Mit Spannung waren die ersten Runden auf dem neuen Pirelli-Prototypen erwartet worden. Nach schier endlosen Debatten sollte am Freitag in Montreal endlich ein geringfügig veränderter Reifen zum Einsatz kommen. Doch das Wetter machte der Formel 1 einen Strich durch die Rechnung. Im ersten Freien Training konnten lediglich in den letzten 15 Minuten auf Trockenreifen gefahren werden, im zweiten Freien Training stand mangels Zeit die Rennvorbereitung im Mittelpunkt.

Vettel fuhr keine Runde mit dem neuen Reifen, Foto: Sutton
Vettel fuhr keine Runde mit dem neuen Reifen, Foto: Sutton

Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner hält einen derartigen Test ohnehin für zweifelhaft. "Man kann meiner Meinung nach sowieso an einem normalen Freitag keinen Reifentest fahren, da beschäftigen sich alle mit ihrer Rennvorbereitung - und das ist auch richtig so", so Danner. Während Sebastian Vettel den neuen Reifen keine einzige Runde fuhr, kamen die meisten seiner Kollegen immerhin zu Kurzeinsätzen. Doch genaue Aussagen traute sich fast keiner zu. "Ich bin sie nur fünf Runden gefahren und die Bedingungen waren nicht besonders gut. Wir müssen sie viele, viele Runden fahren, um sie mit den anderen zu vergleichen", fasste Jean-Eric Vergne seinen Reifentest zusammen.

Teamkollege Daniel Ricciardo ging gegenüber Motorsport-Magazin.com mehr ins Detail. "Ich legte rund vier Runden damit zurück. Danach gingen wir auf den Prime - der schien nicht viel anders zu sein. Aber vier Runden sind natürlich nicht viel. Er schien aber vergleichbar zu sein." Doch nicht nur das Wetter, auch die Streckencharakteristik in Montreal scheint nicht perfekt für einen Reifentest geeignet zu sein, wie Pirelli Motorsportchef Paul Hembery einräumt. "Montreal ist eine schwierige Strecke. Es gibt hier keine hohen lateralen Kräfte."

Ricciardo stimmt zu: "Montreal ist eine einzigartige Strecke, aber selbst, wenn die Strecke passen würde, sollte man den Reifen mehr als nur einmal ausprobieren. Es ist recht schwierig, alle Daten zu sammeln." Die meisten Fahrer können nach den wenigen Kilometern ohnehin nur wenig Unterschied zum bisherigen Reifen feststellen. "Die neuen Reifen waren nicht schlecht. Sie waren sehr ähnlich zu dem normalen Medium. Wie gesagt, es war kein großer Unterschied", so Adrian Sutil. "Ich weiß nicht, was sie geändert haben. Er fühlt sich sehr ähnlich zu dem an, was wir bislang verwendet haben", pflichtet ihm Lewis Hamilton bei. Auch für Daniel Ricciardo waren keine nennenswerte Unterschiede spürbar.

"Ich spüre nicht wirklich einen Unterschied zwischen Prototyp und Prime. Die Rundenzeiten waren recht ähnlich, die Strecke hat sich zwar weiterentwickelt, aber es war sehr ähnlich." Entsprechend hat der Toro-Rosso-Pilot für den Fall, dass der neue Pirelli-Reifen bereits in Silverstone sein Renn-Debüt geben wird, keine Bedenken. "Wenn sie den Reifen in Silverstone einsetzen wollen, ist das okay für mich." Dass es zu diesem Szenario kommt, hält Christian Danner allerdings für unwahrscheinlich. "Ich glaube nicht, dass dieser Experimentalreifen je kommen wird. Es wird sich nichts ändern, es wird so weitergefahren wie bisher - und das Problem der Delamination kann Pirelli meiner Meinung nach auch lösen, ohne an der Reifenkonstruktion oder der Karkasse irgendetwas zu verändern."

Das Unmögliche: Der Konsens

Zeigte man sich bei Pirelli am Freitag noch zuversichtlich was die Zustimmung der Teams angeht, waren die Italiener am Freitag eher zurückhaltend. "Wenn es so weitergeht, verschieben wir es vielleicht bis Suzuka", scherzte Hembery, der auch von anderen möglichen Lösungen spricht. "Sobald wir die heutigen Ergebnisse analysiert haben, werden wir uns am Montag mit den Teams zusammensetzen und eine Entscheidung treffen. Wir schauen uns auch Prozess-Optimierungen und andere Klebstoffe an, nicht nur Designänderungen."

Die Problematik besteht weiterhin in der Tatsache, dass ein einziges Team die geplanten Veränderungen verhindern kann. Und so fürchtet sich beispielsweise Lotus weiterhin vor jeglichen Änderungen, könnte sich das Kräfteverhältnis doch zu Ungunsten des französisch-britischen Rennstalls entwickeln. Doch die Franzosen, die bereits in Spanien am lautesten über mögliche Änderungen klagten, sind nicht alleine, was die Angelegenheit nicht gerade unkomplizierter macht. "Unsere Situation sieht wie folgt aus: Wir haben eine große Anzahl an Teams, die keine Veränderung wollen und das mit Nachdruck kundtun. Ein oder zwei Teams wollen eine Änderung, die anderen nicht. Wir suchen nun nach dem schier Unmöglichen: einem Konsens."