McLaren befand sich schon vor dem ersten Testtag zur Formel-1-Saison 2023 in der Krise. Bei der Präsentation des MCL60 mahnte man bereits zur Geduld. Die Erwartungshaltung vor dem bei Rennen vier angekündigten Update war niedrig. Trotzdem war der Test in Bahrain ein böses Erwachen für das Ex-Team von Andreas Seidl - und das, obwohl ein großes Technik-Drama wie im vergangenen Jahr ausblieb.

Am zweiten Testtag mussten sich die Teamverantwortlichen erklären. Zak Brown gestand, dass man die selbst gesteckten Ziele in der Winterpause nicht erreichen konnte. Teamchef Andrea Stella wird konkreter: "Wir haben zu spät gesehen, dass eine andere Richtung bei der Aerodynamik mehr verspricht."

Beim Test konnte man dann die Boliden der Konkurrenz genauer inspizieren. Als man sah, wie ausgereift deren Geometrien bereits aussahen, wusste man, dass man über den Winter verloren haben musste. Trotzdem bleibt Stella Optimist: "Die Saison ist lang und das, was wir jetzt auf der Strecke sehen, ist der Entwicklungsstand von vor drei Monaten."

Regeländerung nicht an McLaren-Misere schuld

Die Regeländerung war es nicht, die McLaren aus der Bahn warf. Stattdessen ein Klassiker in Woking: Es mangelt dem MCL60 an der aerodynamischen Effizienz. Das Auto hat in Relation zum Abtrieb zu viel Luftwiderstand.

Immer wieder betonte der Italiener auch die guten Neuigkeiten: "Die Korrelation stimmt, das Auto ist so ziemlich dort, wo wir es erwartet haben." Nur eben nicht dort, wo es sein soll. Das anvisierte Ziel ist Platz vier in der Konstrukteurs-WM. "In den Top-4 sind wir derzeit nicht", muss Stella gestehen.

Das enge Mittelfeld macht Prognosen für den Saisonstart unmöglich: "Es hängt davon ab, wie du das Setup und das Wochenende erwischt. Wenn es schlecht läuft, fliegst du in Q1 raus. Wenn alles passt, kommst du mit dem gleichen Auto in Q3."

Updates sollen Anschluss für McLaren herstellen

Um den Rückstand aufzuholen, will und muss McLaren bei der Entwicklung aggressiv sein. Gleichschritt mit den anderen Teams bedeutet Stillstand. "Aggressiv kann aber vieles bedeuten", betont Stella. "Entweder, dass man zeitlich sehr schnell ist, oder dass man sehr viel bringt."

Obwohl die Hoffnungen auf dem Baku-Update ruhen, versucht der Teamchef die Erwartungshaltung an den Neuerungen nicht ins unermessliche steigen zu lassen. "Es muss nicht zwangsläufig eine B-Spezifikation sein. Es gibt auch kleine Bereiche, die einen großen Einfluss auf die Performance haben."

Als Reaktion auf die Probleme hat Stella bereits angekündigt, die Aerodynamik-Abteilung in Woking aufstocken zu wollen. Für Technik-Chef James Key könnte es nun eng werden. Der Brite trat weder bei der Präsentation des neuen Boliden auf, noch gewährte er in Bahrain eine Audienz. Nachdem McLaren 2020 überraschend Platz drei in der Konstrukteurswertung holte, ging es zuletzt stetig bergab. 2021 erreichte man Platz vier, 2022 nur noch Platz fünf.