Ein Blick auf den Stand in der Konstrukteurs-WM verrät: Williams ist 2023 das siebtbeste Team. Doch das ist nur die halbe Wahrheit in Grove. Denn die infrastrukturellen Nachteile von Williams gegenüber den anderen neun Formel-1-Teams sind immens. Seit dem Verkauf des Teams an Dorilton Capital wäre genügend Geld vorhanden, um den Standort in den "State of the Art" zu versetzen. Doch Williams darf nicht. Die Investitionen in die Infrastruktur zählen zwar nicht direkt zum Budget Cap, sind aber dennoch reglementiert. Zu stark, um ein Aufholen zu ermöglichen, behauptet Teamchef James Vowles und verlangt die Änderung einer Regel.

Seit Vowles bei Williams angeheuert hat, ist dem jungen Teamchef klar: Die Fabriken brauchen neue Maschinen, neue Simulatoren und weitere moderne Tools, die bei anderen Teams selbstverständlich sind. Andernfalls werde Williams nie im Stande sein, um an die Spitzenteams aufzuschließen.

Vowles-Frust: Meeting dreht sich mal wieder nur im Kreis

Entsprechend groß war die Verärgerung bei Vowles, nachdem die Teamchefs am Trainingsfreitag des Rennwochenendes in Spa keine Einigung bezüglich einer Erweiterung des Capital Expenditures (kurz: CapEx) erzielen konnten. "Seit fünf Monaten ist bekannt, dass wir mit unserer Infrastruktur nicht an der Spitze kämpfen können. Es ist offen gesagt enttäuschend, dass sich das Meeting wieder einmal nur im Kreis gedreht hat", sagte Vowles.

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Das CapEx ist eine Erweiterung des Budget Caps, das einen Verfügungsrahmen von 36 Millionen britischen Pfund schafft, um den Teams die Weiterentwicklung der Infrastruktur zu ermöglichen. Die Ausgaben fallen nicht unter die Budgetobergrenze. Zu wenig, um in absehbarer Zeit auf die Konkurrenz aufzuschließen. Zum Vergleich: Lawrence Stroll investierte in die in diesem Jahr eröffnete Aston-Martin-Fabrik rund 200 Millionen britische Pfund. Das Projekt wurde aber noch rechtzeitig vor Beginn der Budget-Cap-Ära in die Wege geleitet, der Bau der neuen Fabrik verzögerte sich nur aufgrund der Corona-Pandemie.

Vowles: Angst vor Williams-Macht zu groß

Vowles, der selbst Teil des über Jahre hinweg unbezwungenen Mercedes-Teams war, zeigt trotz seines Ärgers grundsätzlich Verständnis: "Jeder sorgt sich darum, wo er in der Meisterschaft steht und wie sich das kurzfristig auf ihn auswirkt und wie mächtig Williams dadurch [eine Erhöhung des CapEx, d. Red.] werden könnte."

Vowles glaubt: Ein Kampf gegen die Spitzenteams wird ohne zusätzliche Investitionen nie Realität, Foto: LAT Images
Vowles glaubt: Ein Kampf gegen die Spitzenteams wird ohne zusätzliche Investitionen nie Realität, Foto: LAT Images

Dennoch appelliert der 44-jährige an seine Kollegen, den eigenen Horizont zu erweitern: "Wir hatten dieses Jahr in Kanada ein großartiges Treffen mit Roger Goodell [Commissioner der NFL, d. Red.]. Er hat uns erklärt, dass der Wert aller Teams um ein Vielfaches gestiegen ist, als die Franchises erkannt haben, dass es nicht darauf ankommt, wer gewinnt. Sondern dass es darauf ankommt, zusammenzuarbeiten." Aber davon sei die Formel 1 noch weit entfernt, bedauert Vowles.

Williams selbst 2026 abgeschlagen?

In Grove drängt die Zeit. Wenn sich der fremdverschuldete Investitionsstau weiter hinzieht, könne Williams nicht einmal 2026 konkurrenzfähig sein, behauptet der Williams-Teamchef. "Selbst wenn ich morgen mit einem Spaten losbuddeln würde, würde es 36 Monate dauern, bis die meisten großen Infrastrukturen vorhanden sind." Zwei Jahre für den Bau und ein weiteres für die Einrichtung seien eine realistische Zeitspanne, meint Vowles.

"Es geht nicht nur darum, die Gebäude hochzuziehen. Wir brauchen auch eine gewisse Zeit bis die Abläufe und Arbeitsweisen mit den Möglichkeiten, die andere seit 15 Jahren haben, gelernt und eingespielt sind", stellt der 44-jährige klar.

James Vowles blickt durch die Boxengasse.
James Vowles plant auf lange Sicht, Foto: LAT Images

Vorerst muss sich das Traditionsteam gedulden. In zwei Monaten werden sich die Teamchefs wieder zum Thema CapEx zusammensetzen und weiter diskutieren. "Es ist schwer zu sagen, inwiefern sich die Standpunkte in den nächsten zwei Monaten ändern werden. Aber der Sport muss erkennen, dass jeder vor jedem beliebigen Sonntag das Potenzial haben sollte, gewinnen zu können", betont Vowles.