Als Nico Rosberg vor etwas mehr als zwei Monaten in Malaysia dem Stallorderbefehl von Mercedes Folge leistete und brav hinter seinem Teamkollegen Lewis Hamilton blieb, obwohl er eigentlich hätte deutlich schneller fahren können, da bekam er von der vielen Seiten eine Menge Spott zu hören: Er sei eben doch nur "Britney", ein Mädchen – den Spitznamen hatten ihm englische Fahrerkollegen schon vor einigen Jahren wegen seines guten Aussehens und seiner blonden Mähne verpasst – in Anlehnung an Britney Spears.

Bei denen im Fahrerlager, die ihm grundsätzlich wohlgesonnen waren, machte sich mehr Sorge breit: Hatte Rosberg durch sein "Bravsein" seine Rolle als Nummer 2 bei Mercedes hinter dem neu eingekauften Superstar Lewis Hamilton selbst fest zementiert? Würde er von dem etwa exzentrischen Briten nun in jeder Hinsicht eindeutig in den Schatten gestellt, abgestempelt als ewige Nummer zwei, im Stile eines Mark Webber, Felipe Massa oder früher Rubens Barrichello oder David Coulthard?

Mehr als nur Worte

Rosberg vor Hamilton: Das hatten die wenigsten erwartet, Foto: Sutton
Rosberg vor Hamilton: Das hatten die wenigsten erwartet, Foto: Sutton

Doch nun passiert etwas, was in Formel-1-Kreisen recht erstaunlich ist. Auch generell sehr zynische Medienvertreter beginnen, dem gebürtigen Wiesbadener gegenüber quasi Abbitte zu leisten. Man habe sich da wohl doch verschätzt, Rosberg habe in den letzten Rennen gezeigt, dass seine Aussagen, er würde sich keineswegs mit der Rolle als Nummer zwei abfinden und sehe sich Hamilton gegenüber absolut gleichberechtigt, nicht nur schöne Worte waren, sondern dass er tatsächlich gegen halten kann. Der Sieg in Monaco, dazu zuletzt dreimal im Qualifying-Duell vor dem Briten, das schafft Fakten, die sich nicht wegdiskutieren und wegspötteln lassen.

Genauso die Tatsache, dass Hamilton selbst inzwischen zugibt, er müsse wohl noch härter arbeiten, um wieder an seinen Teamkollegen heranzukommen. Interessant: Obwohl der Weltmeister von 2008 als dreimaliger Montreal-Sieger als absoluter Spezialist für den "Circuit Gilles Villeneuve" gilt - wenn von Favoriten für den Sonntag die Rede ist, dann fiel im Vorfeld des Kanada-GP der Name Rosberg sogar bei vielen Experten, etwa bei Christian Danner, eher als der von Hamilton. Immer unter der Voraussetzung, dass Mercedes diesmal mit den Reifen zurechtkommen oder es auch im Rennen regnen sollte.

Dass die leidige Mercedes-Reifen-Testaffäre seinen Monaco-Sieg zumindest in der internationalen Wahrnehmung schon etwas überschattete, damit kann der Sohn des Weltmeisters von 1982, Keke Rosberg, schon leben. Vor allem, weil er persönlich ja selbst von allen seinen Fahrerkollegen aus der Kritik weitgehendst ausgenommen wird, auch niemand verlangt, nachträglich an diesem Sieg zu rütteln.

In Malaysia nahm Rosberg die Teamorder zähneknirschend hin, Foto: Mercedes-Benz
In Malaysia nahm Rosberg die Teamorder zähneknirschend hin, Foto: Mercedes-Benz

Marktwert gestiegen

Was für ihn wichtiger ist: Dass sich jetzt eine allgemeine Einschätzung ändert, die sich in den letzten drei Jahren so ein bisschen in einigen Köpfen festgesetzt hatte: Als Rosberg da eigentlich mehr oder weniger konstant Michael Schumacher in den Schatten stellte, obwohl der siebenmalige Weltmeister sicherlich das größere Vertrauen von Ross Brawn genoss, da hieß es immer: Na ja, so richtig viel sagt das ja noch nicht aus, schließlich weiß ja niemand, wie gut Schumi wirklich noch ist. Als dann Lewis Hamilton kam, vermuteten viele: Der wird Nico schon zeigen, was der wahre Maßstab ist – und sie fühlten sich bestätigt, als der Brite in den ersten Rennen doch erfolgreicher war, was allerdings auch einer ganzen Menge Pech bei dem Deutschen geschuldet war.

Jetzt hat der erst einmal den Spieß umgedreht. Und selbst wenn Hamilton in Kanada doch wieder einmal vor ihm landen sollte – Rosbergs Stellenwert im Fahrerlager hat sich in den letzten Wochen mit Sicherheit verändert. Was Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali ja prompt zu der Bemerkung veranlasste, er sei auch weiterhin natürlich ein Kandidat für ein Ferrari-Cockpit. Wobei das Interesse der Roten freilich nicht so ganz neu ist: Das existierte auch 2011 schon mal – ehe Nico bei Mercedes verlängerte.