Red Bull sah über weite Strecken wie der Geheimfavorit für das Qualifying in Baku aus, doch am Ende konnte weder Max Verstappen noch Daniel Ricciardo in den Kampf um die Pole Position eingreifen. Letzterer verwachste im letzten Segment des Zeittrainings komplett, als er wenige Minuten vor dem Ende mit seinem RB13 an der Betonmauer anschlug. Für den Australier war damit nicht mehr als Startplatz zehn drin.

Genau 3:33 Minuten standen im Qualifying noch auf der Uhr, als Ricciardo mit seinem Red Bull mit der Startnummer 3 ausgangs von Kurve 6 die Mauer touchierte. Eigentlich als Spezialist für Straßenkurse bekannt, scheiterte der 27-Jährige an diesem Samstag am 6,006 km langen Baku City Circuit. "Im Q3 versuchst du alles zu geben, um das letzten Bisschen aus dem Auto herauszuholen", so Ricciardo, der den Bogen dabei offenbar einfach überspannte.

"Ich wusste, dass Kurve 6 eine Stelle war, wo ich mich verbessern könnte. Ich versuchte, mehr Geschwindigkeit durch die Kurve mitzunehmen und habe dabei am Ausgang das Heck verloren und die Mauer berührt", erklärt er sein Malheur, bei dem er seinen Boliden derart stark beschädigte, dass das Zeittraining für ihn an Ort und Stelle beendet war. Dabei schien der Quersteher zunächst noch kontrollierbar: "Das Heck kam herum und ich versuchte, es wieder einzufangen. Aber es hörte nicht auf."

Der Streckenverlauf tat bei dem Unfall dann sein Übriges, wie Ricciardo anfügt: "Die Mauer kommt etwas zurück Richtung Strecke, also bin ich eingeschlagen." Eine Ausrede für den Fehler soll das aber nicht sein. "Es ist natürlich nicht die Schuld der Mauer. Ich gebe hier nicht ihr die Schuld", scherzt der Australier, dem bewusst ist, dass er alleine für den Schaden verantwortlich zeichnet: "Ich habe am Limit einfach hart gepusht. Es gibt keinen anderen Grund."

Von Frust war beim stets gut gelaunten Ricciardo allerdings trotz des verkorksten Qualifyings keine Spur: "Ein Teil von mir ist mit dem Fehler natürlich nicht glücklich, aber die Wahrheit ist, dass ich Straßenkurse genau aus diesem Grund so mag. Sie zeigen dir die Grenzen auf und wenn du über sie hinausgehst, zahlst du den Preis." Dementsprechend kommt ihm nicht in den Sinn, eine Anpassung der Rennstrecke zu fordern, wie es bei manchem Konkurrent nach einem Unfall Gang und Gäbe ist: "Es ist ein sehr fordernder Kurs. Er hat mich heute gebissen, aber ich bin nicht sauer auf ihn."

Daniel Ricciardo wird den Aserbaidschan GP 2017 von Startplatz zehn in Angriff nehmen, Foto: Red Bull
Daniel Ricciardo wird den Aserbaidschan GP 2017 von Startplatz zehn in Angriff nehmen, Foto: Red Bull

Ricciardo erwartet Chaos-Rennen

Von der fünften Startreihe aus, so ist Ricciardo sicher, ist für ihn in Baku noch einiges drin. Zumindest an der Konkurrenz von Williams und Force India will er trotz Leistungsnachteil seiner Renault-Power Unit vorbeikommen. "Ich denke, wenn ich schneller als die Fahrer vor mir bin, kann ich auch überholen. Selbst hinter den Autos mit Mercedes-Motoren. Wenn du einen Windschatten hast, ist der stärker als ein Leistungsdefizit", ist er überzeugt.

In Sachen Taktik wird es laut Pirelli bei den meisten Fahrern wohl auf eine Einstopp-Strategie hinauslaufen. Ricciardo ist allerdings noch nicht sicher, welche Herangehensweise unter dem Strich die effektivste sein wird. In Stein gemeißelt ist für ihn offenbar noch nichts. "Es könnte wie in Monaco sein, dass ein Overcut besser funktioniert als ein Undercut. Die Strategie ist vielleicht doch nicht so klar und es gibt ein paar Möglichkeiten", so der viermalige Grand-Prix-Sieger."

Ein weiterer Vorteil könnte die taktisch kluge Nutzung von Gelbphasen sein. Denn während auf dem Baku City Circuit bei der Premiere im vergangenen Jahr nicht ein einziges Mal das Safety Car ausrücken musste, erwartet Ricciardo dieses Jahr eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Neutralisierung: "Ich kann mir schwer vorstellen, dass es keine Zwischenfälle geben wird. Nach all dem, was in den Trainings und im Qualifying passiert ist, muss irgendetwas passieren."

Die veränderte Streckenoberfläche ist laut Ricciardo der entscheidende Faktor für die höhere Fehlerrate in diesem Jahr. "Der Grip ist dieses Jahr besser und du kannst härter pushen. Sobald du näher an der Haftgrenze unterwegs bist, ist es einfacher Fehler zu machen", erklärt der Red Bull-Pilot, der hofft, mit seinem Fehler im Zeittraining seinen Preis bereits gezahlt zu haben: "Solange es mich nicht nochmal trifft, ist es für mich okay." Die Marschroute für das Rennen ist damit klar: "Wenn wir schneller sind, sollten wir überholen können. Ansonsten müssen wir einen Undercut oder einen Overcut anbringen. Hört sich doch ganz einfach an."