Renault-Teamchef Frederic Vasseur braucht ein dickes Fell. Wenn die Formel 1 am kommenden Donnerstag im Fahrerlager von Spa-Francorchamps wieder ihre Arbeit aufnimmt, erwartet ihn bis zum Sonntag immer und immer wieder die gleiche Frage: Wann fällt die Entscheidung über die Fahrerpaarung für 2017?

"Diese Frage wird uns so lange gestellt, bis wir die Fahrer bekanntgeben - und vielleicht sogar noch danach", sagt der Franzose mit einem Schmunzeln im Gesicht. Ein klares Bekenntnis zu seinen beiden aktuellen Fahrern Jolyon Palmer und Kevin Magnussen gibt er danach jedoch nicht ab. Stattdessen verweist er nur auf deren Motivation und die anstehende zweite Saisonhälfte.

"Wir werden aber sicher keine Entscheidung vor September treffen", fügt Vasseur an. Allerdings verschafft ihm das nur wenig Verschnaufzeit. Immerhin beginnt der September bereits am Donnerstag nach dem Belgien GP - also einen Tag vor dem ersten Training in Monza.

Magnussen & Palmer: Schlechte Karten für 2017

Die Chancen auf eine Fortführung der Zusammenarbeit mit dem wenig dynamischen Duo Magnussen/Palmer erscheint unwahrscheinlich. Böse Zungen im Paddock bezeichnen die Renault-Fahrerpaarung sogar als die schlechteste im gesamten Feld.

Natürlich haben beide Fahrer mit einem alles andere als konkurrenzfähigem Fahrzeug zu kämpfen, dennoch blieben sie hinter den Erwartungen zurück. Vor allem Magnussen, der bei McLaren einst als Wunderkind gepriesen wurde, lässt viel zu wünschen übrig. Sein Podestplatz im GP-Debüt scheint entgegen seinen Beteuerungen wohl eine Eintagsfliege gewesen zu sein. Aber auch Rookie Palmer macht alles andere als mit Heldentaten von sich reden. Maximal einer von beiden, wahrscheinlich aber wohl keiner von ihnen wird im nächsten Jahr im Renault sitzen. Welche Optionen gibt es dann aber noch?

Ocon, Sirotkin & Latifi: Nachwuchs im eigenen Stall

Esteban Ocon hat schon Testerfahrung im Renault, Foto: Sutton
Esteban Ocon hat schon Testerfahrung im Renault, Foto: Sutton

Renault pflegt ein eigenes Nachwuchsprogramm, das aktuell auch zwei Fahrer mit Formel-1-Erfahrung beherbergt. Der bekannteste Pilot dieses Trios ist Esteban Ocon. Renault teilt sich die Dienste des jungen Franzosen mit Mercedes, für die er bis vor der Sommerpause in der DTM unterwegs war. Ab Spa sitzt Ocon nun neben Pascal Wehrlein im Manor.

Sollte sich Ocon bei seinem F1-Debüt gut schlagen und gegen seinen deutschen Teamkollegen bestehen, könnte er schon im nächsten Jahr in ein besseres Team aufsteigen - nämlich ins Renault-Werksteam. Während Mercedes für seine beiden Junioren bis Ende 2018 kein freies Silberpfeil-Cockpit hat, könnte Ocon bei Renault zwei Jahre lang Erfahrung sammeln - bevor er dann vielleicht Hamilton oder Rosberg beerben könnte.

Die zweite Option im eigenen Haus ist der frühere Sauber-Testfahrer Sergey Sirotkin. Der Russe durfte in diesem Jahr schon den F1-Boliden für Renault testen und führt die Fahrerwertung der GP2 mit 113 Punkten punktgleich mit Red-Bull-Schützling Piere Gasly an. Mit zwei Siegen in Ungarn und Deutschland kam Sirotkin vor der Sommerpause gut in Fahrt. Wenn er diese Form aufrechterhalten und den Titel holen kann, erhält er möglicherweise eine Chance.

Für den dritten Renault-Testfahrer Nicholas Latifi sieht es hingegen eher düster aus. Der 21-Jährige liegt derzeit in seiner ersten vollen GP2-Saison nur auf Rang 15. Sein bestes Ergebnis war ein zweiter Platz in Barcelona. Eine Beförderung in die Formel 1 ist ausgeschlossen.

Massa, Button & Co: Erfahrene Recken

Welches Team hat Jenson Button im Blick?, Foto: Sutton
Welches Team hat Jenson Button im Blick?, Foto: Sutton

Die Alternative zum eigenen Nachwuchs sind erfahrene Recken wie Felipe Massa und Jenson Button. Beide werden von den Gerüchteköchen stetig mit Teamwechseln oder eben Rücktrittsgedanken in Verbindung gebracht. Sollte McLaren Stoffel Vandoorne nach seinem beeindruckenden GP-Debüt in Bahrain im nächsten Jahr zum Stammfahrer befördern, müsste Button weichen. Der Brite wird unterdessen bei Williams gehandelt, wo er Massa beerben könnte. Beide wären die sichere Lösung für Renault. Erfahren, aber eher am Ende als dem Anfang ihrer Karriere. Konstant, aber nicht mehr das letzte bisschen Feuer.

Auch Sergio Perez wird (trotz andersartiger Aussagen seines Teamchefs Vijay Mallya) immer wieder auf dem Fahrermarkt gehandelt - allerdings dürfte es ihn bei einem Abschied von Force India eher in Richtung Williams ziehen. Der Mexikaner hat sich in den vergangenen Jahren stark gemausert und überzeugt immer wieder mit sehr guten Leistungen und sogar Podestplätzen - von denen sein Teamkollege Nico Hülkenberg noch keinen vorzuweisen hat. Perez besitzt Erfahrung, Speed und gehört wohl zu den am meisten unterschätzten Piloten im Feld. Selbst Ferrari dachte schon über ihn nach. Für Renault wäre er eine gute Basis neben einem Jungspund wie Ocon. Bei Force India oder Williams hätte er 2017 kurzfristig gesehen aber wohl bessere Karten. Langfristig gedacht könnte das Werksteam aber eine bessere Option sein.

Eine durchaus interessante Variante ist auch Daniil Kvyat. Sollte Red Bull den nach seiner Degradierung demotivierten Russen bei Toro Rosso ersetzen - zum Beispiel durch Pierre Gasly -, wäre Kvyat aus Renault-Sicht sicher eine Überlegung wert. Mit der richtigen Unterstützung und dem nötigen Selbstbewusstsein ausgestattet, gehört Kvyat in den Kreis der Podestanwärter. Die Fahrzeugbeherrschung des jungen Russen sucht ihresgleichen. Falls er verfügbar wäre, sollte Renault definitiv über ihn nachdenken. Der Weg früherer Red-Bull-Junioren wie Jean-Eric Vergne oder Sebastien Buemi sollte Kvyat jedenfalls erspart bleiben. Er hat einen Platz in der Formel 1 verdient.

Redaktionskommentar: Wen würdest du wählen?

Sergio Perez gelangen schon einige Podest-Überraschungen, Foto: Sutton
Sergio Perez gelangen schon einige Podest-Überraschungen, Foto: Sutton

Motorsport-Magazin.com meint: Ja, gleich vorneweg: Dies ist eine Meinung, eine persönliche Einschätzung. Jeder mag zwei andere Fahrer bevorzugen. Aber wenn ich an der Stelle von Frederic Vasseur wäre, würde ich als erstes die beiden aktuellen Fahrer vor die Tür setzen. Magnussen und Palmer mussten leider die undankbare Aufgabe übernehmen, einen schlechten Renault in einem Übergangsjahr zu pilotieren. Das Zeug für eine große Zukunft in der F1 sehe ich aber bei beiden nicht.

Wer würde also bei mir die beiden Cockpits erhalten? Die erste Wahl ist ganz klar Esteban Ocon. Der Franzose wusste bislang bei seinen F1-Tests und Trainingseinsätzen zu überzeugen. Man hört nichts außer Lob über ihn. Klar, zunächst muss er sich in der zweiten Saisonhälfte bei Manor beweisen - aber das ist die perfekte Schule für ihn und eine super Bewährungsprobe für Renault.

An seiner Seite würde ich einen jüngeren Fahrer mit F1-Erfahrung verpflichten. So bitter es klingen mag, aber die Zeit von Massa und Button ist in meinen Augen abgelaufen. Gebt den Talenten eine Chance. Wenn er verfügbar wäre, würde ich es mit Daniil Kvyat versuchen. Er und Ocon würden sich gegenseitig fordern, so wie es Kvyat im vergangenen Jahr bei Red Bull schon mit Daniel Ricciardo bewiesen hat. Auch Perez wäre in dieser Kategorie anzusiedeln. Bei beiden ist unklar, wohin es sie verschlagen wird. Um sie zu kämpfen würde sich für Renault jedoch mehr als lohnen.

Aber das ist nur mein Tipp - ohne den Druck ein ganzes Formel-1-Team führen und finanzieren zu müssen. Deine Fahrerwahl kann komplett anders aussehen. Also, wen würdest du denn als Teamchef verpflichten?