George Russell war als Zweiter in den Mexiko-GP gestartet - als enttäuschter Vierter muss er abreisen. Der Mercedes-Pilot wurde Opfer der Vorsicht, sowohl der eigenen als auch der seines Teams. Erst verspielte er beim Start zwei Positionen, und dann konnte er sich trotz langer Funk-Debatten nicht in Sachen Strategie durchsetzen.

Ersteres, der Start, kostete ihm ein Podium. Da ist sich Russell sicher. Beim Erlöschen der Lichter kam er etwas schlechter weg als Polesetter Max Verstappen, reihte sich hinter dem Red Bull ein, und traf dann eine Reihe zu vorsichtiger Entscheidungen.

Passiver Russell macht Hamilton Start-Geschenk

"Ich wusste, ich würde Max außen nicht überholen können, aber mit Lewis innen wollte ich nicht zu aggressiv sein", erklärt Russell. "Er ist ja mein Teamkollege." Hamilton war besser weggekommen und hatte sich beim Anbremsen für Kurve eins innen platziert, war aber nicht aggressiv hineingestochen. Trotzdem ließ ihm Russell viel Platz und kompromittierte so seine Linie für Kurve zwei.

"Sonst wäre ich normalerweise rübergezogen", räumt Russell ein. "Oder in Kurve zwei, hätte mich raustragen lassen." Diese Passivität nutzte Hamilton aus und setzte sich außen in Kurve zwei daneben. Als Hamilton dann in Kurve drei innen war, ließ sich Russell weit auf den Kerb hinaustragen und gab die Position auf. Aufgrund des verlorenen Tempos wurde er prompt auch noch von Sergio Perez überholt und kam auf dem vierten Platz zurück aus der ersten Runde.

Auch die Kritik der letzten Rennen hat bei Russell Spuren hinterlassen. In Austin und in Singapur war er in Kollisionen verwickelt. Der Fehlerquote war er sich am Start bewusst: "Zu viele Zwischenfälle, zu viele Fehler. Das war wahrscheinlich ein Faktor dabei, dass ich es vorsichtig anging."

"Na ja, so läuft das Spiel eben", akzeptiert Russell die Konsequenzen nach dem Rennen. "Ich würde mir gerne vorstellen, dass es andersrum genau gleich abgelaufen wäre. Vielleicht auch nicht. Ganz sicher bin ich mir nicht."

Russell & Mercedes verpassen Strategie-Chance

30 Runden später fand sich Russell allerdings auf dem ersten Platz wieder. Mercedes hatte für den Start auf Medium-Reifen gesetzt, Red Bull jedoch auf Soft. Verstappen und Perez stoppten daher als erste, dann folgte in Reaktion Hamilton. Obwohl die Mercedes-Mediums noch gute Pace zu haben schienen. Russell bat am Funk prompt darum, den Boxenstopp hinauszuzögern.

"Ich fühlte mich gut auf dem Medium, und bevor Lewis stoppte, sah die Pace stark aus", erklärt Russell nach dem Rennen. "Wir haben die Lücke zugefahren. Als ich in Führung lag, fuhr ich persönliche Bestzeiten."

Aus dem Vorschlag wurde nichts. Basierend auf Hamiltons Rundenzeiten und der Annahme, dass Red Bull - dort fuhr man Soft-Medium - es nicht ohne Einbruch ins Ziel schaffen würde, holte Mercedes Russell für Hard-Reifen schon in Runde 34 zum Stopp. "Ich dachte wirklich, wir hätten auf Medium mit guter Pace weiterfahren können", ärgert sich Russell.

Sein Plan war, den Medium-Stint so lange zu ziehen, dass er am Ende auf Soft-Reifen wechseln könnte. Dann hätte er mit Reifenvorteil eine Aufholjagd versuchen können. Das funktionierte in Mexiko blendend, Daniel Ricciardo kämpfte sich so von außerhalb der Top-10 bis in die Punkte. Nur hatte sich Mercedes nicht vorstellen können, dass 44 Runden Medium und 27 Runden Soft machbar waren.

"Da lagen wir falsch", gesteht Teamchef Toto Wolff nach dem Rennen. "Dass der Medium am Ende so lange gehalten hat war eine Überraschung." Für Russell ist die Entscheidung, früh und auf Hard zu stoppen, bitter. Zu verlieren hatte er nach dem schlechten Start nichts mehr. Aber mit der konservativen Strategie fiel er wieder hinter Perez auf den vierten Platz zurück: "Der Hard-Reifen hat von der zweiten Runde weg nicht funktioniert."