Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Zumindest scheint dies für den kühlen Kimi Räikkönen und den heißen Bahrain International Circuit zu gelten. Zum bereits siebten Mal schaffte der Finne beim Wüstenrennen den Sprung auf das Podium, wenngleich ihm noch immer ein voller Erfolg fehlt. Doch jener zweite Platz, den er dank einer taktischen Meisterleistung diesmal herausfuhr, kam einem Sieg zumindest recht nahe.

Motorsport-Magazin.com analysiert den packenden Bahrain GP und verrät, wie Räikkönen das Rennen am Ende beinahe gewonnen hätte.

Überholkönig Rosberg

Räikkönen setzte bereits am Start ein erstes Ausrufezeichen. Während Lewis Hamilton und Sebastian Vettel die ersten beiden Positionen behaupteten, schob sich der Finne an Nico Rosberg vorbei und lag auf dem dritten Platz. Allzu lange sollte dieser Zustand aber nicht wehren, denn bereits in der vierten Runde holte sich der Deutsche die verlorene Position zurück.

Rosberg überholte die Ferraris mehrfach, Foto: Sutton
Rosberg überholte die Ferraris mehrfach, Foto: Sutton

In weiterer Folge zeigte Rosberg jene Tugenden, die er zuletzt viel zu selten an den Tag gelegt hatte, und überholte auch Vettel. Die Silberpfeile, die mit einem neuen Setup ausgestattet waren, hatten somit die Doppelführung inne, während Ferrari nicht in der Lage schien, dagegenhalten zu können.

Aufgrund dessen versuchte Vettel, Hamilton und vor allem Rosberg über die Strategie unter Druck zu setzen. Der Deutsche stoppte in Runde 13 als Erster und ließ neue weiche Reifen aufziehen. Rosberg kam nur einen Umlauf später an die Boxen, was Vettel allerdings genügte, um sich an seinem Landsmann vorbeizuschieben.

Die Strategie der Spitzenpiloten im Bahrain GP:

Fahrer1. Stint2. Stint3. Stint4. Stint
HamiltonSoft (15 R)Soft (18 R)Medium (24 R)-
RäikkönenSoft (17 R)Medium (23 R)Soft (17 R)-
RosbergSoft (14 R)Soft (20 R)Medium (23 R)-
VettelSoft (13 R)Soft (19 R)Medium (4 R)Medium (21 R)

Eine weitere Runde später kam Hamilton, der durch das längere Fahren auf den alten Reifen die Führung beinahe eingebüßt hätte. Der Vorsprung des Briten war erheblich geschrumpft, als er zurück auf die Strecke kam, er hatte bereits die sich duellierenden Vettel und Rosberg formatfüllend im Rückspiegel. Rosberg gelang es auch tatsächlich, Vettel am Ende von Start und Ziel abermals auszubremsen, sodass die Reihenfolge vor den Boxenstopps wieder hergestellt war.

Räikkönen fliegt auf den Mediums

Räikkönen setzte auf eine andere Reifen-Strategie, Foto: Sutton
Räikkönen setzte auf eine andere Reifen-Strategie, Foto: Sutton

Während das Spitzen-Trio für den zweiten Stint erneut weiche Reifen gewählt hatte, schlug Räikkönen eine andere Richtung ein. Der Finne lief in Runde 17 die Boxen an und bekam die härteren Medium-Pneus an den SF15-T geschraubt. Was danach folgte, sorgte an den Kommandoständen für Erstaunen.

Obwohl die Medium-Reifen laut Berechnungen von Pirelli eigentlich bis zu zwei Sekunden pro Runde langsamer als die weiche Mischung hätten sein sollen, fuhr Räikkönen deutlich schneller als Vettel und Rosberg und holte sukzessive auf. Teilweise war der Finne sogar schneller als Spitzenreiter Hamilton unterwegs. Hatte Räikkönen zu Beginn des zweiten Stints noch elf Sekunden Rückstand auf Vettel, waren es an dessen Ende nur mehr vier.

Einmal mehr war es Vettel, der den Undercut wagte und in Runde 32 die Serie der zweiten Boxenstopps eröffnete. Der Ferrari-Pilot griff gemäß des Reglements ebenso wie Hamilton und Rosberg zu den Medium-Reifen. Erneut gelang es Vettel, Rosberg an der Box zu überholen, der diesmal sogar zwei Runden später als er stoppte. Doch die Freude sollte wiederholt nur von kurzer Dauer sein.

Gehetzt von Rosberg kam der Heppenheimer in der letzten Kurve von der Strecke ab, beschädigte sich seinen Frontflügel und musste einen Not-Stopp einlegen. Schlussendlich stand für Vettel nur der enttäuschenden fünfte Platz zu Buche.

Die Box hat immer recht

Ferraris Hoffnungen ruhten somit auf Räikkönen, der seinen finalen Stopp noch vor sich hatte. Die große Frage lautete: Weich oder noch einmal Medium? Räikkönen selbst plädierte für die härtere der beiden Reifenmischungen, doch der Ferrari-Kommandostand entschied anders. "Wir haben Kimi gesagt, dass er unserer Strategie folgen soll", erklärte Teamchef Maurizio Arrivabene. "An einem bestimmten Punkt sagte er, dass er nicht überzeugt ist. Wir haben ihm dann aber gesagt, dass er genauso weitermachen soll, wie es besprochen war."

Räikkönen überholte Rosberg in der vorletzten Runde, Foto: Sutton
Räikkönen überholte Rosberg in der vorletzten Runde, Foto: Sutton

Diese Entscheidung sollte sich als goldrichtig erweisen. Räikkönen holte mit den gelben Reifen ausgestattet wie mit Siebenmeilenstiefeln auf Rosberg auf. Sein ursprünglich mehr als 16 Sekunden betragender Rückstand auf den Mercedes-Piloten schmolz wie Butter in der bereits untergegangenen Sonne Bahrains.

Zugutekam Räikkönen nicht zuletzt, dass Rosberg unter Bremsproblemen litt. Sein Break-by-wire-System versagte zusehends den Dienst, was sich in einem so genannten langen Bremspedal äußerte und schlussendlich einen Fahrfehler in Runde 56 zur Folge hatte. Räikkönen nutzte diesen eiskalt aus und setzte sich am Silberpfeil-Piloten vorbei. "Ich fuhr in Kurve eins einfach geradeaus und dadurch kam er vorbei", klagte der von der Technik im Stich gelassene Rosberg, der nicht glaubt, dass Räikkönen ihn ohne das Gebrechen passiert hätte. "Seine Reifen haben auch abgebaut und hatten keine Performance mehr."

Doch nicht nur Rosberg hatte mit verringerter Bremskraft zu kämpfen, selbiges galt auch für seinen Teamkollegen Hamilton. Räikkönen machte in der letzten Runde drei Sekunden auf den Spitzenreiter gut, für den das Rennen wohl maximal einen Umlauf länger hätte dauern dürfen. Ansonsten wäre die finnische Party in der Wüste tatsächlich perfekt gewesen - trotz Rosenwasser bei der Siegerfeier.

"Bei Kimi haben wir es genauso gemacht wie wir es am Morgen vorbereitet hatten", freute sich Ferrari-Boss Arrivabene diebisch über den aufgegangenen Strategie-Kniff, der von Rosbergs Technikpech entscheidend unterstützt wurde. "Wir sind manchmal auch intelligent! Oder wenn wir nicht intelligent sind, dann halt clever." Noch cleverer wäre es allerdings vermutlich gewesen, Räikkönen zwei Runden früher zum finalen Boxenstopp zu beordern. Dann wäre Hamilton wahrscheinlich gefallen.