - ein Waffenstillstand war ausgerufen worden. Der Streik war beendet, das Rennen fand statt. In den Wochen danach arrangierte man sich hinter den Kulissen. Die Piloten entgingen Sperren, es blieb bei 5.000-Dollar-Geldstrafen. Eine Formel 1 ohne Fahrer geht eben doch nicht.

Die Superlizenz als "Formel-1-Führerschein" ist heute übrigens längst etabliert. Nicht, dass sie über die Jahre nicht weitere Streitereien hervorgerufen hätte. Etwa um die Tatsache, dass ihr Preis nun von den im Vorjahr eingefahrenen Punkten abhängig wird. Wie viel Max Verstappen und Co. für das neue Jahr zahlen mussten, haben wir hier zusammengefasst: