Max Verstappen startet in Mexiko im zweiten Rennen in Folge nicht von seiner eigentlich reservierten Pole Position. In einem völlig überraschenden Qualifying-Erfolg konnte sich Ferrari die erste Startreihe sichern. Damit überraschte die Scuderia sowohl die Konkurrenz als auch sich selbst.

McLaren und Mercedes, die zuletzt in Austin Verstappen noch dicht auf den Fersen waren, werden das Rennen hingegen von ungewohnt weit hinten starten. Kann Ferrari das Qualifying-Ergebnis in einen Erfolg im Rennen umwandeln? Was kann Sergio Perez bei seinem Heimrennen anrichten und was ist eigentlich mit der zuletzt so starken Konkurrenz? Der Favoritencheck für den Großen Preis von Mexiko.

Red Bull unbesorgt: Verstappen im Rennen weiterhin eine Macht

Es ist ein Bild, das in der aktuellen, aber auch in der vergangenen Saison viele Formel-1-Rennen prägte. Ein Ferrari auf Pole, doch am Ende gewinnt Verstappen. Vieles spricht dafür, dass es auch in Mexiko nicht anders sein wird. Die Gründe fangen bereits am Start an.

Denn mit 811 Metern ist die Distanz von der Ziellinie bis zu Kurve 1 auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez die längste im gesamten Formel-1-Kalender. Das bietet selbst den Piloten aus den hinteren Reihen eine realistische Chance, bereits vor Kurve 1 die Führung übernehmen zu können. Zuletzt gesehen beim Mexiko GP vor zwei Jahren, ausgerechnet durch Max Verstappen. Der spätere Weltmeister ging damals ebenfalls von Platz 3 in den Grand Prix, bremste nach einem guten Start beide Mercedes-Piloten über die Außenseite spät aus und gewann das Rennen souverän.

2021 ging Verstappen in Kurve 1 in Führung, Foto: LAT Images
2021 ging Verstappen in Kurve 1 in Führung, Foto: LAT Images

Vor einem ähnlichen Szenario in diesem Jahr fürchtet sich Carlos Sainz bereits. "Ich starte auf der schmutzigen Seite, die hier nochmal einen größeren Unterschied ausmacht. Ich erwarte fast schon, dass mich Max am Start besiegen wird und dass ich auf Platz 3 sein werde. Max wird versuchen sich den Windschatten zu holen und gleich zu attackieren."

Selbst wenn Sainz' Befürchtung nicht eintreffen sollte, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sich Verstappen wieder an die Spitze setzen kann. "Es wäre das erste Mal, dass Ferrari auf die Renndistanz mithalten könnte", sagte ein weiter seelenruhiger Dr. Helmut Marko nach dem Qualifying. Der gebürtige Grazer weiß: Red Bull ist im Renntrimm weiterhin das Maß aller Dinge.

Im Training konnten lediglich Lando Norris und Lewis Hamilton Zeiten fahren, die halbwegs auf Augenhöhe mit Verstappen waren. Auch Alex Albon konnte auf den harten Reifen mit guter Pace aufhorchen lassen. Doch all diese Fahrer werden das Rennen von deutlich weiter hinten, genauer gesagt von Platz 6, 14 und 18, starten. Abgesehen von Ferrari ist von den anderen Teams ist also wenig Gegenwehr zu erwarten. Aber was ist eigentlich mit dem anderen Red-Bull-Piloten, Sergio Perez?

Mexiko GP: Was kann Sergio Perez beim Heimrennen?

Der tat sich im Qualifying für seinen Heim GP zwar gewohnt schwer, aber mit Startplatz 5 war zumindest wieder ein kleiner Aufwärtstrend erkennbar. "Er ist das ganze Wochenende stark gewesen. Zwei Zehntel auf Max sind eine tolle Leistung", lobte Marko bei Sky Deutschland sein gebranntes Kind. Das Problem: Daniel Ricciardo, der im Auto von Red-Bull-Schwesterteam AlphaTauri sitzt, war noch schneller - genauer gesagt 41 Tausendstel.

"Ich fühle mich gut im Auto, aber diese Strecke ist wirklich schwierig. Jeder Reifen performt anders", sprach Perez nach dem Qualifying. Aufgegeben hat der Mexikaner einen von den leidenschaftlichen Fans so sehr gewünschten Sieg beim Heimrennen noch nicht. "Es wird schwierig, aber wir haben ein langes Rennen vor uns", so Perez. Nachsatz: "Ich muss vier Autos überholen, und in diesem Sport ist alles möglich." Zumindest in der Theorie gibt sein RB19 einen Sieg her.

Nächstes Ferrari-Wunder? Rennpace macht Sorgen

Allzu große Chancen auf den Rennsieg wird sich auch Ferrari nicht ausrechnen dürfen. Die Longrun-Daten aus den Trainings zeichnen ein düsteres, für Ferrari allerdings sehr bekanntes Bild. Dort liegt Ferrari im Durchschnitt fast eine Sekunde hinter Max Verstappen und findet selbst unerwartete Konkurrenz wie Williams oder Alpine vor sich wieder. Das Problem der verschleißenden Reifen könnte die Scuderia wie in Austin wohl auch in Mexiko wieder in die Knie zwingen.

In Maranello glaubt man selbst nicht so recht an die Siegchance. Dass man im Qualifying plötzlich die Pole einfahren konnte, kam bereits unerwartet. Prognosen für das Rennen sind umso schwammiger, aber Carlos Sainz erwartet sich nicht viel: "71 Runden in unserem Auto sind ein bisschen kniffliger [als das Qualifying] und über 71 Runden macht normalerweise Red Bull den Unterschied".

Doch nicht nur die Reifen sind ein wichtiges Thema. In der extremen Höhenlage von Mexiko-Stadt ist auch das Kühlungsmanagement ein nicht zu unterschätzender Faktor. "Die Kühlung wird morgen [am Sonntag] für die Entscheidung sorgen. Wenn man vorne fährt, kann man besser kühlen", sagte Ferrari-Teamchef Fred Vasseur im Interview bei Sky Deutschland. Ein gewonnener Start wäre für den Rennverlauf also ein wertvoller Pluspunkt.

Mercedes und McLaren: Siegchancen im Qualifying verspielt?

Falls die Pace von Ferrari erwartungsgemäß im Rennen einbricht, könnten sie im Rennverlauf wieder auf Mercedes treffen. Im Qualifying ließen George Russell und Lewis Hamilton vor allem in Q3 abreißen, doch der Longrun ist genauso eine Stärke des W14 wie eine des RB19. Die Longruns am Freitag machten Hoffnung. Doch das Setup wurde zwischen FP2 und dem Qualifying-Beginn nochmal drastisch umgebaut.

"Wir haben über Nacht so viele Veränderungen vorgenommen, dass unsere Long-Run-Daten vom Freitag nicht besonders aussagekräftig sind. Hoffentlich haben wir unsere Pace verbessert", sagte Mercedes-Teamboss Toto Wolff. Doch selbst dann müssten Russell und Hamilton immer noch einen Weg an der Konkurrenz vorbei finden. Hamilton rechnet sich deshalb keine großen Chancen aus: "Überholen ist hier schwierig, ich erwarte nicht viel".

Bleibt im Kreise der Topteams eigentlich noch McLaren, doch die befinden sich erst recht im Hintertreffen, was die Startposition angeht. Lando Norris muss nach seinem Aus in Q1 einen hohen Berg erklimmen und von P18 ins Rennen gehen. An ein Podium ist bei ihm gar nicht zu Denken. Punkte nennt er als bescheidenes Ziel für den Rennsonntag.

Oscar Piastri ist damit der verbleibende McLaren-Pilot unter den ersten Zehn. In den Longruns am Freitag befand sich McLaren auf einem Niveau mit Red Bull. Doch erneut kommt die Überholschwierigkeit der Strecke als Faktor ins Spiel. Der Australier sieht P7 als kaum überwindbare Hypothek. "Alle um uns herum sind ziemlich schnell", dämpft er die Erwartungen auf ein Top-3-Resultat.

Ein Problem auf dem Autodromo Hermanos Rodriguez ist, dass nicht nur auf der Strecke Überholmöglichkeiten rar gesät sind, sondern auch in der Boxengasse. Obwohl Pirelli die weichsten Mischungen in das lateinamerikanische Land gebracht hat und die Temperaturen mit bis zu 40 Grad Streckentemperatur äußerst hoch sind, gehen alle von einer 1-Stopp-Strategie aus. Da die Soft-Reifen als unbrauchbar im Renntrimm gelten, ergibt sich praktisch gezwungenermaßen die Kombi Medium-Hard. Sprich: Es gibt kaum strategische Kniffe, um von weiter hinten den großen Coup zu landen.