Esteban Ocon: [lacht und zeigt auf Lewis Hamiltons Hund Roscoe auf unserem Magazin] Was ist das denn?

Weil es unsere 50. Ausgabe ist und wir die Highlights abbilden wollten. Michael Schumacher, Sebastian Vettel, Valentino Rossi... und eben Roscoe. Hast du einen Hund?
Esteban Ocon: Nein, ich werde auch so schnell keinen mehr haben. Ich hatte einen, aber der ist jetzt bei meinen Eltern.

Was war denn als Formel-1-Neuling die größte Überraschung für dich in diesem Zirkus - abgesehen von Hunden auf unserem Cover?
Esteban Ocon: Der erste Tag war die große Überraschung. Ich bin den ganzen Tag nur rumgerannt, das war wirklich verrückt. Ich hatte an einem Tag 18 Medien-Termine. Das war richtig viel und ich war am Ende des Tages komplett fertig. Ich hatte erwartet, dass es viel wird, aber das hatte ich wirklich nicht erwartet. Abgesehen davon wusste ich ja schon, was auf technischer Seite passieren würde.

Was war die schlechteste Frage, die du während deines Medien-Marathons beantworten musstest?
Esteban Ocon: Ist das dein erster Trackwalk in der Formel 1?

Du hast die Formel 3 Euroserie gewonnen, du hast die GP3 gewonnen. Du bist es gewohnt, in Autos zu sitzen, mit denen du um den Sieg fahren kannst. Mit Manor wird dir das nicht gelingen, auch wenn alles perfekt läuft. Wie gehst du damit um?
Esteban Ocon: Das ist nicht einfach, aber du hast eine andere Herangehensweise. Wenn ein Fahrer in die Formel 1 kommt und sofort ein siegfähiges Auto hat, ist das verrückt. Aber so ist es nicht in der Formel 1. Ich muss so viel wie möglich lernen und will das Team mit dem zufriedenstellen, was ich mache. Das ist das wichtigste. Wenn ich einen guten Job mach, kommen die Möglichkeiten. Im Moment muss ich den Job hier machen.

Ocon: Konnte in der DTM nicht gewinnen

Musst du deine Herangehensweise etwas ändern?
Esteban Ocon: Ich hatte es auch schon ein bisschen in der DTM. Ich glaube nicht, dass es dort möglich war, Rennen zu gewinnen oder die Pole Position zu holen. Ich bin am Ende des Tages ein professioneller Rennfahrer und ich muss den Job machen, der von mir verlangt wird. Ich habe das in der DTM ganz gut gelernt und das gleiche mache ich hier jetzt auch.

Was war dein Problem in der DTM?
Esteban Ocon: Ich weiß es nicht... Es ist nicht einfach, in einer so hochkarätigen Serie anzukommen. Es ist auch ein bisschen schade, dass ich dieses Abenteuer dort nicht beenden konnte. Aber ich kann eine Gelegenheit wie diese hier bei Manor nicht ablehnen.

Esteban Ocon tat sich in der DTM schwer, Foto: DTM
Esteban Ocon tat sich in der DTM schwer, Foto: DTM

Musstest du den Sprung in die Formel 1 jetzt schnell schaffen, damit dein Ruf in der DTM nicht beschädigt wird, wenn du weiter hinten rumfährst?
Esteban Ocon: Ja, da stimme ich dir zu. Wenn man die Ergebnisse nicht bringt, gerät man etwas in Vergessenheit. Ich hatte aber die Chance, mit Renault hier in der Formel 1 im 1. Freien Training zu fahren. Ich bin nicht so besorgt darum. Ich habe zuvor zwei wichtige Meisterschaften gewonnen. Das hat sich letztendlich für mich ausgezahlt. Und die Leute vergessen einen nicht vom einen auf den anderen Tag.

Also ist ein schlechtes Jahr in der DTM nicht so schlimm?
Esteban Ocon: So schlecht war meine Zeit dort nicht. Ich war sofort sehr schnell. Wenn man sich all die ersten Jahre der anderen Fahrer dort ansieht: Sie hatten alle Probleme. Es war nicht so schlecht und das Team war zufrieden. Das haben sie den Chefs auch gesagt und deshalb bin ich jetzt auch hier.

Esteban Ocon im Renault, Foto: Sutton
Esteban Ocon im Renault, Foto: Sutton

Wie wichtig sind solche Einsätze im Freien Training mit Renault?
Esteban Ocon: Wirklich wichtig. Auf der einen Seite konnte ich mich hervorragend darauf vorbereiten, ins Renncockpit zu steigen. Und man fährt im Training normalerweise mehr oder weniger das gleiche Programm wie das andere Auto. Wenn man sich mein letztes Training ansieht, dann hatte ich den gleichen Speed wie Kevin [Magnussen]. Die Teams, die an mir interessiert sind, sehen sich das an. Vor allem natürlich Renault und Mercedes.

Wie würdest du dich selbst als Rennfahrer beschreiben? Bist du ein aggressiver Fahrer? Bist du eher vorsichtig?
Esteban Ocon: Ich denke darüber nach, bevor ich ein Risiko eingehe. Ich gehe Risiko nicht für nichts ein. Wenn es eine großartige Möglichkeit ist, dann gehe ich das Risiko. Wenn nicht, dann bin ich geduldig und warte, bis die Möglichkeit besser ist.

Ist das etwas, das du in deiner Karriere gelernt hast? ?
Esteban Ocon: Ja! Ich habe gelernt, dass es egal ist, ob du zwanzig Rennen gewinnst oder nicht. Am Ende zählt es, ob du die Meisterschaft gewonnen hast. Ich habe in meiner GP3-Saison drei Rennen gewonnen, bei zwei davon wurde ich nachträglich noch bestraft. Auf dem Papier habe ich nur ein Rennen gewonnen und sonst lauter zweite Plätze geholt. Weil ich nicht gewinnen konnte, habe ich die Punkte genommen. Und am Ende erinnert sich niemand daran, wie viele Rennen ich in der GP3-Saison gewonnen habe. Ich habe den Titel gewonnen!

Esteban Ocon stellt sich den Fragen von Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: Sutton
Esteban Ocon stellt sich den Fragen von Motorsport-Magazin.com-Redakteur Christian Menath, Foto: Sutton

Du hast gesagt, Max Verstappen ist dein Maßstab. Inwiefern ist er das?
Esteban Ocon: Ich glaube, dass sein erstes Jahr bei Toro Rosso richtig gut war. Darum glaube ich, dass er meine Referenz ist. Ich bin schon gegen ihn Rennen gefahren und weiß, was er leisten kann. Ich will das genauso gut wie er machen oder noch besser. Er ist von einem guten, aber nicht siegfähigen Team sofort zu einem Top-Team aufgestiegen. Ich kann das gleiche schaffen.

Ändert es rückblickend irgendetwas für dich, dass du in der Formel 3 Max Verstappen geschlagen hast, den jüngsten Formel-1-Sieger in der Geschichte?
Esteban Ocon: Nein. Am Ende ist er auch nur ein Typ mit zwei Armen, zwei Beinen und einem Kopf.

Ocon: Kvyat war mein härtester Gegner

Du hast auch gesagt, dass der beste Fahrer, gegen den du je gefahren bist, Daniil Kvyat war.
Esteban Ocon: Nicht der beste, aber der härteste.

Was meinst du mit härteste?
Esteban Ocon: Er war immer schneller als ich. Da werde ich nicht lügen [lacht]. Es war aber mein erstes Jahr im Formel-Sport. Deshalb kann man es nicht vergleichen. Aber er war eindrucksvoll, als ich dort war.

Wie erklärst du dir dann, dass Kvyat für Verstappen Platz machen musste und bei Toro Rosso aktuell große Schwierigkeiten hat?
Esteban Ocon: Beide sind wirklich gute Rennfahrer. Ich hoffe auch, dass beide noch eine großartige Karriere haben werden. Daniil ist großartig und ich wünsche ihm das Beste. Die Position in der er war und vor allem in der er jetzt ist, ist nicht einfach.

Zurück zu dir: Wie zuversichtlich bist du, auch 2017 ein Cockpit in der Formel 1 zu haben?
Esteban Ocon: Wenn ich einen guten Job abliefere, kommt das automatisch. Darauf fokussiere ich mich im Moment. Ich mache mir deshalb aber keinen Extra-Druck. Ich schaue nur auf die nächsten Rennen.

Esteban Ocon testete auch schon für Mercedes, Foto: Sutton
Esteban Ocon testete auch schon für Mercedes, Foto: Sutton

Eine Frage, die vielleicht sehr einfach, vielleicht aber auch sehr schwer zu beantworten ist: Für wen fährst du hier bei Manor? Für Mercedes oder für Renault?
Esteban Ocon: Meine Karriere wird von Mercedes gemanagt und ich bin ein Renault-Fahrer. So ist es [lacht]. Mehr kann ich nicht sagen. Ich bin sehr glücklich, für beide arbeiten zu dürfen. Beide sind sehr gute Teams. Beide haben Rennen und Weltmeisterschaften gewonnen. Deshalb macht es mich stolz, dass mir diese beiden Team vertrauen.

Was würdest du deinen Fans raten: Sich ein gelbes oder ein silbernes Shirt zu kaufen?
Esteban Ocon: Halb-halb [lacht]. Und im Moment ein Manor-Shirt! Ja, sie müssen ein Manor-Shirt kaufen!

Die Situation im Team muss aktuell gut für dich sein. Wenn du langsamer bist, sagen die Leute, dass dein Teamkollege ja schon viel mehr Erfahrung hat. Wenn du schneller bist, dann sagen sie: Wow, der schlägt mit weniger Erfahrung Pascal Wehrlein.
Esteban Ocon: Ich weiß nicht, was die Leute denken. Für mich ist es wichtig, das Team zufriedenzustellen. Natürlich ist es hart, mitten in der Saison zu kommen. Ich habe weniger Erfahrung als er. Das sehen wir im Qualifying. Der letzte Schritt auf den Supersoft-Reifen ist immer hart für mich. Das macht die Dinge schwieriger. Er weiß, was er zu erwarten hat, ich nicht. Ich habe zuvor noch nie die Supersoft-Reifen gefahren. In FP1 nimmst du normalerweise immer die härteren Reifen her. Ich weiß, dass er sehr gut ist und ich muss sehen, was er macht, um mich dann selbst verbessern zu können. Ich sehe aber keine Rivalität. Ich sehe mir an, was er macht und lerne von ihm.

Esteban Ocon und Pascal Wehrlein kämpfen um ein Cockpit bei einem Top-Team, Foto: Sutton
Esteban Ocon und Pascal Wehrlein kämpfen um ein Cockpit bei einem Top-Team, Foto: Sutton

Wenn ich es ein bisschen hart formuliere: Ab wann zählt die Ausrede, dass er mehr Erfahrung in der Formel 1 hat, nicht mehr?
Esteban Ocon: Das weiß ich nicht. Je mehr ich fahre, desto besser fühle ich mich im Auto. Man kann nicht sagen, dass drei Trainingssitzungen genug sind, um sich daran zu gewöhnen. Sie hatten vor der Saison eine ganze Woche Testfahren. Und zwölf Grands Prix. Ich liege also bei der Erfahrung weit zurück. Je mehr ich fahren werde, desto besser werde ich.

Was ist besser für einen Fahrer: Ein Grand Prix oder eine Woche testen?
Esteban Ocon: Eine Woche testen. Man fährt mehr Runden und man kann Dinge ausprobieren. Die Testfahrten vor der Saison sind sehr wichtig. Man kann Dinge ausprobieren, die man hier nicht ausprobieren kann. Wenn man etwas falsch macht, dann beeinflusst das immer irgendetwas am Rennwochenende. Man muss konstant fahren, um Daten zu liefern und gleichzeitig dabei an seinem Fahrstil arbeiten. Wenn man beim Testen mal abfliegt, ist es nicht so tragisch, es zeigt es, dass man am Limit ist. Hier kann man das nicht machen.

Nach all den Verstappens, Sainz, Magnussens und Co. bist du ein Gegenbeispiel in der modernen Formel 1. Wie hast du es ohne diese Unterstützung geschafft, in die Formel 1 zu kommen?
Esteban Ocon: Mein Vater ist ein Mechaniker. Er hat mein Go-Kart gebaut. Wir haben das Go-Kart in einem Van rumgefahren und haben für Jahre in einem Wohnwagen gelebt. Bis dann die Gravity Academy kam und uns mit Geld unterstützt haben. Ich habe sofort alle nationalen französischen Titel gewonnen. Wir hatten Glück, dass die Academy gekommen ist. Wir waren am Ende, wir konnten uns keine Saison im internationalen Go-Kart leisten. Aus der Gravity Academy wurde das Lotus Junior-Programm bis 2014. Dann hat mich Mercedes geholt. Und ich hatte Glück, dass diese Programme gekommen sind, weil ich sonst nicht weiter Rennen fahren hätte können.

Weißt du, wie viel Geld deine Eltern für deine Karriere investiert haben?
Esteban Ocon: Ungefähr 9000 Euro, das war schon ein großer finanzieller Aufwand.

Macht es dich umso stolzer, nicht wegen deines Nachnamens in der Formel 1 zu sein?
Esteban Ocon: Auf jeden Fall! Das macht mich stolz, wir haben hart gearbeitet und jetzt zeigt sich, dass es nicht umsonst war. Es zahlt sich aus. Es war nicht einfach, weil ich kein normales Kinderleben hatte. Ich war quasi schon zu einer frühen Phase alt.