Seit 2004 ist die Formel 1 nun in Shanghai - zumindest optisch hat sich einiges verändert. Früher fuhr man zu der Strecke am Nordrand der Stadt, etwa 80 Kilometer vom internationalen Flughafen Pudong entfernt, Kilometer um Kilometer durch Ödland. Heute reichen die Wohnsiedlungen und Industrieparks praktisch direkt bis an den vom Aachener Streckenarchitekten Hermann Tilke entworfenen Kurs heran.

Zumindest auf diese Weise ist die Formel 1 sozusagen in China tatsächlich in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Die chinesischen Veranstalter betonen zum zehnjährigen Jubiläum natürlich immer gern, dass das auch im übertragenen Sinne der Fall sei. Wie sich doch in dieser Zeit auch der Motorsport allgemein im Land weiterentwickelt, das Interesse daran gesteigert habe. Als Musterbeispiel muss dafür Ma Quin Hua herhalten, der mit seinem Freitagseinsatz für Caterham als erster Vertreter seines Landes bei einem offiziellen Event in seiner Heimat ein Formel-1-Auto bewegen durfte.

Ma Quin Hua im Caterham, Foto: Sutton
Ma Quin Hua im Caterham, Foto: Sutton

Was er zwar halbwegs ordentlich ohne größere Fehler tat, aber immerhin mit 1,5 Sekunden Rückstand auf den Vorletzten, seinen Teamkollegen Giedo van der Garde. An Selbstbewusstsein mangelt es Ma trotzdem nicht. Er erzählt die gleichen Geschichten, wie gut es doch insgesamt um den chinesischen Motorsport-Nachwuchs bestellt sei, was da wachse, dass er sich durchaus vorstellen könne, dass es einmal einen chinesischen Grand-Prix-Sieger geben könne. Und ja, er hoffe schon, "dass ich das sein kann." Sein Bekanntheitsgrad bei seinen Landsleuten steige jedenfalls rapide, in seiner Heimatstadt Shanghai habe er inzwischen schon Probleme, in Ruhe in der City unterwegs zu sein.

Winfried Matter, über Jahrzehnte ein Begriff als Teamchef im deutschen Motorsport vor allem in Nachwuchskategorien, seit 2003 in Shanghai, um hier am Aufbau einer chinesischen Motosportsszene mitzuwirken, grinst da nur: "Der war einer von dreien, die ich 2004 nach Japan in die Formel BMW geschickt habe - und von denen war er dann mit Abstand der Schlechteste." Mas Vater betreibt in der Stadtmitte von Shanghai eine Kartbahn - das heißt auf chinesische Verhältnisse umgelegt: Entweder er hat sehr viel Geld, beste politische Beziehungen oder beides. Eines Tages tauchte dort ein sehr reicher Chinese mit seinem Sohn zum Kartfahren auf.

Den Jungen, der in England in die Schule geht, habe Ma sich gegriffen, sich zu seinem Mentor erklärt, sei mit ihm zum Kartfahren gegangen - und daraufhin habe offenbar dessen Papa die Millionen locker gemacht, mit denen Ma sich als dritter Fahrer bei Caterham einkaufen konnte. Matter will in Zukunft sogar den Begriff "Motorsport" aus dem Titel seiner Consulting Firma herausnehmen, sich auf andere Bereiche rund um Auto-Events konzentrieren: "Weil das mit dem Motorsport nichts bringt - es interessiert die Leute hier absolut nicht."

Sicher, da kämen ein paar Reiche für 5000 Dollar mal in den Paddock Club, "aber auch nur, um sich zu präsentieren, mal zu gucken und zu schauen, und auch zu zeigen dass man es sich leisten kann." So glaubt Matter auch nicht an die - auch von Bernie Ecclestone - immer wieder aufgestellte Theorie über die große Wichtigkeit der Formel 1 hier für Automobilhersteller und Sponsoren. Da würde sich auch sehr viel schön geredet, was Werbewirsamkeit und tatsächliche Reichweiten angehe: "Was keinen wirklich interessiert, bewirkt auch nichts."

Eine kleine Umfrage, bei den englischsprachigen Mitarbeitern im Pressezentrum in Auftrag gegeben: Fragt doch mal so bei euren Freunden und Bekannten, welche deutschen Sportler sie kennen. Das Ergebnis, streng statistisch sicher nicht repräsentativ, aber doch vielsagend: Kein Schumacher, kein Vettel, auch kein Dirk Nowitzki oder Boris Becker - nein, mit Abstand an der Spitze: Tischtennisspieler Timo Boll! Nationale kulturelle Traditionen und Vorlieben lassen sich eben doch nicht so einfach verändern...