Als Kind wollte sie unbedingt Astronautin werden - in einer von Männern dominierten Hightech-Branche ist sie jetzt auch gelandet, wenn auch auf ein paar Umwegen. Monisha Kaltenborn ist die einzige Frau in einer Führungsposition in der Formel 1 - und das ausgerechnet in der konservativen Schweiz. Die Anwältin mit indisch-österreichischen Wurzeln, die in Wien aufwuchs, ist seit Donnerstag offiziell Teamchefin des Sauber-Teams.

Über eine Marketing-Agentur, "für die ich damals tätig war und die mit Sauber zusammenarbeitete", kam sie Ende der Neunziger erstmals mit Peter Sauber und dem Motorsport in Kontakt, handelte später für Sauber den gesamten Deal mit BMW aus und überzeugte dabei den Teamchef mit ihrer Kompetenz derartig, dass er sie komplett zu sich ins Team holte und zu seiner Geschäftsführerin machte.

Als sie Anfangs an der Seite von Sauber an den Rennstrecken auftauchte, zum Beispiel bei offiziellen Meetings der Teamchefs, hielt einer der anderen Teambosse sie für die Dolmetscherin des Schweizers, der sich mit Englisch manchmal ein bisschen schwertut. "Wer es war, sage ich aber nicht", lächelt sie höflich, "und er hat sich auch entschuldigt..." Nur so viel: Ron Dennis, der frühere McLaren-Chef, dem man so etwas als erstem zugetraut hätte, sei es nicht gewesen. Inzwischen ist sie überall anerkannt, ob bei den anderen Bossen oder intern im eigenen Team, bei den Ingenieuren, bei den Technikern.

"Natürlich war die technische Seite für mich zu Beginn Neuland, aber da musste ich mich eben einarbeiten, und das habe ich auch getan. Denn wenn ich zum Beispiel einen Motorendeal aushandle und abwickle, dann muss ich über die technischen Konzepte der verschiedenen möglichen Partner Bescheid wissen." Auch wenn es innerhalb der technischen Führung des Teams unterschiedliche Meinungen gibt, wolle sie schon verstehen, "worum es genau geht, denn obwohl wir alles gemeinsam besprechen, muss es irgendwann eine Entscheidung geben, und um die mit zu treffen, muss ich die entsprechende Kompetenz besitzen."

So kniete sie sich von Anfang an in das ziemlich fremde Feld hinein - mit großem Erfolg. Nicht selten waren gerade die Ingenieure von ihren Detailkenntnissen ziemlich überrascht, zumindest zu Beginn. Inzwischen wissen sie über die Kompetenzen ihrer Chefin bestens Bescheid. Jetzt gibt es den großen Aha-Effekt nur noch außerhalb der Branche. So wie am Zoll bei der Einreise nach Kanada, als die Beamtin sie fragte, in welchem Business sie tätig sei. Auf die Antwort "in der Formel 1" kam die Gegenfrage: "Und was machen sie da?"

Spagat zwischen Beruf & Familie

Die Feststellung "ich bin CEO eines Teams", löste einen sehr, sehr erstaunten Blick aus - "und dann habe ich ganz, ganz schnell meinen Stempel im Pass gehabt." Eine Vorreiterrolle in Sachen Gleichberechtigung für Frauen spielte Kaltenborns Familie schon immer - gerade die indische Seite: Ihre Großmutter gehörte in Indien "zu den ersten Frauen, die überhaupt eine Universität besuchten. Sie hat damals Philosophie studiert." Und auch die ersten indischen Ärztinnen stammten aus ihrer Familie. "So ist es für mich gar nichts Besonderes, jetzt in einer Branche zu sein, in der sonst hauptsächlich Männer unterwegs sind. Eigentlich wird immer nur von außen verstärkt auf dieses Thema eingegangen."

Und auch den Spagat zwischen einem Beruf mit sehr vielen Reisen und einer Familie mit zwei Kindern bringt sie gut unter einen Hut. Zwischen ihrem Mann, ebenfalls einem Anwalt, ihr und einer Nanny ist die Betreuung der beiden Zehn- und Siebenjährigen gut aufgeteilt - in Monaco in diesem Jahr durften die Kinder sogar erstmals mit an die Strecke und der Mama über die Schulter schauen. "Das ist gar nicht schlecht, da haben sie mal gesehen, wie das alles abläuft, was und wie viel ich zu tun habe. Dann verstehen sie besser, dass sie vielleicht manchmal ein bisschen länger auf einen Anruf von mir warten müssen."

Was auffällt: Im Vergleich zu den vielen "Alphamännchen" in der Szene, die aus jeder Diskussion, aus jeder Entscheidung einen persönlichen Selbstdarstellungs- und Machtkampf machen müssen, geht Monisha Kaltenborn sehr viel ruhiger und sachlicher an ihre Aufgaben heran. "Frauen sind vielleicht generell etwas pragmatischer", glaubt sie. Dazu kommt: Als "Seiteneinsteigerin" ist die Formel 1 für sie letztlich Business und nicht ganz so "Herzblut-Angelegenheit" wie bei manchem anderen, der sein Leben lang nur Rennsport kennt und gemacht hat.

"Das heißt nicht, dass ich nicht während der Rennen genauso angespannt mitfiebere und mich dann je nach Ergebnis freue oder enttäuscht bin. Aber wenn es darum geht, meinen Job zu machen, dann habe ich gelernt, dass man am weitesten kommt, wenn man die Ruhe behält und die Dinge sachlich angeht." So war sie auch nach dem zunächst sehr schlimm aussehenden Unfall von Sauber-Pilot Sergio Perez in Monaco der ruhige Pol im Team, der die Fäden zusammenhielt. "In dem Moment musste ich mir darüber klar sein, wo der Platz ist, wo ich am besten agieren und meine Aufgabe erfüllen konnte - dieser hätte nicht daraus bestanden, jetzt aufgeregt irgendwo hin zu rennen, wo ich eh nichts tun kann."

Mit einer Portion Humor meistert Monisha Kaltenborn den stressigen Alltag, Foto: Sutton
Mit einer Portion Humor meistert Monisha Kaltenborn den stressigen Alltag, Foto: Sutton

Also erst einmal die Fachleute ihren Job machen lassen, Informationen sammeln und koordinieren, dann handeln. "Die Emotionen kommen in so einem Fall vielleicht später - wobei es nicht so schlimm war. Ich konnte Sergio am Abend im Krankenhaus besuchen - da war schon klar, dass nicht allzu viel passiert war." Ob sie mit ihrem Pragmatismus nicht manchmal ziemlich genervt sein müsse, wenn ihre männlichen Kollegen, gerade was die Formel-1-Politik angeht, ewig nicht zu Potte kommen, nur weil keiner in seinem Machtbewusstsein auch nur einen Schritt nachgeben kann?

"Na ja, sagen wir es so", meint sie diplomatisch, "manchmal denke ich mir schon, dass man vielleicht schneller zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen wäre, wenn hier noch ein paar mehr Frauen in den Entscheidungsgremien säßen." Eine große Portion Humor hilft ihr sicher dabei, gut durch die stressige F1-Welt zu kommen. Ein Humor, der sich zum Beispiel darin zeigt, dass sie die einzige im ganzen Fahrerlager ist, die eine ganz spezielle Doppelmitgliedschaft aufweisen kann: die in der FOTA und der OTA. Die OTA ist die "One Team Association", die Colin Kolles scherzhaft gründete, als HRT aus der FOTA austrat. Monisha Kaltenborn fand die Idee so originell, dass sie Mitglied wurde.

Dieses Portrait zu Monisha Kaltenborn stammt aus der Printausgabe des Motorsport-Magazins. Weitere Hintergrundtexte, Exklusiv-Interviews lesen sie im Motorsport-Magazin - jetzt im Handel oder gleich online abonnieren.