Ferrari verlässt die Trainingsnacht in Las Vegas mit einem lachenden und mit einem weinenden Auge. Einerseits sicherte sich die Scuderia im FP2 in dominanter Art und Weise die Doppelspitze, andererseits sorgte der komplett unverschuldete Kapitalschaden am SF-23 von Carlos Sainz aus dem FP1 für einen herben Stimmungsdämpfer. Der Ferrari-Pilot war nach dem Training vollkommen von der Rolle.

Sainz fassungslos: Werde an diesem Wochenende nicht mehr glücklich

Denn die Möglichkeiten in der Formel-1-Saison 2023 Red Bull zu schlagen sind mehr als rar gesät. Lediglich ein Mal stand in dieser Saison kein RB-Pilot ganz oben auf dem Podest - beim Großen Preis von Singapur. Dort hieß der Sieger Carlos Sainz. In Las Vegas scheint der SF-23 das zweite Mal in dieser Saison einen Sieg im Tank zu haben, doch nach dem Gulli-Debakel aus dem 1. Freien Training geht der Spanier mit einem Handicap in das Rennen.

Ferrari musste bei seinem komplett havarierten Boliden unter anderem eine neue Batterie einbauen und damit das Limit von maximal zwei erlaubten Batterieeinheiten in einer Saison überschreiten. Auch ein Protest half nicht gegen das Unausweichliche: Sainz wird das Rennen mit einer Strafe von zehn Startplätzen bestreiten müssen. Der Ferrari-Pilot zeigte sich nach dem Training wie aufgelöst.

"Das Chassis, der Motor, die Batterie, sogar mein Sitz waren beschädigt", erklärte Sainz. "Als das FP2 vorbei war, hat mir das Team mitgeteilt, dass ich eine 10-Plätze-Strafe für das Rennen bekommen habe. Und das für etwas, für das weder ich noch das Team etwas können. Das hat meine Einstellung zu diesem Wochenende komplett verändert. Man kann sehen wie enttäuscht und fassungslos ich bin. Man wird mich an diesem Wochenende nicht mehr glücklich sehen", sprach der Spanier.

Selbst über seine Chancen im Rennen war er nicht in der Lage zu sprechen. "Es wird Möglichkeiten geben, aber ich bin derzeit zu enttäuscht, um darüber zu reden. Was mir heute passiert ist, ist ein gutes Beispiel, was in dem Sport noch alles verbessert werden kann."

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc
Am Ende konnte Ferrari doch noch fahren, Foto: LAT Images

Analyse: Ferrari im Low-Speed eine Macht - Gefahr für Red Bull?

Die zweifelsfrei bittere Strafe für Sainz war ein kleiner Wehrmutstropfen in einem sonst fabelhaften Training für die Scuderia. Ferrari reiste bereits mit vorsichtigem Optimismus in die schillernde Glückspielstadt. Die Streckencharakteristik des frisch erbauten Las Vegas Strip Circuit mit seinen langen Geraden und der geringen Anzahl an Highspeed-Kurven sollte dem SF-23 in der Theorie entgegenkommen. Die Theorie wurde nun auch in der Praxis bestätigt - zumindest auf eine Runde.

"Bisher sieht es gut aus. Mir gefällt die Strecke, es macht immer Spaß auf Stadtkursen zu fahren. Wir schauen auf eine Runde recht stark aus, aber es ist schwierig zu sagen, wo wir mit der Rennpace stehen", gab Charles Leclerc zu. "Im Rennen ist Red Bull denke ich noch immer stärker, Max ist eine sehr gute Rennsimulation gefahren."

"Das Auto hat sich gut angefühlt. Man kann sehen, dass wir an diesem Wochenende ziemlich gut dabei sind. Das Streckenlayout liegt uns im Vergleich zu den letzten Rennen deutlich besser", gestand auch Carlos Sainz ein, der mit einer halben Sekunde Abstand die Doppelspitze für Ferrari perfekt machte.

Ein Blick auf die Qualifikationssimulationen zeigt, dass Ferrari Ferrari - und speziell Leclerc - ihren Vorsprung vor allem in den Kurven 7 bis 9 und in Kurve 12 herausholt, also den wenigen langsamen Passagen auf der Highspeed-Strecke. Vor allem in Kurve 7 kann sich Leclerc deutlich vom Rest des Feldes absetzen. Auf den Geraden hingegen überrascht Fernando Alonso mit einer starken Pace. Das Aston-Martin-Paket mit wenig Abtrieb scheint gut zu funktionieren, doch den Ferrari-Vorsprung aus den Kurven konnte der Spanier damit nicht wettmachen.

Für einen Sieg im Rennen stehen die Vorzeichen allerdings nicht mehr ganz so rosig. Der Longrun von Max Verstappen steckte den der Ferrari locker in die Tasche. Selbst auf deutlich älteren Reifen konnte der Weltmeister seine Rundenzeiten gegen Ende sogar noch steigern. Der RB19 hat seinen alles überragenden Vorteil, den Reifenverschleiß, auch mit nach Las Vegas gebracht.