Martin Whitmarsh, gleichzeitig Teamchef von McLaren und Vorsitzender der Formula One Team Association (FOTA) warnt vor einem Kollaps der Formel 1. Für einen gesunden Betrieb seien zehn bis elf Teams nötig, doch sieben von ihnen würden in Schwierigkeiten stecken. Kein gutes Haar lässt er außerdem an der Beteiligungsgesellschaft CVC, die mehr als die Hälfte des Geldes aus dem Sport herausziehe. Die jüngsten Abmachungen kämen nur den größeren Teams zu Gute. Zu den Kostentreibern gehören auch die neue Motorenformel sowie die angedachte Aufhebung des Testverbots.

"Die Formel 1 arbeitet in Krisenzeiten am besten, aber es ist eine Schande, dass wir erst eine Krise heraufbeschwören müssen, mit der wir dann umgehen", poltert der 55-Jährige im Guardian. Die jetzige Situation sei eine Bedrohung für den Sport. "Dieser Sport braucht zehn bis elf Teams und wir sollten darum kämpfen, die elf Teams, die wir jetzt haben, zu halten. Aber wir sind nicht gerade gut in diesen Dingen. Wir scheinen hier einen üblen Fehler zu begehen." Whitmarsh gibt offen zu, dass er eine Existenzkrise befürchte, die die Formel 1 bewältigen müsse. "Ich kann nicht sehen, wie sie [die sieben kleineren Teams] ein nachhaltiges Business-Modell auf die Beine stellen sollen."

Ganz schlecht weg kommt bei ihm die Besitzergesellschaft der Formel 1, die CVC Capital Partners: "Ich denke, die haben einen absolut grauenhaften Job gemacht", stellt er der Gesellschaft ein katastrophales Zeugnis aus und setzt noch einen drauf: "In meinen Augen sind sie das Schlimmste, was der Formel 1 je passiert ist." Damit steht er nicht alleine: Force Indias stellvertretender Teamchef Bob Fernley sagte zu Saisonbeginn dasselbe. Auf der kommerziellen Seite liegt ohnehin einiges im Argen: Der geplante Börsengang der Formel 1 in Singapur wurde mehrfach verschoben und die drohende Anklage gegen Bernie Ecclestone droht, diesen weiter nach hinten zu schieben.

Neue Motorenformel richtig, aber teuer

Die Teams haben gerade erst erreicht, die CVC zu überreden, ihnen 60 Prozent der Einnahmen statt der bisherigen 47,5 Prozent zuzugestehen. Allerdings kommen diese vor allem den größeren Teams zu. Obwohl sein Team McLaren neben Red Bull, Ferrari und Mercedes dazugehört, fordert Whitmarsh mehr Gerechtigkeit: "Es sollte eine gerechtere Verteilung geben." Und der nächste Torpedo ist bereits im Anmarsch: Die neue Motorenformel stellt die Teams vor neue, kostenintensive Herausforderungen: 15 Millionen Dollar werden pro Saison kalkuliert, Tendenz nach oben.

Marussia ist eines der am härtesten betroffenen Teams, Foto: Sutton
Marussia ist eines der am härtesten betroffenen Teams, Foto: Sutton

Insgesamt, rechnet der McLaren-Teamchef vor, wird die Formel 1 für die neuen Triebwerke in den kommenden sieben Jahren 1,155 Milliarden Dollar für die Triebwerke ausgeben. "Sie [die neuen Motorenregeln] sind in vielerlei Hinsicht das Richtige. Sie sind technisch interessant und für die Gesellschaft relevant." Allerdings habe die Formel 1 die Kosten völlig falsch eingeschätzt, kritisiert er. "Wir haben die Ingenieure von der Leine gelassen, was bedeutet, dass die Teams jetzt die Rechnung bezahlen müssen. In den letzten Jahren haben wir die Kosten [für die Motoren] auf unter 10 Millionen pro Jahr gedrückt und jetzt reden wir über das Doppelte. Das und die anderen Kosten sind die Herausforderung, vor der wir stehen."

Die Kostenspirale gehe noch weiter: Die FIA hat die Gebühren für die Superlizenz, die die Fahrer zum Start in der Formel 1 berechtigt, massiv angehoben, was mit 7 Millionen Dollar pro Jahr zuschlägt. Die angedachte Aufweichung des Testverbots würde Kosten in Höhe von 770 Millionen Dollar über die kommenden sieben Jahre verursachen. Die Kosten für den Reifenhersteller beziffert Whitmarsh auf 105 Millionen über die nächsten sieben Jahre. Interessanterweise redet er weiter von Pirelli, obwohl die Italiener erst kürzlich mit dem Rückzug gedroht hatten.

Wer bezahlt die 2 Milliarden?

Insgesamt fielen in den kommenden sieben Jahren zusammen genommen 2 Milliarden Dollar zusammen, von denen keiner wüsste, wie sie bezahlt werden sollen, lautet das Ergebnis seiner Rechnung. "Alles, was wir momentan machen, treibt die Kosten in die Höhe", beschwert sich der Engländer, der gleichzeitig auch den Teams selbst eine Mitschuld gibt: "Es gibt keine Initiative, die Kosten zu reduzieren. Wenn wir uns nicht endlich auf den Hosenboden setzen und das Problem angehen, werden wir Teams verlieren." Und nahezu alle Teams seien betroffen. "Man glaubt nicht, wie abgehoben wir sind", beklagt er sich.

Als jüngstes Beispiel nennt Whitmarsh die geplante Wiedereinführung von Testfahrten während der Saison. "Wenn wir das machen, bedeutet das eine massive Kostensteigerung. Aber man schaue sich unsere tägliche Arbeit an: Brauchen wir wirklich Windkanäle, die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche arbeiten?" Es werde immer schwieriger, merkt er an, und er ist nicht alleine. Graeme Lowdon, der Geschäftsführer von Marussia, wirft ein: "Fluktuationen bei den Einnahmen und steigende Kosten sind ein Rezept für ernsthafte Probleme. Wenn es keine Beschränkungen gibt, wird das eine Angelegenheit verschwenderischer Ausgaben."

Die FIA wiederum spielt den Teams selbst den schwarzen Peter zu: "Die FIA hat das Ressource Restriction Agreement (RRA) unterstützt, aber das Abkommen ist gescheitert, weil die Teams sich nicht einigen konnten", sagt ein Sprecher gegenüber dem Guardian. In der Tat haben die Teams ihr Ziel, die Kosten "auf das Niveau der frühen 1990er-Jahre" zu reduzieren, um Längen verfehlt. Die Motorenkosten seien eine Angelegenheit zwischen den Teams und den Herstellern, so der Sprecher weiter. Die Einschreibegebühren hätten sich lange Zeit nicht geändert und die jüngste Anhebung sei nötig gewesen, um die Rennen weiter ausrichten zu können.