1. Warum rutschte Vettel in der letzten Runde aus?

Er sah schon wie der sichere Sieger aus, doch plötzlich unterlief Sebastian Vettel der erste Fehler der Saison und Jenson Button rutschte in der letzten Runde an ihm vorbei zum Sieg. "Im Moment überwiegt die Enttäuschung", gestand Vettel nach dem Rennen. "Er gab Vollgas und kam mit einem Rad leicht auf den nassen Asphalt", erklärte Teamchef Christian Horner das Missgeschick. "Das Hinterrad blockierte und das war der Unterschied zwischen Sieg und Niederlage."

Die rasante Aufholjagd von Button erklärte der Deutsche so: "Nach der letzten Safety-Car-Phase war ich ein bisschen zu konservativ. Ich habe den Vorsprung nicht weit genug ausgebaut." Der erhöhte Einsatz auf der letzten Runde war aus Vettels sich nötig, um den schnelleren Button auf Distanz zu halten, genau genommen außer DRS-Reichweite zu halten. "Wir haben alle gesehen, wie stark das DRS war", erinnerte Horner an die lockeren Manöver von Button gegen Webber und Schumacher. "Deswegen kämpfte Sebastian, damit Jenson mehr als eine Sekunde zurückblieb."

Gleichzeitig dürfte wohl auch sein KERS mal wieder Streiche gespielt haben. Während sich Vettel auf der Pressekonferenz dazu nicht äußern wollte (mehr als ein "Wir hatten es im Auto" war ihm da nicht zu entlocken), verzog er danach darauf angesprochen nur sauer das Gesicht. KERS-Opfer Nummer 2 Mark Webber bestätigte seinerseits: "Es war schwierig, weil auch mein KERS mal ging und dann wieder nicht."

2. Wer hatte Schuld: Hamilton oder Webber?

Für Webber begann das Rennen mit einem Dreher – allerdings unverschuldet. Lewis Hamilton drehte den Australier direkt nach dem Start um. "Ich ging innen rein und wollte überholen", sagte Hamilton. "Ich hatte Untersteuern und deshalb kollidierten wir. Es war keine Absicht und es entstand nur ein kleiner Schaden, aber das ist eben Racing."

Die Stewards sagten eine Untersuchung wegen des Zwischenfalls nach Hamiltons Ausfall ab. Niki Lauda war trotzdem außer sich: "Was Lewis gemacht hat, geht über alle Grenzen hinaus. Er ist komplett verrückt", kritisierte der dreifache F1-Champion. "Wenn die FIA ihn nicht bestraft, dann verstehe ich die Welt nicht mehr."

3. Wer hatte Schuld: Hamilton oder Button?

Sinnbild für das Rennen: Hamilton kollidiert, Button zieht vorbei, Foto: Red Bull
Sinnbild für das Rennen: Hamilton kollidiert, Button zieht vorbei, Foto: Red Bull

"Lewis und Jenson sind zwei großartige Rennfahrer." Diesen Satz betet Martin Whitmarsh seit letztem Jahr unzählige Male herunter – teilweise mehrmals hintereinander in einem Interview. Seine Fahrer würden sich respektieren und nicht miteinander kollidieren, anders als etwa bei Red Bull. Jetzt ist es doch geschehen: Hamilton fiel nach einem Fehler hinter Button zurück, war schneller als sein Teamkollege und setzte auf Start und Ziel zum Angriff an – dabei krachte es.

"Jenson hat Lewis nicht gesehen und Lewis hat versucht, schnell nach vorne zu kommen", nahm Whitmarsh seine Fahrer in Schutz. "Beide haben erkannt, dass es ein normaler Rennzwischenfall war. Es gibt kein Problem zwischen beiden." In der Tat entschuldigte sich Button in der Rennunterbrechung bei Hamilton dafür, dass er ihn übersehen hatte.

"Ich konnte gar nichts sehen - ich habe zwar etwas orangefarbenes im Rückspiegel gesehen, aber das hätte auch mein Heckflügel sein können", so Button. Er sei auf der Rennlinie geblieben und habe dann einen Knall gehört, der ihn fast in die Wand gedrückt hätte. "Natürlich sollte das unter Teamkollegen nicht passieren, aber wir wissen beide, dass es der Andere jeweils nicht mit Absicht gemacht hat."

Die Rennkommissare kündigten auch in diesem Fall eine Untersuchung an, sahen es jedoch als Rennunfall an und sprachen keine Strafe aus. "Beide Fahrer fuhren ähnliche Linien zu anderen Piloten und gingen nicht so weit nach links wie der folgende Fahrer Michael Schumacher. Als Hamilton nach links ging, um zu überholen, sah Button in den Rückspiegel. Angesichts Hamiltons Position zu diesem Zeitpunkt (das wird von den Fahrern bestätigt) konnte Button ihn nicht sehen", hieß es in der Urteilsbegründung.

"Bei der Berührung war Button noch nicht so weit nach links gezogen wie in der Vorrunde oder Schumacher auf der gleichen Runde", führten die Stewards weiter aus. "Die Rennkommissare haben entschieden, dass es für Hamilton vernünftig war, zu glauben, dass Button ihn gesehen hat und er ihn überholen könnte. Gleichzeitig ist es vernünftig, zu glauben, dass Button Hamiltons Position links von ihm nicht kannte."

4. Warum wurde Button nicht bestraft?

Die Freude über Jenson Buttons ersten Saisonsieg war groß, erst recht nachdem er zwischenzeitlich auf den letzten Platz zurückgefallen war, weil er eine Strafe und sechs Boxenbesuche zu absolvieren hatte. Die Rennunterbrechung und die SC-Phasen brachten ihn aber wieder in Schlagdistanz. Trotzdem musste er nach der Zieldurchfahrt zittern, auch gegen ihn lief noch eine Untersuchung wegen einer Kollision mit Fernando Alonso in Runde 38 in Kurve drei, bei der sich der Spanier drehte und ausschied.

Jenson Button siegte mal wieder bei wechselhaften Bedingungen, Foto: Sutton
Jenson Button siegte mal wieder bei wechselhaften Bedingungen, Foto: Sutton

"Jenson war gegen Alonso vorne und als Erster in der Kurve", schilderte Ron Dennis. "Fernando hat sich dann gedreht. Keine Frage, das war ein Rennunfall." Die Stewards stimmten dem ehemaligen McLaren-Teamchef zu.

Sie begründeten: "Auto 5 (Alonso) war nach einem Boxenstopp auf einer Out-Lap. Auto 4 (Button) schien sich auf der Innenseite vor der Kurve etabliert zu haben und fuhr auf den Kerb, um Auto 5 auf der Außenseite auszuweichen. Angesichts der Bedingungen und der Aussagen beider Fahrer sowie der Teamvertreter entschieden die Stewards, dass dies ein Rennunfall war und keine weiteren Schritte eingeleitet werden."

5. Warum verlor Massa das Auto?

Nässe ist nicht die Welt des Felipe Massa, dennoch lag er lange auf Podiumskurs und rechnete sich sogar Siegchancen aus – doch dann kam Narain Karthikeyan. "Alles löste sich in Luft auf, als ich an Karthikeyan vorbeiging", beschrieb Massa seinen Mauerkontakt bei einer Überrundung. "Er fuhr sehr langsam auf der trockenen Linie, als ich ihn aber auf dem Nassen überholte, beschleunigte er und ich verlor die Kontrolle über das Auto, weswegen ich in der Absperrung landete." Massa konnte weiter fahren, der notwendige Boxenstopp kostete ihn jedoch ein besseres Ergebnis.

6. Warum konnte Schumacher das Podium nicht verteidigen?

So etwas hatte es seit 2006 nicht mehr gegeben: Michael Schumacher kämpfte bis zuletzt um einen Podestplatz und lag sogar für elf Runden auf dem zweiten Platz. "Michael zeigte eine großartige Leistung - er war lange Zweiter und auf Intermediates der schnellste Mann im Feld", lobte Norbert Haug. Tatsächlich fuhr der Rekordweltmeister auf abtrocknender Strecke mit Intermediates teilweise schnellere Zeiten als der Führende Sebastian Vettel.

Nach dem Wechsel auf Slicks lief es beim Mercedes-Piloten aber nicht mehr so gut wie vorher, seine Verfolger Mark Webber und vor allem Jenson Button waren unter diesen Bedingungen schneller. "Beim Trockensetup haben wir vielleicht nicht ganz das gehabt, was man gebraucht hätte", räumte Haug ein. Gegen den Einsatz von DRS hatte Schumacher keine Chance und musste Button und Webber chancenlos ziehen lassen. "Am Ende wurde er Vierter 0,3 Sekunden hinter dem Podium, ein durchaus respektables Resultat, gerade wenn man bedenkt, dass er am Restart von Platz zwölf losfuhr."

7. Warum kam Rosberg nicht in die Punkte?

Eigentlich hatte Nico Rosberg die WM-Punkte schon im Sack, dann krachte er Kamui Kobayashi in Runde 66 ins Heck und verlor wenig später in der letzten Runde seinen beschädigten Frontflügel komplett. "Ich bin ohne Frontflügel ins Ziel gefahren – das war kein Spaß", berichtete Rosberg.

"Ich habe versucht, Kobayashi zu überholen und war in Kurve zehn sehr dicht hinter ihm", erklärte der Mercedes-Fahrer. "Dann wurde er langsamer, als ich es nicht erwartete und habe sein Heck getroffen, wodurch ich meinen Frontflügel beschädigte." Die Schuld nahm er auf seine Kappe: "Es war ganz unnötig und ich muss es mir zu 100 Prozent selber zuschreiben."

Eine ähnliche Aktion gab es vorher mit Adrian Sutil, der fuhr allerdings auf Rosberg auf und kassierte dafür eine Durchfahrtsstrafe. "Es gab so viel am Lenkrad zu tun, ich musste alles umstellen", erklärte Sutil. "Außerdem ist Sebastian [Vettel] extrem langsam gefahren, als er das Feld angeführt hat. Das war am Limit, ich musste fast stehen bleiben. Trotzdem war es mein Fehler."

8. Warum flog Heidfeld ab?

Das Safety Car war standing im Einsatz, Foto: Sutton
Das Safety Car war standing im Einsatz, Foto: Sutton

Nick Heidfeld hätte in Montreal sicher punkten können, doch auch er fuhr einem Kontrahenten auf – wie bei Rosberg war es Kamui Kobayashi, der plötzlich in der ersten Kurve langsam fuhr. "Ich war überrascht, er stand auf einmal da", sagte Heidfeld. "Er blieb fast stehen und ich konnte es nicht verhindern, ihm reinzufahren." Kobayashi war ins Nasse gekommen und hatte deshalb an Speed eingebüßt. Kurz nach der Berührung löste sich Heidfelds beschädigter Frontflügel und er flog ab.

Aber auch Heidfeld war zuvor Opfer eines Auffahrunfalls geworden, auch für diesen gab es eine Strafe für Paul di Resta. "Er ist mir einfach hinten drauf gefahren", schimpfte Heidfeld. "Ich hatte Glück, dass ich mich da nicht gedreht habe und nichts kaputt gegangen ist." Di Resta verstand den Ärger und die Strafe nicht: "Nach dem Re-Start hat alles funktioniert, bis ich meinen Frontflügel in der Schikane im Kampf gegen Nick [Heidfeld] verloren habe, als er mich geschnitten hat. Das hat mir eine Durchfahrtsstrafe eingebracht, worüber ich recht überrascht war, da es nur mich beeinträchtigt hatte."

9. Waren der Safety Car-Start und die Rennunterbrechung nötig?

Der siebte Saisonlauf in Montreal begann hinter dem Safety Car. Über diese Entscheidung scheiden sich die Geister, während Ex-Rennfahrer wie Marc Surer und Champion Sebastian Vettel die Gefahr in der Gischt als zu groß erachteten, gab es im Fahrerlager ebenso viele Stimmen, die das Gegenteil behaupteten. Lewis Hamilton beschwerte sich noch während der SC-Phase, warum das Rennen nicht endlich freigegeben würde.

Als der Regen in Runde 25 zu stark wurde, brach die Rennleitung den Grand Prix ab – erst zwei Stunden und fünf Minuten später ging es weiter. "Die Bedingungen waren sehr schwierig. Es gab absolut keinen Grip auf der Strecke und ich kämpfte mit Aquaplaning", hielt Vitaly Petrov die Entscheidung für richtig.

Auch nach dem Restart blieb das Safety Car lange auf der Bahn. "Wir sind nach der großen Pause ziemlich lange hinter dem Safety Car gefahren, man hätte aber schon früher allein fahren können", betonte Sebastien Buemi. "Nur am Anfang war es richtig schwierig. Es war nur normal, das Rennen zu stoppen, denn zu diesem Zeitpunkt war es unfahrbar."