In den Spekulationen rundum das freie Mercedes-Cockpit für die Saison 2017 werden vor allem die ganz großen Namen besonders heiß gehandelt. Alonso, Vettel, Verstappen und Ricciardo. Die Formel-1-Welt träumt vom teaminternen Duell zwischen Lewis Hamilton und einem der anderen Superstars der Königsklasse. So verlockend eine solche Konstellation in medialer Hinsicht auch wäre: Mercedes bleibt bei der Fahrerfrage lieber realistisch.

Angesichts des in den vergangenen Tagen mit FIA-Gala und Mercedes-Event vollgepackten Terminkalenders, war die Mercedes-Führung bisher noch nicht dazu in der Lage, sich mit den Optionen für das Rosberg-Cockpit auseinanderzusetzen. Ab der kommenden Woche werden sich Wolff, Lauda & Co. jedoch detailliert mit der Frage beschäftigen, denn eine Entscheidung soll noch vor Weihnachten getroffen werden. "Das erste, was wir am Montag machen werden, ist, unsere Köpfe zusammenstecken und evaluieren, wen wir gerne haben wollen", so Wolff gegenüber Motorsport-Magazin.com

Momentan gibt es in der Formel 1 wohl kaum ein Team, das nicht gerne Max Verstappen in einem seiner Autos sehen würde. Der rege Telefonkontakt zwischen Verstappens Vater Jos und Mercedes-Teamchef Toto Wolff ist kein Geheimnis und heizt die Spekulationen um einen Verstappen-Wechsel zu den Silberpfeilen regelmäßig an. Wolff macht sich jedoch keine Illusionen hinsichtlich einer Verpflichtung eines Piloten der direkten Konkurrenz. "Da gibt es Kandidaten, die nicht verfügbar sind. Es ist klar, dass die beiden Bullen und Sebastian nicht verfügbar sind", schließt er Verstappen, Riccardo und Vettel gleich einmal aus.

Hamilton im Sandwich von Vettel und Verstappen: Seine Teamkollegen werden die beiden so schnell nicht, Foto: Sutton
Hamilton im Sandwich von Vettel und Verstappen: Seine Teamkollegen werden die beiden so schnell nicht, Foto: Sutton

Red Bull & Co. werden Star-Piloten nicht ziehen lassen

Die Gründe dafür liegen wohl in erster Linie bei den Gegnern. Red Bull und Ferrari sind die direkte Konkurrenz der Silbernen und haben sich für 2017 einzig und alleine zum Ziel gesetzt, als Mercedes vom Formel-1-Thron zu verdrängen. Dementsprechend unwahrscheinlich ist es, dass sie ihre Top-Piloten zum Rivalen überlaufen lassen. Auch finanziell gibt es für die beiden Rennställe kaum einen Anreiz für einen Transfer, denn in Sachen Budget spielen sie zweifelsohne in derselben Liga wie Mercedes. Red-Bull-Teamchef Christian Horner hatte Mercedes nach Rosbergs Rücktritt gleich einmal per Textmitteilung eingenordet. "Er sagte, wir sollen gar nicht erst auf die Idee kommen, über Verstappen und Ricciardo nachzudenken, denn sie hätten sehr gute Verträge", so Lauda.

Angesichts dieser Voraussetzungen wäre der Versuch, einen dieser Fahrer für 2017 zu verpflichten, ein extremer juristischer Kraftakt für die Mercedes-Chefetage. Etwas, das dort unter keinen Umständen angestrebt werden soll. "Wir werden nicht das Contract Recognition Board (CRB) anrufen, um zu evaluieren, ob wir einen Fahrer haben können, oder nicht", spricht Wolff die 1992 im Zuge des Concorde Agreements eingerichtete Instanz für Vertragsangelegenheiten in der Formel 1 an. Sie wurde damals ins Leben gerufen, nachdem sich Jordan und Benetton um die Dienste des jungen Michael Schumachers gezankt hatten. Danach gab es immer wieder Fälle, in denen sich Fahrer und Teams über die Gültigkeit von Verträgen nicht einig waren und das CRB die Angelegenheit regeln musste.

Flavio Briatore riss sich 1991 Michael Schumacher unter den Nagel und verärgerte damit Eddie Jordan, Foto: Sutton
Flavio Briatore riss sich 1991 Michael Schumacher unter den Nagel und verärgerte damit Eddie Jordan, Foto: Sutton

Wolff: Vertragsbruch nicht unser Stil

Trotz den hohen sportlichen Ansprüchen des Weltmeister-Teams würde eine solche Vorgehensweise zudem auch nicht dem Grundsatz der silbernen Führungsriege entsprechen. "So sehr wir als Mercedes auch den Zug aufs Tor haben, was Ergebnisse betrifft, werden wir mit Sicherheit nicht einen einzigen Millimeter von unserem Integritätsgrundsatz abweisen und mit jemandem in eine rechtliche Konfrontation gehen, um einen Fahrer aus seinem Vertrag herauszubekommen", so Wolff, der sich als Teamchef gut in die unangenehme Situation hereinversetzen kann, wenn ein Konkurrent um den eigenen Fahrer buhlt. "Verträge müssen respektiert werden und das wünsche ich mir für uns selbst auch. Insofern werden wir diesen Weg ganz eindeutig nicht beschreiten", fügt er an.

Dass Verträge eine heikle Angelegenheit sind, hätte auch bei Rosbergs frühzeitigem Abschied eine Rolle spielen können. Schließlich hatte der Weltmeister mit Hilfe von Ex-Formel-1-Fahrer Gerhard Berger im Sommer noch einen neuen Zweijahres-Vertrag mit Mercedes ausgehandelt. Rosbergs Vertragsbruch wird aber kaum in einer Schlammschlacht enden. "Es ist für uns alle eine völlig neue Situation. Wir werden das einvernehmlich lösen", stellt Wolff eine reibungslose Auflösung des Arbeitsverhältnisses in Aussicht. Sollte eine Einigung ausbleiben, hat Wolff aber schon vorgesorgt, wie er scherzhaft hinzufügt: "Andererseits haben wir auch gesagt, dass wir ihn vielleicht zum Fahren zwingen werden."