Dass das Jahr 2012 ob seines Umbruch-Charakters für Toro Rosso kein einfaches werden würde, war im Vorhinein klar - mit Sébastien Buemi und Jaime Alguersuari hatte man nach drei respektive zweieinhalb Jahren die erfahrenen Stammpiloten vom Hof gejagt und auf die Jugend gesetzt, ganz im Sinne der Teamphilosophie, hat sich STR auf Wunsch von Red-Bull-Boss Didi Mateschitz doch in erster Linie als Kaderschmiede und Ausbildungstruppe für den großen Bruder zu sehen. Mit Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne holte man zwei vielversprechende Talente ins Boot - dass diese Zeit zum Lernen benötigen würden, war klar - dass der STR7 ihnen das Leben dabei bisweilen so schwer machen würde, nicht unbedingt.

Erst ab dem Großen Preis von Belgien gab STR so richtig GAS, Foto: Sutton
Erst ab dem Großen Preis von Belgien gab STR so richtig GAS, Foto: Sutton

Teamchef Franz Tost hatte vor der Saison Platz fünf bei den Konstrukteuren als Idealziel ausgegeben - dieses verpasste man um Welten, stand am Ende doch nur Rang neun zu Buche: Selbst im Vergleich zum bereits wenig prickelnden Vorjahr ein Rückschritt. Unterm Strich kann die Saison 2012 der Scuderia also wenig positiv bewertet werden. Zwar ging das Jahr mit zwei aufeinanderfolgenden Punkteankünften in Australien und Malaysia noch denkbar gut los - auch endete es mit einer klaren Leistungssteigerung zu Saisonende - was die Truppe aus Faenza dazwischen jedoch zum Teil ablieferte, war mehr als enttäuschend. So richtig los ging die Saison für Toro Rosso eigentlich erst im September beim Großen Preis von Belgien, immerhin schon dem zwölften WM-Lauf.

Das Team: Grausig war das, was man in den neun Rennen vor dem Auftritt in Spa zustande brachte - nämlich nichts Zählbares. Volle fünf Monate blieb STR heuer punktelos in der Formel 1 - eine vergleichbare Durststrecke hatte das Team schon seit 2009 nicht mehr zu verzeichnen. Besonders schwer machte es den Italienern das enge und hart umkämpfte Mittelfeld der Saison 2012. Was bei den Zuschauern für spannende Rennen sorgte, bereitete den Machthabern bei Toro Rosso schlaflose Nächte, denn bei den Entwicklungsschritten der Konkurrenzfahrzeuge von Sauber, Williams und Force India konnte man in den ersten Monaten der Saison bei weitem nicht mithalten - mehr und mehr geriet man ins Hintertreffen, zündende Ideen waren parallel akute Mangelware.

Dass der erste personelle Paukenschlag daher nicht lange auf sich warten ließ, war vor diesem Hintergrund keine große Überraschung. Nach dem Grand Prix in Silverstone wurde mit Technikdirektor Giorgio Ascanelli eine leitende Schlüsselfigur beurlaubt. Sonderbar waren jedoch die Umstände der Trennung, die sich spätestens beim darauffolgenden Lauf in Hockenheim zur Farce entwickelte. Nachfragen zu den Gründen für die personelle Veränderung wurden seitens des Teams nicht beantwortet, den jungen Piloten, so schien es, in Bezug auf die Causa Ascanelli ein Maulkorb verhängt. Konkretes über den Ablauf des Abgangs des Italieners wurde nie verkündet.

Das heizte im Umkehrschluss die Spekulationen an und unter Experten galt bald als sicher, dass es sich um strittige Strategieentscheidungen und vor allem große Unstimmigkeiten in Bezug auf die weitere Entwicklungsrichtung des Autos gehandelt habe, die zum Rauswurf führten. Mit Ex-Sauber-Technikchef James Key konnte das Team dann zwar einen hoch dekorierten Nachfolger präsentieren - diesen jedoch auch erst über zwei Monate nach der Beurlaubung Ascanellis. Dass auch abseits der Piste und der Personalentscheidungen nicht alles glatt lief, demonstrierte dann ein bedauernswerter Vorfall im Werk in Faenza Anfang Oktober: Bei einem Unfall mit einem Gabelstapler wurden zwei Mitarbeiter durch einen Stromschlag ernsthaft verletzt und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.

Der Name ist Programm: Schlüsselfigur Key, Foto: Sutton
Der Name ist Programm: Schlüsselfigur Key, Foto: Sutton

Das Auto: Der große Wurf war der STR7 zweifelsohne nicht. Von großen Innovationen war am Boliden von Beginn an nichts auszumachen - wohl ein klares Eingeständnis der beschränken Mittel des ehemaligen Minardi-Teams. Besonders die mangelnde Traktion bereitete den Piloten in der ersten Saisonhälfte großes Kopfzerbrechen. Auch bei der Auspuffentwicklung wurde scheinbar lange Zeit in die falsche Richtung gearbeitet, denn die Power des Ferrari-V8-Motors konnten die Ingenieure nicht auch in die dementsprechende Beschleunigung umsetzen. Dabei war die spezifische Leistungsschwäche unabhängig von der jeweiligen Strecke oder auch den äußeren Bedingungen, was als weiterer Indikator für die allumfassenden Probleme am Paket gesehen werden durfte. Erst als mit Key wieder ein fähiger Technikleiter an Bord war, konnten die Probleme exakt beziffert werden, so schien es.

Der Engländer und sein geschultes Auge stellten mit Blick auf den STR7 jedenfalls fest: "Das Paket ist in Ordnung und aerodynamisch arbeitet das Auto sehr effizient. Es gibt aber einige Dinge, die wir in Zukunft noch verbessern können, wie zum Beispiel die mechanische Seite und die Balance des Boliden." Dass sich 2013 etwas verändern muss, findet auch Besitzer Didi Mateschitz. Der Österreicher erklärte im Anschluss an die eher ernüchternde Saison für sein zweites Team: "Deutliche Verbesserungen sind gefordert und müssen gefunden werden." Mit gerade einmal 26 WM-Punkten auf dem Abschlusskonto eine verständliche Einschätzung des Geldgebers, der gleichsam den Druck auf seine Mannen erhöhte. Negativ fiel des Weiteren auf, dass bei Vergne in Monza und Austin gleich zweimal die Radaufhängung brach, was zumindest in Italien zu einem heftigen Abflug führte.

Derartige Technikpannen dürfen in der modernen F1 eigentlich nicht mehr passieren und müssen abgestellt werden. Performancemäßig war bis auf den einen großen Leistungsschub nach dem Spa-Wochenende, als die Truppe erstmals ein größeres und zielführendes Updatepaket mitbrachte, nicht zu erkennen, dass sich der Wagen im gewünschten Tempo und in die richtige Richtung weiterentwickelte. Diesbezüglich pflichtete auch Ricciardo Mateschitz bei, nicht jedoch, ohne auch sich selbst und das Team mit in die Pflicht zu nehmen. "Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Schritt nach vorne machen werden, denn bei allem Respekt für das, was wir 2012 geschafft haben: Wir haben noch viel Raum, um uns zu verbessern", so der Australier ehrlich.

Aller Anfang ist schwer: Die Youngster konnten den STR7 nicht immer unbeschädigt zurück an die Box bringen, Foto: Sutton
Aller Anfang ist schwer: Die Youngster konnten den STR7 nicht immer unbeschädigt zurück an die Box bringen, Foto: Sutton

Die Fahrer: Die Bescheidenheit des 23-Jährigen in allen Ehren - aber er machte im Team noch mit den besten Job, wenngleich auch beim vor einigen Jahren bereits als Jahrhunderttalent hochgelobten Mann aus Perth die ganz großen Glanzlichter ausblieben. Beweis seines im Rennen oftmals durch das Auto gehemmten Potenzials war beispielsweise das Vordringen in Q3 im Melbourne- und Bahrain-Qualifying. Überhaupt war das Zeittraining die Disziplin, in der Ricciardo sich 2012 am meisten Beachtung verdiente. Das interne Qualifying-Duell gegen Vergne gewann er mit 16:4 - ein überragender Wert. Vergne fiel hingegen am Samstag eher negativ auf, scheiterte oft schon in Q1. Damit schmälerte er logischerweise seine Chancen im Rennen.

Mit dem Auto der ersten Saisonhälfte war dies aber eigentlich ohnehin egal, stand vor der Sommerpause pro Fahrer doch jeweils nur ein mickriges Punkteresultat und eine blamable Durststrecke von neun Nullrunden in Folge zu Buche. Bei der Rückkehr nach Belgien platze dann endlich der Knoten. Mit Platz neun für Ricciardo und Platz acht für Vergne holten die Fahrer die erste von zwei doppelten Punkteausbeuten im Jahr - in Korea sollte, in der gleichen Reihenfolge, die zweite folgen. Bei immerhin sechs der letzten neun Grands Prix fuhr ein Bolide der Scuderia in die Top-10. Im Vergleich zum ersten Teil der Saison eine mehr als deutliche Steigerung. Big Points blieben allerdings eklatante Mangelware - über P8, den Vergne gleich viermal einfuhr, kam die Truppe heuer nicht hinaus.

Trotzdem hielt der Franzose am Ende seiner durchwachsenen Rookie-Saison fest: "Ich fühle mich jetzt viel stärker und ich weiß, dass ich im Verlauf des Jahres ein besserer Fahrer geworden bin." Die Teamführung sah es scheinbar ähnlich, denn bereits gut einen Monat vor Saisonende wurden beide Piloten vom Team für kommende Saison bestätigt. Diese Maßnahme, die zeitgleich auch frühzeitig den Druck herausnehmen sollte, bewies zudem, dass es sich bei der Aufbauarbeit beider Piloten um Langzeitprojekte handelt. Klar ist aber auch, dass im Juniorenprogramm von hinten die Youngster nachdrücken - wer 2013 nicht spurt, wird es wohl spätestens gegen Saisonende mit Antonio Felix da Costa zu tun kriegen, dem nächsten Talent, das sich mit Red-Bull-Unterstützung gerade den Weg nach oben, in Richtung F1 und vor allem zu Toro Rosso bahnt.

Pro: Am Fakt, dass 2012 eine schwache Toro-Rosso-Saison war, gibt es kein Vorbeikommen. Allerdings auch nicht daran, dass die Formkurve der jungen Truppe am Ende des Jahres ganz deutlich in die richtige Richtung zeigte. So lässt sich die Hoffnung für 2013 vornehmlich auf drei Paar Schultern verteilen: Auf die der beiden Fahrer, die nun erfahrener sind und sich weiter steigern sowie Kontinuität in ihre Ergebnisse bringen sollten. Und auf die von James Key, der in Faenza der neue große Hoffnungsträger ist. Zuletzt zeichnete der Techniker für den erfolgreichen Sauber C31 verantwortlich. Für die STR-Zukunft ist das ebenso ein gutes Zeichen, wussten die Schweizer mit ihrem Paket heuer doch das ein oder andere Mal positiv zu überraschen. Sind die Kinderkrankheiten erst einmal ausgemerzt, ist dem Team der Sprung zurück ins vordere Mittelfeld durchaus wieder zuzutrauen.Frederik Hackbarth

Contra: Es war klar zu sehen, dass Toro Rosso in der zweiten Saisonhälfte Fortschritte machte, schließlich holten sie 77 Prozent ihrer Punkte ab dem Belgien GP. Dennoch ist von einer Steigerung im Vergleich zu 2011 nichts zu sehen gewesen. Stattdessen holte das Team aus Faenza 15 Punkte weniger als noch im Vorjahr. Eine große Baustelle war auch das Qualifying, denn es kann nicht der Anspruch des Teams sein, in neun von 20 Qualifyings bereits in Q1 ein Auto zu verlieren und sich manchmal sogar hinter einem Caterham oder Marussia einzureihen. Für die kommende Saison kann man Toro Rosso nur wünschen, dass die beiden Piloten ihre 2012 gewonnenen Erfahrungen auch in Ergebnisse umwandeln und der konstante Sprung ins Mittelfeld wieder gelingt. Marion Rott