Wie unterscheidet sich 2012 von 2011?
James Allison: Wenn man sich beiläufig das Regelwerk ansieht, könnte man meinen, dass es nicht viele Änderungen zum letzten Jahr gibt. Bei näherer Betrachtung gibt es aber einige massive Änderungen. Die größten Änderungen betreffen den Auspuff. Die Teams haben um Silverstone herum entschieden, sich von den durch Auspuffgase angeblasenen Diffusoren zu verabschieden. Allein dieser Punkt zieht eine Reihe an verschiedenen Design-Konzepten nach sich. Die vergangenen Fahrzeuge waren stark von den Auspuff-Regularien beeinflusst. Durch die neue Regel soll das nun nicht mehr der Fall sein. Die Regeln im Umfeld des Auspuffs sind zudem durch einige Motoren-Regeln verstärkt worden, die sich allerdings nicht im Technischen Reglement wiederfinden. Diese Regeln erreichten uns durch eine technische Direktive vergangenes Jahr erst sehr spät. Die Auspuffflage, die von den Teamchefs in Silverstone verabschiedet wurde, ging trotzdem noch bis Mitte November weiter. Die Herausforderung war, mit den Änderungen zu leben, während die Details erst im Laufe der Zeit veröffentlicht wurden. Man musste also versuchen, das Beste aus jeder Regel-Variante zu machen und gleichzeitig zu antizipieren, wo die Regeln hingehen. Auf jeden Fall ist es ein Bereich, der uns sehr beschäftigt hat. Das sah aber wahrscheinlich beim Rest des Feldes nicht anders aus.

Wie sehr werden die neuen Regeln das beeinflussen, was wir auf der Strecke sehen?
James Allison: Die Fahrzeuggeneration des letzten Jahres hatte eine Vielzahl an Auspuffvarianten zu bieten und dabei unterschiedlichen Erfolg. Wenn die jüngsten Regeln nun tatsächlich erfolgreich darin sein sollten, die Kraft der Auspuffgase zu verringern, würde das alle auf ein Level bringen.

Was sind Deine Eindrücke davon, mit zwei neuen Fahrern zu arbeiten?
James Allison: Romain hatte Ende vergangener Saison zwei sehr vielversprechende Sessions. Zumal er seit über einem Jahr nicht mehr mit einem Formel-1-Auto gefahren war. Er sprang ins Auto und war direkt so konkurrenzfähig wie unsere Stammfahrer. Das war schon beeindruckend. Es hat lange gedauert, bis er den Zuschlag bekam. Wir freuen uns darauf, einen starken Start mit ihm hinzulegen. Kimis Test mit dem R30 in Valencia hat uns gezeigt, dass er von seinem Speed nichts verloren hat und dass er voller Motivation in die bevorstehende Saison geht. Für uns ist es toll, mit einem Fahrer von solcher Qualität zusammenzuarbeiten.

Lotus präsentierte am Sonntag den neuen E20, Foto: Lotus
Lotus präsentierte am Sonntag den neuen E20, Foto: Lotus

Was ist am E20 komplett neu und was ist bereits vertraut?
James Allison: Es hängt davon ab, was man sich ansieht. Einige Teile des neuen Autos sind vollkommene Neukonstruktionen. In anderen Bereichen haben wir die besten Teile weiter optimiert. Was den Auspuff angeht, wären unsere alten Varianten nun illegal. Sie würden auch nicht mehr unseren Erwartungen entsprechen. Diesem Teil des Autos sagen wir nun auf Wiedersehen und heißen ein komplettes Re-Design willkommen. Die Vorderrad- und Hinterradaufhängungen sind komplett überarbeitet, damit wir bessere Aerodynamikwerte erzielen. Der Frontflügel ist eine Fortführung der Konzepte an denen wir seit der Regelverabschiedung 2009 gearbeitet haben. Am Heckflügel haben wir weiterhin gearbeitet, um ein zufriedenstellendes Niveau an Abtriebsstabilität zu erreichen und gleichzeitig das gesamte DRS-Potential ausschöpfen zu können.

Wie groß ist der Anteil des 60-Prozent Windkanals an der Entwicklung des E20?
James Allison: Der 60-Prozent Windkanal hat uns ermöglicht, die Realität von den Testfahrten in den Windkanal zu übertragen. Dadurch haben wir realistischere Roll- und Gierwerte. Das sind schon grundlegende Punkte. Das zieht hoffentlich nach sich, dass das Auto toleranter gegenüber breiteren Kurvenbedingungen ist.

Wie konkurrenzfähig wird der E20 sein?
James Allison: Wir haben hart und lange am Auto gearbeitet. Wir haben versucht, auf die Regeln zu reagieren, aber wir werden es erst bewerten können, wie gut wir gearbeitet haben, wenn das Auto bei den Testfahrten unterwegs ist. Aber selbst dann wissen wir bis zum Qualifying in Melbourne noch nichts genaues.

Der Testplan sieht dieses Jahr etwas anders aus - keine Testfahrten bis Februar, dann drei Testfahrten und einen Test während der Saison in Mugello. Macht das einen Unterschied?
James Allison: Der Testplan mit Mugello gibt uns ein klares Ziel für die Saisonmitte. Falls es irgendetwas Ambitioniertes gibt, das wir bis zum Saisonstart nicht erreichen können, ist das der Punkt, auf den wir uns richten müssen. Es ist unsere einzige Möglichkeit, einen kontrollierten Test eines Upgrades zu erhalten - eher als der Kompromisstest an einem Freitag.

Lotus will 2012 wieder an alte Erfolge anknüpfen, Foto: Lotus
Lotus will 2012 wieder an alte Erfolge anknüpfen, Foto: Lotus

Es gibt 20 Rennen und einen Test während des Jahres. Wie heftig ist die bevorstehende Saison?
James Allison: Die Hauptherausforderung der 20 Rennen ist es, die Ausdauer zu finden, eine solch anstrengende Saison durchzuhalten. Wir sind den gegenwärtigen Regeln mit Testverboten und ohne Testteams, entsprechend gewachsen. Alle unsere Ressourcen kommen vom Rennteam. Die 20 Rennen, die auf die drei Tests im Februar vor der Saison folgen, enden im späten November. Einzig ein kleines Fenster im August, wenn es eine kurze Rennpause gibt, bleibt uns. Es ist für die Leute, die mit dem Team reisen, unglaublich zermürbend. Die Herausforderung ist, die Energie während der langen Saison hochzuhalten.

Es ist die zweite Saison nach der Rückkehr von Pirelli. Was können wir vom Gummi für 2012 erwarten?
James Allison: Wir sind die neuen Pirelli-Reifen während der Testfahrten in Abu Dhabi letztes Jahr bereits gefahren. Es ist schwer, eine Schlussfolgerung zu ziehen, da wir nicht mit den regulären Fahrern unterwegs waren. Dadurch ist es schwierig, die zugrundeliegende Wettbewerbsfähigkeit der Reifen herauszulesen. Von unseren Daten her können wir aber sagen, dass die Konstruktion der 2012er Reifen nicht grundlegend anders ist als die der Reifen von 2011. Es bleibt abzuwarten, wie aggressiv Pirelli mit seinen Mischungen sein wird. Ich erwarte aber keine großen Veränderungen.

2012 wird auch DRS in seine zweite Saison gehen. Können wir dort einige Veränderungen erwarten?
James Allison: Viele Teams, uns inbegriffen, haben letztes Jahr viel Zeit damit verbracht, die richtige Balance zwischen Stabilität und Luftwiderstand zu finden. Ein Jahr später wird es etwas einfacher werden, die Balance hinzubekommen. Für die FIA, die die Verantwortung dafür hat, den DRS-Umschaltpunkt auf den Strecken festzulegen, war es letztes Jahr auch ein neues Wagnis. Ein Jahr später wird es ein etwas kleineres Abenteuer werden, die exakten Stellen zu wählen, wo es am besten ist, die DRS-Linie zu markieren und dadurch den besten Effekt zu erzielen. An Stellen, wo das Überholen nach übereinstimmenden Meinungen letztes Jahr zu einfach war, werden sie eine angemessene Anpassung vornehmen, um 2012 ein besseres Ergebnis zu erzielen.