Vor wenigen Tagen verkündete Ex-Formel-1-Weltmeister und US-Rennsportlegende Mario Andretti über den Kurznachrichtendienst Twitter, dass sein Sohn Michael in die Formel 1 einsteigen will. Der frühere McLaren-Pilot plane, ab 2024 mit einem eigenen Team - Andretti Global - an den Start zu gehen. Die notwendigen Unterlagen soll er bereits bei der FIA eingereicht haben, selbst ein Motorenpartner stehe schon fest.

Gibt es in der Formel 1 also schon bald ein elftes Team? Äußerst unwahrscheinlich: Die FIA sei "aktuell nicht in der Position, das Interesse eines potenziellen Neueinsteigers in Betracht zu ziehen", teilte Sprecher der FIA unseren Kollegen von 'The Race' mit.

Horner erinnert: Concorde-Agreement soll Teams schützen

Auch die Mehrheit der aktuellen zehn Formel-1-Teams scheint kein großes Interesse an einem Andretti-Einstieg zu haben. Die Teamchefs stehen einem elften Rennstall kritisch gegenüber: "Es ist zwar schön zu sehen, dass es Interesse an einem Einstieg in die Formel 1 gibt. Andretti ist ein großer Name im Motorsport", freut sich etwa Christian Horner. Allerdings ergänzt der Teamchef von Red Bull Racing: "Es gibt klare Vereinbarungen im Concorde-Agreement, die erfüllt werden müssen."

Um in der Formel 1 ein neues Team an den Start zu bringen, muss der potenzielle Interessent eine 200-Millionen-Dollar hohe Eintrittsgebühr bezahlen. So soll verhindert werden, dass Teams einsteigen, die finanziell da eigentlich gar nicht in der Lage sind. Ob Andretti die nötigen Finanzmittel besitzt? Horner ist skeptisch, er erinnert: "Das Concorde-Abkommen ist dazu da, die zehn bestehenden Teams zu schützen" Einen möglichen Einstieg des US-Teams müsse man daher sehr sorgfältig prüfen, warnt der 48-jährige Brite.

Zustimmung erhielt er von Alpha-Tauri-Teamchef Franz Tost: "Wir sind aktuell zehn Teams, zehn wirklich gute Teams", meint er. Schlussendlich sei es zwar eine Entscheidung der FIA und der FOM, einen Einstieg Andrettis in die Formel 1 könne Tost aber nur begrüßen, wenn "alle Puzzleteile zusammenkommen und alle Teams den Einstieg akzeptieren - Dann ja, sonst nein", erklärt der 66-jährige Österreicher.

Wolff zweifelt an Andretti: Das ist die Champions League

Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff sieht einen Einstieg kritisch: "Andretti ist ein Name und der US-Markt ist wichtig für uns. Aber jedes Team, das beitritt, muss einen Wert kreieren", erklärt er. Es werden Erinnerungen an das Fiasko der frühen 2010er-Jahre wach. Damals waren mit Virgin, Lotus und HRT gleich drei neue Teams in die Formel 1 eingestiegen. Letztlich waren allerdings alle drei chancenlos unterlegen, sie fuhren dem restlichen Feld meilenweit hinterher. Alle drei Teams hatten während ihrer Zeit in der Königsklasse mit großen Geldsorgen zu kämpfen und verschwanden recht schnell wieder. Heute ist kein Rennstall mehr übriggeblieben. Für HRT war nach bereits drei Jahren Schluss, für Caterham [vormals Lotus] nach fünf und für Manor [vormals Virgin und Marussia] nach sieben.

Auch um solche Szenarien in Zukunft zu verhindern, vereinbarten die FIA und die zehn bestehenden Teams eine 200-Millionen-Dollar hohe Beitrittsgebühr im Concorde-Agreement aus dem Jahr 2020. Aber selbst wenn ein Neueinsteiger finanzstark genug ist, um die Gebühr zu bezahlen, eine Garantie für Erfolg in der Formel 1 ist das freilich nicht: "Wert zu kreieren - das passiert nicht nur durch das Zahlen der 200-Millionen-Dollar hohen Eintrittsgebühr", meint auch Wolff. "Das Team muss demonstrieren, was es den anderen Teams, der Formel 1 und der FIA bringen kann. Nur dann wird der Sport wachsen."

Der Mercedes-Chef stellt klar: "Wir sind die absolute Spitze, das ist die Champions League oder die NFL." Nach seiner Rechnung würden selbst 200 Millionen Dollar nicht ausreichen, um in der Formel 1 mitspielen zu können. "Du brauchst eher eine Milliarde", erklärt er. Ob Andretti über die nötigen Mittel verfügt? Wolff ist skeptisch.

Der Österreicher nennt drei Bedingungen für einen elften Rennstall in der Formel 1: Es müsse sich um eine echte Marke handeln, das Team müsse über gute Leute verfügen und die nötige Finanzierung vorweisen können. Erst wenn ein potenzieller Interessent diese Forderungen erfüllt, könne er einem Einstieg zustimmen: "Dann, warum nicht?", so Wolff weiter.

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Seidl: McLaren begrüßt Andretti-Einstieg in Formel 1

Einzig McLaren-Teamchef Andreas Seidl offenbart eine andere Sichtweise: "Wir würden das Andretti-Team definitiv willkommen heißen", meint der Deutsche. Er erklärt: "Der Andretti-Name würde uns helfen, dass Interesse an unserem Sport in den USA noch weiter zu steigern. Außerdem würde das mehr Möglichkeiten eröffnen, junge Fahrer in die Formel 1 zu bekommen."

Geht es nach Seidl, könnte in naher Zukunft sogar noch ein weiterer Rennstall in der Formel 1 am Start stehen: "Je schneller wir zu zwölf Teams gelangen, desto besser", schließlich würden sämtliche Teams davon profitieren: "Desto schneller können wir unseren Franchise-Wert in die Höhe treiben", erklärt er. Der McLaren-Teamchef weiter: "Es wäre toll, gegen sie [Andretti-Global] antreten zu können."