Der Trainingsfreitag der Formel 1 in Las Vegas wurde von den Schäden an der Betonverkleidung eines Wasserventildeckels überschattet. Denn daraus resultierten Beschädigungen an den Boliden von Carlos Sainz und Esteban Ocon, ein Abbruch des ersten Trainings nach gerade einmal acht Minuten und eine stundenlange Verschiebung von FP2.

Doch nach dieser langen Misere ging es endlich los und Las Vegas konnte tief in der Nacht doch noch für sportliche Schlagzeilen sorgen. Die größte davon betraf wohl Ferrari. Die Scuderia bestimmte auf eine Runde das Geschehen und sicherte sich die ersten beiden Positionen, während Max Verstappen nur P6 belegte. Leclerc hatte eine halbe Sekunde Vorsprung auf den Rest des Feldes, Carlos Sainz ist durch eine Motor-Strafe sowieso gebremst. Befindet sich Charles Leclerc also auch für das weitere Wochenende in der Favoritenrolle?

Ferrari: Charles Leclerc dominiert langsame Kurven

Zunächst einmal muss man den Vorsprung von Leclerc etwas aufschlüsseln. Der Monegasse konnte in der zweiten DRS-Zone einen guten Windschatten abstauben. Dieser relativiert sich an anderer Stelle, da er in den Kurven 14 bis 16 wiederum Verkehr hatte. Unterm Strich machte er aber beinahe seinen gesamten Zeit-Vorsprung in der langsamen Kurven-Kombination zwischen Turn 7 und 9 gut - auch gegen seinen Teamkollegen.

Die Streckenentwicklung kann ebenfalls nicht als Erklärung für die deutliche Bestzeit des Ferrari-Piloten herhalten. Er fuhr seine Runde einige Minuten bevor Sainz dies tat. Verstappen war zwar acht Minuten früher als Leclerc dran, aber mehr als neun Zehntelsekunden Zeitunterschied erklärt das kaum.

Max Verstappen im Renntrimm zu schnell?

"Wir sehen im Moment sehr stark aus. Ich denke im Qualifying werden wir immer bei der Musik dabei sein", schätzte Leclerc seine Ausgangslage ein. Über die Renndauer ist es jedoch ein anderes Kapitel, dort hat er den Weltmeister wieder auf dem Zettel - mehr als das sogar. "In der Rennpace sind sie noch immer zu schnell. Max ist eine sehr starke Rennsimulation gefahren", so Leclerc.

Die Longrun-Zeiten von Verstappen geben Leclerc recht. Auf dem von den meisten Piloten in der Renn-Simulation verwendeten Medium-Reifen konnte am Freitag niemand seine Pace mitgehen. Trotz deutlich älterer Reifen waren Verstappens Longrun-Zeiten um über eine halbe Sekunde schneller als jene der Truppe aus Maranello. Was Ferrari Hoffnung gibt: Gegen Ende des Runs performten ihre Pneus immer noch, die Pace legte sogar zu.

Verstappen ist jedenfalls von seiner Rennpace nicht überzeugt. Die Soft-Reifen funktionierten am Red Bull schlecht, doch die Mediums seien laut Verstappen ebenfalls tückisch. "Wir müssen uns noch ein paar Sachen anschauen, um zu sehen, wie wir unseren Reifenverschleiß verbessern können", forderte er.

Was allerdings auffällt: Sergio Perez fällt im direkten Vergleich dazu stark ab. Der Mexikaner warnte dementsprechend auch vor Ferrari. "Sie sehen sehr stark aus. Nicht nur anhand der Pace, auch die Aufnahmen der Onboards. Ich denke sie werden am Sonntag voll dabei sein." Wie vergleichbar die Longrun-Daten allerdings untereinander sind, lässt sich schwer abschätzen. Die Programme der Teams unterschieden sich teils drastisch und die Streckenentwicklung ist auf dem Straßenkurs am Strip auch ein gehöriger Faktor.

Wo stehen Mercedes und McLaren?

Es scheint auf den ersten Blick mindestens am Samstag auf ein Duell zwischen Ferrari und Red Bull hinauszulaufen. Je nachdem, wem man glauben schenkt, vielleicht sogar am Sonntag. Ein dickes Fragezeichen steht allerdings hinter Mercedes. Ihr Auftritt in der Qualifying-Simulation war nicht wirklich repräsentativ. Hamilton und Russell verfeuerten nur einen Soft-Satz - alle anderen zwei - und sparten sich damit eine zweite Quali-Simulation.

Außerdem legte die Brackley-Truppe bei Hamilton auch die Longruns anders an und schickte ihn auf den harten Reifen raus. Bei Russell sehen die Medium-Longruns-Daten zwar nicht spektakulär aus, an Optimismus sparen die Silberpfeile dennoch nicht. Hamilton schlussfolgerte: "Wenn wir alle auf ähnlichen Reifen draußen sind, dann fehlt uns nicht viel."

Gar keine Rolle scheint hingegen McLaren zu spielen. Die zuletzt zweitschnellste Mannschaft hat ihre Highspeed-Achillesferse noch immer nicht ausmerzen können. Wie schon in Monza oder in Spa scheinen sie auch auf dem Topspeed-Kurs in Nevada wieder nur ein Mittelfeld-Team zu sein. "Verglichen mit den letzten Wochenenden sind wir weit hinten, aber das war wahrscheinlich zu erwarten", sagte Lando Norris.