Das dritte Rennen des Jahres steht vor der Tür. Die beiden Trainings zum Großen Preis von China lieferten zumindest einen ersten Vorgeschmack auf die Kräfteverhältnisse in Shanghai. Motorsport-Magazin.com erklärt, welche Teams die besten Karten haben und wo noch Nachholbedarf besteht.

Red Bull

Mit Dominanz konnten Sebastian Vettel und Mark Webber diesmal nicht glänzen. Im 1. Training ordneten sich die beiden Red Bulls hinter Mercedes an der Spitze ein. Nachmittags - als Longruns auf dem Programm standen - fehlte beiden etwas die Pace. "Ich hatte nachmittags ein paar Probleme und der Abstand zu den Jungs an der Spitze war etwas größer als wir es gern gesehen hätten", sagte Vettel nach Platz zehn. Von einem Desaster wollte er aber nicht sprechen. Teamkollege Webber klang etwas optimistischer nach P5, doch es stünde noch eine Menge Arbeit an.

Vettel: Nocht nicht ganz bei der Musik, Foto: Sutton
Vettel: Nocht nicht ganz bei der Musik, Foto: Sutton

Klar ist: Mit einem Spaziergang von Red Bull ist nicht mehr zu rechnen, Vettel und Webber müssen kämpfen - nicht nur gegeneinander... Im Qualifying dürfte sich im Vergleich zu Malaysia jedoch nicht allzu viel ändern: Die Pole führt über Red Bull, namentlich Vettel. Auf der schnellen Runde ist der RB9 immer noch eine Macht. Einziger Wehrmutstropfen: In Shanghai dürften mindestens drei Stopps im Rennen wieder an der Tagesordnung liegen, die Wichtigkeit der Startposition nimmt entsprechend ab.

Mercedes

Besser hätte es in Shanghai nicht losgehen können für die Silberpfeile: Nico Rosberg und Lewis Hamilton teilten sich im 1. Training die beiden Spitzenplätze. Nachmittags fiel Mercedes leicht ab, Rosberg belegte P4, Hamilton war Siebter im Zeitentableau. Als Ziel hat das Team eine Podiumsplatzierung ausgegeben, vom Sieg will noch keiner sprechen. Zuletzt waren die Silberpfeile fast auf Augenhöhe mit Red Bull, was für das dritte Rennen der Saison zuversichtlich stimmt. Der F1 W04 verfügt über eine richtig starke Pace. Ein größeres Problem könnten die Reifen darstellen: Die meisten Fahrer beklagten sich über extremen Abbau der weichen Mischungen, doch bei Mercedes war das Klagen besonders groß. Rosberg: "Mann oh Mann, meine weichen Reifen sind nach einer halben Runde völlig auseinander gefallen."

Vorteil Mercedes: In China werden - im Gegensatz zu den meisten anderen Strecken - vor allem die Vorderreifen beansprucht, der silberne Bolide kränkelte jedoch zumeist auf der Hinterachse. Auf jeden Fall gehen Rosberg und Hamilton allein wegen der Statistik mit breiter Brust ins weitere Rennwochenende: Rosberg führte in den vergangenen drei Rennen und feierte in China 2012 seinen ersten F1-Sieg. Hamilton ist der einzige Pilot, der in der neunjährigen Shanghai-Geschichte bereits zweimal gewinnen konnte.

Ferrari

Nicht Fernando Alonso, sondern Felipe Massa stand bei Ferrari einmal mehr im Mittelpunkt: Der Brasilianer sicherte sich am Freitag die absolute Bestzeit und verwies die Konkurrenz im 2. Training deutlich auf die Plätze. Euphorie pur bei Massa, obwohl es um nichts Zählbares ging. "Die Rennsimulationen mit dem Medium-Reifen waren super", sagte er bei Motorsport-Magazin.com. "Am Anfang, mit den Medium-Reifen, war das Auto gar nicht so überragend - aber kaum haben wir die weichen Pneus drauf gemacht, war es wahnsinnig gut. Das war wirklich unglaublich."

Massa kommt immer mehr in Fahrt, Foto: Sutton
Massa kommt immer mehr in Fahrt, Foto: Sutton

Massas Top-Zeit sowie Alonsos Platz drei im 2. Training zeigen: Ferrari könnte im Qualifying eine entscheidende Rolle spielen, der Ferrari ist auf der kurzen Distanz bei der Musik. Geht es nach Christian Danner, können sich die Tifosi auf ein erfolgreiches Wochenende einstellen. "Es riecht sogar ein bisschen nach Ferrari-Sieg - und warum auch nicht", so der Motorsport-Magazin.com-Experte. Entscheidend wird sein, ob Ferrari für das Wochenende das richtige Setup findet: Am Freitag testeten Alonso und Massa zahlreiche Updates und tauschten zwischen den Trainings immer wieder Teile aus.

Lotus

Kurioses spielte sich wieder einmal bei Lotus ab: Während Kimi Räikkönen im 2. Training die zweitschnellste Rundenzeit fuhr, hatte Romain Grosjean Probleme ohne Ende. Erstmals hatte der Franzose das gleiche Auspuffsystem am Auto wie sein Teamkollege - der falsche Schritt? "Wir testeten heute Morgen die neuen Updates und es war schrecklich", so Grosjean, der aber noch deutlich schlimmeres erkennen musste: "Als wir dann wieder auf die letzten Renneinstellungen zurückgingen, war es noch schlechter."

Schon wieder hatte Grosjean extreme Schwierigkeiten mit der Downforce seines E21-Boliden, zum dritten Mal am dritten Rennwochenende des Jahres. Klingt danach, als ob Lotus voll auf Räikkönen setzten müsste. Interessant: Der Finne sah nicht nur bei den Longruns ordentlich aus, sondern hinterließ auch auf den weichen Reifen einen starken Eindruck. Laut eigener Aussage habe er keine allzu großen Probleme mit dem Reifenverschleiß gehabt - das lässt für das Rennen hoffen. "Wir hatten etwas Graining, aber wir scheinen auf den weichen Reifen weit weniger Probleme zu haben als auf den härteren", so Räikkönen.

McLaren

McLaren macht es aktuell nicht leicht, sie noch zu den Top-Teams zu zählen. Die Designprobleme konnte das Team auch nach der dreiwöchigen Pause nicht beheben. Das Gefühl im Auto sei immer noch das gleiche, meinte Jenson Button, der in beiden Trainings Sechster wurde. Eine überarbeitetes Abgassystem und neue Seitenkästen sollten helfen, doch Zuversicht hört sich anders an. Sergio Perez: "Ich habe noch kein Vertrauen in das Auto, morgen beginne ich wieder bei null." Sein Ausritt in die Streckenbegrenzung dürfte sein Selbstvertrauen mit dem Chrompfeil nicht unbedingt gesteigert haben.

Button brachte McLarens aktuelle Verfassung auf den Punkt: "Aller Voraussicht nach reicht es nicht aus, um direkt mit den Top-Teams mitzuhalten, das ist schade." Die Reifen sind das eine Problem, das Auto an sich das andere: Es fehlt schlichtweg die Pace, um mit Red Bull und Co. mithalten zu können. Sollte nicht über Nacht ein Wunder geschehen, werden die Briten sich wohl mit der Rolle des fünftstärksten Teams anfreunden müssen - wenn überhaupt.