Gespannt blickt die Formel 1 auf das lang verzögerte Comeback des Shanghai International Circuit. Vor allem, weil in China rund um die Form von Red Bull Fragezeichen aufgeworfen wurden. Es geht um eine Charakteristik der Strecke, welche in gewisser Weise an Australien erinnert. In Melbourne war Max Verstappen zwar ausgefallen - doch schon davor war Ferrari dort im Renntrimm extrem nahe dran gewesen.

In Australien ging es bei diesem Thema um das Graining-Phänomen. Das ist das unebene Verformen der Reifenoberfläche unter Last, ein Körnungseffekt. Besonders wenn dieses Phänomen auf der Vorderachse auftritt, war Ferrari in der jüngeren Vergangenheit stark, und Red Bull im Gegenzug anfällig. Das galt für Australien, das galt genauso etwa für Las Vegas.

Shanghai hat die richtigen Bedingungen für Graining auf der Vorderachse. Dem ist sich auch Red Bull bewusst. Sergio Perez etwa: "Basierend auf der Vergangenheit ist das eine Strecke, wo die Front der limitierende Faktor ist. Da haben wir potenziell mehr Probleme." Red Bulls größte Stärke liegt auf Kursen, wo der Reifenabbau hoch ist, vor allem auf der Hinterachse.

Australien überbewertet: Max Verstappen verneint Schwäche

Verbrieft ist, dass der Ferrari SF-24 eine die Vorderachse beanspruchende Strecke bevorzugt. Das bedeutet aber nicht, dass so eine Strecke automatisch eine Schwäche des Red Bull RB20 sein muss. Genauso wenig wie man hier Australien ins Feld führen kann. Bei Red Bull ist man sehr schnell, um diese Theorie abzustellen. "In Australien war denke ich der Freitag nicht ideal, aber wir haben ein paar Dinge am Auto geändert und damit habe ich mich besser gefühlt", erinnert Max Verstappen.

Das konnte er nur im Rennen nicht mehr zeigen, weil er vom Start weg mit einem Bremsdefekt unterwegs war und nach nur vier Runden aufgeben musste. Außerdem sind die Strecken nicht einfach vergleichbar, weil sie beide die Vorderachse beanspruchen. "Australien hatte mehr schnellere Kurven, hier gibt es einiges Langsames", verweist Verstappen auf die zwei engen Schneckenkurven und die zwei Haarnadeln, welche Schlüsselpunkte in Shanghai sind.

Ein universelles, klar ersichtliches Graining-Phänomen gebe es nicht. Das war auch die Ansicht von Red Bulls Chefingenieur Paul Monaghan am Rande des letzten Rennwochenendes. In Australien, erinnerte er, waren auch am Ferrari von Charles Leclerc die Vorderreifen in die Knie gegangen: "Man kann nicht einfach sagen, die einen würden es vermeiden und die anderen nicht. Wenn du das erste Graining eindämmst, kannst du die Vorderreifen potenziell etwas länger halten."

Was dann einfacher zu machen ist, wenn man etwa in freier Fahrt an der Spitze mit einem generellen Pace-Vorteil die Kontrolle hat. "Wenn Graining-Gefahr herrscht, wird es einige erwischen - das ist kein Indikator, dass du es überall haben wirst", so Monaghan. "Du kannst es mit Setup, mit Reifendrücken, mit vielen Dingen beeinflussen."

Was löst der neue Shanghai-Asphalt wirklich aus?

"Wir haben viel aus Melbourne gelernt und verstehen einige der Dinge, die wir dort getan haben", ist auch Sergio Perez dementsprechend optimistisch. Sowieso gilt es für die Formel 1 in China erst einmal herauszufinden, was überhaupt Sache ist. Mit den neuen Autos und neuen Reifen ist man hier in Shanghai noch nie gefahren. Obendrauf wurde am Asphalt herumgewerkt, mehr dazu gibt es hier:

"Für uns ist Graining ehrlich gesagt sehr asphaltabhängig. Wenn du das aus der Gleichung nimmst, dann sind diese langen Kurven etwas, das die Reifen extrem stresst", sorgt Ferrari-Pilot Carlos Sainz für weitere wichtige Details und mahnt daher zur Setup-Vorsicht: "Es gab Jahre, in denen war in China die Vorderachse der limitierende Faktor, und Jahre wo die Hinterachse der limitierende Faktor war."

Auch Pirelli ist in China vorsichtig. Mit 26,0 psi ist der Mindest-Reifendruck für die Vorderreifen sehr hoch. Sollte das für klassischen Reifenabbau statt Graining sorgen, wäre das besser für Red Bull. Wenn es ums Setup geht, ist dann wiederum zu bedenken, dass China das erste Sprint-Wochenende 2024 ist. Auf dem Papier gibt es daher nur ein Training für Setupfindung, eine zusätzliche Herausforderung. Sorgen die Umstände tatsächlich für einen Ferrari-Vorteil, könnte das Leben der Scuderia hier deutlich einfacher sein, was wirklich Gefahr für Red Bull bedeuten könnte.

Allerdings gibt es unter anderem für den Sprint ein neues Parc-ferme-Format. Was es damit auf sich hat, wird hier im Video erklärt:

Neue F1 Sprint-Regeln erklärt: Wie funktioniert das Format? (16:00 Min.)