Wer glaubt, er träfe einen mürrischen Mann, wenn er dieser Tage Mark Webber über den Weg läuft, der irrt. Bei seiner Ankunft in Kanada zeigte sich der Australier offen, locker und zu Späßen aufgelegt - von Frust über die aktuelle Situation in der WM ist beim Gesamtfünften nichts zu spüren... trotz 50 Punkten Rückstand auf Leader und Teamkollege Sebastian Vettel. Dass dieser nicht mehr einzuholen sei, glaubte Webber ebenso wenig wie, dass seine Tage in der F1 bereits gezählt seien. Dazu habe er in der jüngsten Vergangenheit noch zu gute Resultate abliefern können, fand der 36-Jährige. "Ich habe in den letzten Jahren jede Saison Rennen gewonnen - aber man will natürlich immer mehr, das ist die menschliche Natur", demonstrierte Webber Selbstbewusstsein. Dass er anders als seine Konkurrenten bei den Top-Teams noch kein Weltmeister sei, wollte er nicht übermäßig dramatisch sehen.

"Lewis könnte zum Beispiel mit mir hier stehen, wenn es damals in Brasilien in der letzten Runde ein bisschen anders gelaufen wäre", wies er auf Hamiltons Titelgewinn 2008 und den großen Einfluss von Glück und Pech in der Königsklasse hin. "So läuft es eben: Bei mir war es in Abu Dhabi [2010] dann auch knapp." Er werde aber nicht aufgeben. "Wir werden auch dieses Jahr noch einige unglaubliche Momente und tolle Duelle erleben... mit mir mittendrin." Webber stellte klar: "Genau das war ja schon immer mein Ziel, auch schon damals, als ich Australien verlassen habe, um in die Formel 1 zu kommen. Ich wollte mit den Besten der Besten kämpfen. Erfolg zu haben und auf dieser Ebene zu gewinnen, ist aber nicht so einfach - die Resultate werden hier ja nicht gerade verschenkt sondern man muss erst einmal alle anderen schlagen und das gilt ja nicht nur in Bezug auf die übrigen Fahrer sondern auch in Bezug auf alle anderen Teams."

Ein befriedigender Job

Mark Webber zeigt der Konkurrenz immer noch gerne seine Rücklichter, Foto: Sutton
Mark Webber zeigt der Konkurrenz immer noch gerne seine Rücklichter, Foto: Sutton

Für den Routinier stand fest: "Alle geben ihr Bestes - im Umkehrschluss macht es das aber auch zu so einem befriedigenden Job, denn wenn man ganz oben auf dem Podium steht, weiß man, was man geleistet hat. Zwar hat man manchmal auch Glück, aber im Normalfall ist das alles hart erarbeitet und dementsprechend erfüllt es einen dann auch mit Stolz." Dass die sensiblen Reifen der F1 dieser Tage etwas von dieser Magie geraubt hätten, glaubte Webber nicht - geändert hätten sich lediglich die Anforderungen. "Man braucht eben andere Fähigkeiten, auf die es dann ankommt, um damit gut umzugehen - das war aber schon immer so, egal ob bei den V10-Motoren oder den V8-Motoren, beim Nachtanken, beim Qualifying mit dem Einzelzeitfahren..." Über die Jahre hätte sich eben viel geändert. "Man muss immer wieder mit vielen neuen Szenarien klarkommen, mit denen man konfrontiert wird. Das konnte man auch zuletzt in Monaco sehen: Da habe ich schon angefangen auf meinen Reifensatz zu achten als ich in Kurve drei angekommen bin", scherzte Webber.

Monaco sei aber auch ein spezieller Fall gewesen. "Zum Teil haben wir da Rundenzeiten im GP2-Bereich gesehen, das war schon recht extrem", so Webber. Für die Fahrer sei das Fahren unter derlei Bedingungen heutzutage vor allem eines: "Strategisch. Es heißt von der Boxenmauer eigentlich nur noch: 'Das ist das Ziel, da müssen wir hinkommen. Kannst Du uns da bitte hinbringen? Wir brauchen diese und diese Zeit in der und der Runde...' Das hat sich schon sehr verändert, da gibt es überhaupt keine Frage", stellte der Australier fest. Als Beispiel für das dieser Tage seltener gewordene echte Racing nannte er seinen Zweikampf mit Hamilton in Bahrain. "So etwas würden wir aber wohl nie in Runde sieben oder so etwas machen, denn dann schneidet man sich in der modernen F1 nur ins eigene Fleisch."

In Kanada erwartete er nun aber schon allein auf Grund der Streckencharakteristik eine Menge Action. Dass Red Bull in Montreal noch nie gewinnen konnte, beunruhigte ihn nicht. "Wir hatten ein Jahr... ich glaube es war 2011, da waren wir auch in Monza und Spa mit unserem Low-Downforce-Paket sehr stark. Ansonsten waren diese Strecken, zu denen Kanada mit seinen langen Geraden ja auch gehört, aber noch nie unsere Stärke und das eigentlich dauerhaft, seitdem das Team so stark ist, wie es das seit 2009 nun ist." Laut Webber wäre die überraschend gute Performance 2011 also fast wie ein schwarzes Schaf gewesen. "Man darf aber nicht vergessen, dass das hier Gejammer auf hohem Niveau ist. Die meisten anderen Teams hätten die Resultate, die wir hier hatten, wohl trotzdem gerne genommen", so Webber, der sich erinnerte: "Vor zwei Jahren hatten wir hier sogar ein Doppelpodium, allein dieser Sieg fehlt uns eben noch."