Am letzten Wochenende haben sowohl Fernando Alonso als auch Valentino Rossi ihre WM-Säcke zugemacht. Die internationale Presse durfte die beiden Helden kräftig feiern und huldigen. Während man Alonso im aufgeregten Spanien sogar zu einer "Messias-Figur" stilisierte, ging man es im Rossi-Land Italien in punkto Alonso ein bisschen ruhiger an: Vom "Baby-Weltmeister" war die Rede und vom "Triumph der Intelligenz". Zwar gratulierten alle - bis auf Ron Dennis - brav dem 24jährigen "Magier" - wirklich Aufregendes gab es nicht rund um den "ganz normalen Typ" Alonso zu lesen. Die wirklichen Heldengeschichten werden rund um den anderen Weltmeister geschrieben: Valentino Rossi.

Denn der geistert längst auch in der Formel 1 durch den Medienwald. Da ist die Rede von satten 60 Millionen Dollar, die ihm Ferrari angeblich angeboten hat. Da gibt es die säuselnden Worte, die Ferrari-Teamchef Jean Todt in Brasilien den Reportern ins Mitteilungsheft diktierte: "Wir haben gesagt, dass wir glücklich sind, wenn wir ihn glücklich machen können. Wenn Valentino Rossi eines Tages Formel 1 fahren möchte, dann ist das seine Entscheidung. Wenn wir das Gefühl haben, dass er in der Formel 1 Siegpotential hat, dann werden wir ihn nehmen."

Und jetzt sich hat sich auch Dietrich Mateschitz, dem jetzt 20 Prozent der Formel 1-Teams gehören, zu Wort gemeldet. Die Gazzetta dello Sport zitiert den Energiegetränkehersteller: "Es wäre ein Traum, Red Bull heißt in Italien Toro Rosso, da müssten wir nur einen Buchstaben ändern." Doch dem früheren Zahnpastaverkäufer geht es bei Rossi nicht nur um den Marktwert: "Valentino ist nicht nur ein großartiger Motorrad-Pilot, bei seinem Talent könnte er auch in der Formel 1 Erfolg haben."

Es sind ein paar Ziffern, welche die Formel 1-Protagonisten quasi noch mehr ins Rossi-Fieber hineintauchte. Konkret geht es um die Zahl 57,5. Der Hintergrund: Der große Michael Schumacher fuhr im Mai mit dem F2005 eine Bestzeit von 57,145 Sekunden. Und Valentino Rossi soll bei seinem letzten Test, mit einem F2004M nach 2005er-Reglement, eine Zeit von 57,5 Sekunden gefahren sein - und was das bedeutet, dürfte jedem klar sein! Diese Rundenzeit wurde von Ferrari bis heute nicht bestätigt - doch niemand anderer als Rossi selbst hat sie, in einem Gespräch mit dem Guardian, verraten. Jetzt weiß man auch, warum die Zeiten unter Verschluss blieben...

Glücklich, wenn wir Rossi glücklich machen können - Todt., Foto: Sutton
Glücklich, wenn wir Rossi glücklich machen können - Todt., Foto: Sutton

Rossi erzählte in dem Gespräch von seinem ersten Test im Jahr 2004: "Ich hörte, dass die Techniker dort eine Wette laufen hatten. Nur wenn man unter 60 Sekunden fährt, ist man ein Formel 1-Fahrer. Die meisten der Ingenieure wetteten, dass ich es niemals unter einer Minute schaffen würde. Ich lachte darüber, aber tief in mir drin wollte ich es ihnen zeigen." Das Ergebnis damals war eine Zeit von 59, 1 Sekunden. Und Rossi freut sich heute noch: "Da haben eine Menge Leute ihr Geld verloren!"

Wenn also dieser Valentino Rossi nach ein paar läppischen F1-Tests nur um vier Zehntelsekunden langsamer als Michael Schumacher auf seiner Hausrennstrecke unterwegs ist, dann wird wohl jeder verstehen, warum ein Jean Todt dem "Doktor" derart Rosen streut. Hinzu kommt noch ein "großes technisches Verständnis für das Set Up", wie Ferrari-Technikchef Ross Brawn schwärmt...

Alle wollen Rossi. Nur: Was will er selbst? Den Yamaha-Vertrag wird er 2006 erfüllen und höchst wahrscheinlich abermals Weltmeister werden. Doch was kommt dann? Darf sich Todt freuen? Dem Kollegen vom Guardian sagte Rossi unverblümt: "Ich liebe den Rallye-Sport viel mehr als die Formel 1." Und: "Nach Siegen mit Honda und Yamaha könnte es auch interessant sein, mit dem italienischen Team Ducati um die Weltmeisterschaft zu kämpfen." Andererseits sei die Formel 1 dann aber doch "die ultimative Herausforderung", ja sogar eine "verrückte Herausforderung". Zugleich dementiert der schlaue "Dottore" die angeblichen für 2006 geplanten Ferrari-Tests - mit den Worten: "Das ist doch Müll. Wie kann Ferrari wissen, was ich 2006 mache - wenn ich nicht einmal weiß, was ich nächste Woche tue?"

Und so bleibt Valentino Rossi ein Mysterium im Fahrerlager der Königsklasse. Die Formel 1-Protagonisten befinden sich weiterhin im kollektiven Kniefall vor dem Doktor. Und es geht längst nicht mehr nur um das Charisma des Italieners. Fast wäre man geneigt zu sagen: Kein Formel 1-Pilot - außer Michael Schumacher - wird im Fahrerlager der Königsklasse mehr verehrt als Valentino Rossi. Dabei ist der - noch - gar keiner...