Wie kam es, dass Deine Zeit bei Renault schlussendlich von außen wie ein Albtraum schien? Dabei hattest Du doch dein großes Ziel erreicht.
Romain Grosjean: Wie vieles andere auch, ja. Es gab keine Simulator-Zeit. Selbst heute noch nicht! Schauen wir uns einmal Vitaly Petrov an: Er brauchte ein Jahr um zu verstehen, wie alles läuft. Um zu sehen, was er will und wie man ein gutes Rennwochenende erlebt. Er hat Fehler gemacht und hatte auch die Zeit dazu. Jetzt zahlt er es zurück, weil ihm die Möglichkeit gegeben wurde, Fehler zu machen. Er befand sich in einem Umfeld, wo die Leute ihm Zeit und Vertrauen geschenkt haben - auch Sicherheit. Das ist ziemlich unterschiedlich zu dem, was ich dort erlebte. Ich bin sehr froh, als dritter Fahrer zurück bei Lotus Renault GP zu sein. Ich liebe dieses Team. Das ist eine großartige Gelegenheit und passiert nicht in der Karriere, dass man eine zweite Chance erhält. Ich habe wirklich Glück.

Bedauerst Du es nicht, dass Du nicht als Ersatz für Robert Kubica infrage kamst? Im Gegensatz zu Nick Heidfeld kanntest Du das Team.
Romain Grosjean: Ich besitze zwar eine gewisse Erfahrung mit dem Team, aber Nick hat jahrelange Renn-Erfahrung. Ich natürlich auch, in vielen Serien. Aber das Team brauchte in dieser entscheidenden Zeit, als das Auto schon fertig war, technisches Verständnis, Vorgaben und zuverlässiges Feedback. Nick war die offensichtliche Wahl, und Bruno Senna und ich haben das immer akzeptiert. Es war eine schwierige Zeit und das letzte, was das Team da brauchte, war ein Konkurrenzkampf zwischen uns.

Wie kann Nick das Auto verbessern?
Romain Grosjean: Naja, es ist natürlich riskant für einen Fahrer zu denken, dass er ein Mechaniker statt eines Fahrers ist. Das sollten die Piloten niemals vergessen. Sie sind hier, um zu beschreiben, Gefühle und Sensationen zu vermitteln, um zu kommentieren. Sie können in der Fabrik auch Hinweise geben - aber nicht viel mehr. Die Übersetzung in konkrete Entwicklung des Feedbacks muss von den Mechanikern übernommen werden. Sie interpretieren. Darin ist Fernando [Alonso] fantastisch. Er weiß sofort, worauf er sich konzentrieren muss. Er weiß, was die Leute von ihm erwarten.

Wie kommt das?
Romain Grosjean: Sagen wir mal, dass wir eine Testfahrt machen. Er dreht ein paar Runden, genau wie du, dann kommt er zurück und sagt den Leuten direkt, worauf der Fokus liegen muss. Darin ist er am besten, nur erkennen das nicht alle. Er kommt nicht zurück und sagt 'Ich fühle mich im Sitz nicht wohl' oder 'Ich hätte gern mehr Abreißvisiere an meinem Helm'. Stattdessen versucht er sofort, Lösungsmöglichkeiten zu finden, damit das Team ihm ein besseres Auto hinstellen und es an seinen Fahrstil anpassen kann. Er ist großartig, einer der Besten - wenn nicht sogar der Beste darin.

Könnt Ihr etwas von Nick lernen?
Romain Grosjean: Natürlich, wir haben alles unterschiedliche Erfahrungen gemacht und fügen diese zusammen. Nick besitzt Erfahrung, die nur mit der Zeit kommen kann.

Du bist schon so viel in der Motorsport-Welt herumgekommen, bevor Du in die F1 zurückgekehrt bist: AutoGP, GT1, Trophee Andros,…
Romain Grosjean: … Und ich habe die GP2 Asia in zwei Rennen mit DAMS gewonnen. Das war eine großartige Möglichkeit, das weiterzuführen, was wir uns Mitte 2010 aufgebaut hatten. Beide Seiten fühlten, dass etwas getan werden muss. In dieser Saison fahre ich für das Team und will beide Titel mit ihnen gewinnen.

Ist das eine Voraussetzung, um in die F1 zurück zu kehren?
Romain Grosjean: Das ist meine Voraussetzung, mein Ziel. Gravity Sports Management [geführt von Eric Boullier] hat mir so sehr geholfen, wieder auf die Strecke zu kommen, statt zu Hause zu bleiben. Diese Chance, die ich bekommen habe, gibt es nur selten für einen jungen Fahrer. Wie viele Leute hatten die Möglichkeit, nach ihrem ersten Versuch wieder in die F1 zurück zu kehren? In letzter Zeit war das Timo Glock, vielleicht auch Narain Karthikeyan, aber mit einem anderen Budget ist das ein Unterschied.

Wen Du wieder in der Formel 1 fahren solltest - dann bei Lotus Renault GP?
Romain Grosjean: Es zu schwer, das zu sagen. Ich könnte auch bei einem anderen Team einsteigen, ich bin offen für Diskussionen. Wir müssen darüber nachdenken und schauen, wie es läuft. Wir befinden uns noch in den ersten Rennen der GP2-Serie - darauf lag mein Fokus. Wenn ich da gut abschneide, wird sich der Rest schon ergeben. Aber wo und wie - ich habe keine Ahnung. Renault ist gut in der F1 implementiert und es ist gut, zum Team zu gehören.

Wie sieht es mit den französischen Landsmännern aus? In diesem Jahr gibt es mit Jules Bianchi, Charles Pic und Dir immerhin drei Rennsieger.
Romain Grosjean: Ja, ziemlich gut, oder? Das ist für die Journalisten natürlich eine hübsche Geschichte. Für uns ändert es nicht viel. Wir müssen jeden anderen auf der Strecke besiegen - das ist unser einziges Ziel. Aber für die Fans und das Land ist es natürlich cool, dem zu folgen. Es ist eine spannende GP2-Saison, das Level ist ziemlich hoch und mein Team gibt mir eine gute Möglichkeit, oben zu stehen.

Denkst Du, dass Du dich im Vergleich zu 2008 verändert hast? Zu dieser Zeit bist Du auch in der GP2 gefahren und hattest das Engagement bei Renault.
Romain Grosjean: Man entwickelt sich immer weiter und lernt als Fahrer dazu. Es ist eine permanente Evolution. Aber ich habe schwierige Zeiten durchgestanden, das war hart. Also ja, ich habe mehr Gefallen an mir gefunden. Der Druck ist im Motorsport immer gegeben, aber es liegt auch an einem selbst.

Du hast in der Vergangenheit viel Druck von außen bekommen. Jetzt scheinst Du eine Balance gefunden zu haben, auch in Deinem Privatleben.
Romain Grosjean: Ja. Mir gefällt das Leben mit meiner Freundin [Marion Jolles, französische TV-F1-Reporterin; d. Red.]. Wir gehen zusammen in den Supermarkt und erleben die Dinge, die alle Menschen erleben. Es ist lustig, manchmal kommen Leute zu mir, um mir zu gratulieren, mich anzuspornen oder nach Autogrammen zu fragen. Das passiert aber nicht so häufig, und sie hat mehr Anfragen als ich.