Die Formel 1 boomt in diesem Jahr. Die neuen Regeln sorgen dank KERS-Comeback, dem verstellbaren Heckflügel sowie den Pirelli-Reifen für wesentlich mehr Überholmanöver während der Rennen als in den vergangenen Jahren. Mit Sebastian Vettel, Michael Schumacher, Lewis Hamilton, Jenson Button und Fernando Alonso treten gleich fünf Weltmeister im Feld an. "Ich denke, dass die Show derzeit so gut ist wie selten zuvor", glaubt auch Martin Whitmarsh. Doch der McLaren-Teamchef äußert gleichzeitig eine gehörige Portion Kritik an der Vermarktung der Serie.

"Wir haben in den letzten zwanzig Jahren in der Formel 1 einen wirklich schlechten Job gemacht", poltert Whitmarsh. "Es reicht heutzutage nicht mehr, nur im Fernsehen eine gute Rolle zu spielen. Wir könnten uns ein Beispiel am Fußball nehmen, die Entwicklung in den vergangenen Jahren war unglaublich." So müsse die Formel 1 weiter wachsen, vor allem im Internet. Dort sieht nicht nur Whitmarsh noch eine Menge Potential, das es zu erschließen gilt. "Du kannst diese Dinge nicht aufhalten, also musst du einen Schritt weiter sein als alle anderen", fordert er in der FAZ gegenüber den Entscheidern, die der Online-Welt nach wie vor kritisch gegenüber stehen.

Whitmarsh warnt vor gefährlicher Selbstzufriedenheit, die den Sport zurück werfen könnte. "Wir sind das drittgrößte Sport-Spektakel der Welt. Aber wir sollten die Nummer eins sein", so der Brite im Hinblick auf Olympia und Fußball. Trotz der angesprochenen schlechten Arbeit müsse die Basis der F1 stimmen - denn es gebe sie noch immer, wie Whitmarsh betont. doch um eine erfolgreiche Zukunft zu sichern, müssten die einzelnen Parteien im Fahrerlager Hand in Hand arbeiten statt sich gegenseitig zu bekämpfen und nur die eigenen Interessen zu sehen.

"Vor allem McLaren und Ferrari standen sich verfeindet gegenüber", gibt Whitmarsh zu. "Dabei haben wir das Produkt aus den Augen verloren. Wir dürfen die Verantwortung nicht allein dem Rechteinhaber überlassen." Vor allem als FOTA-Vorstand ist Whitmarsh einiges daran gelegen, dass der Rechteinhaber in Form von Bernie Ecclestone nicht die alleinige Macht ausübt. Zuletzt hatten die Teams im Hinblick auf das neue Concorde Agreement gar eine Beteiligung an den F1-Einkünften gefordert.

Neben dem vermarktungs-technischen Aspekt der F1 spricht Whitmarsh gleichzeitig über den sportlichen Anspruch der Formel 1: "Die Formel 1 muss der Gipfel des Motorsports bleiben. Hier müssen die besten Autos fahren, die besten Ingenieure arbeiten und natürlich brauchen wir die besten Leute am Steuer." Show ist gut, doch die Ernsthaftigkeit müsse laut dem McLaren-Teamchef im Vordergrund stehen.

Häufig wird die Regel-Undurchsichtigkeit in der Formel 1 kritisiert, die es vielen Fans schwer macht, das gesamte Geschehen nachzuvollziehen. Für Whitmarsh kein Problem: "Der Zuschauer muss sicher nicht alles verstehen. Die wenigsten haben auch verstanden, wie die Apollo-Mission 1969 zum Mond gekommen ist. Aber mehrere hundert Millionen waren begeistert davon und sind es noch heute. Daran können wir uns orientieren."