Laut einem Sprichwort besitzen Katzen sieben Leben. Dann muss Romain Grosjean eine Katze sein. Im Gegensatz zu den meisten jungen Fahrern, die einer erfolgreichen Formel-1-Karriere hinterherjagen und irgendwann an die Spitze gelangen, war Grosjeans Karrierepfad gepflastert mit Nöten und ungewöhnlichen Herausforderungen. Aber - wie eine Katze - kommt er wieder zurück: stärker, schlauer und unabhängiger.

Der heutige Grosjean, den man in der F1 oder GP2 im Paddock antrifft, ist der gleiche Fahrer, den man schon 2008 in der Formel 1 oder GP2-Serie getroffen hat. Aber sein Charakter hat sich entwickelt - heute ist er ein wesentlich stärkerer Kerl, der dich anlächelt.

Der nächste Favorit

Seine richtige Motorsport-Karriere begann 2008 in der GP2 bei Campos (Barwa Addax), an der Seite von Vitaly Petrov. Nach vielen Erfolgen hatte sich Grosjean trotz mancher Fehler eine solide Reputation erarbeitet. Das erweckte den Wunsch, ein perfektes Ziel für die F1-Team-Manager abzugeben. Doch als Teil des Renault Driver Development-Programmes war er genau am richtigen Ort, um Flavio Briatores und Renaults nächster Favorit zu werden.

Die Renault-Präsentation 2008, Foto: Sutton
Die Renault-Präsentation 2008, Foto: Sutton

Grosjeans anstehendes F1-Engagement wurde deutlicher, als bekannt wurde, dass Nelson Piquet Jr nicht mehr im Renault-Cockpit erwünscht war. Nach einer weiteren Serie starker GP2-Auftritte zu Beginn des Jahres 2009, sollte Grosjean derjenige werden, der den Crashgate-Skandal in Vergessenheit geraten lassen sollte. Renaults Image sollte wieder mehr französisch werden und für ein hart arbeitendes Team stehen.

Briatore und die Ironie

Die Ironie an der Sache: Briatore hatte schon zuvor die Karriere von Franck Montagny zerstört, weil er sich für Jaques Villeneuve als Nachfolger für den zu Toyota abgewanderten Jarno Trulli entschieden hatte - und das, obwohl der Franzose den Renault-Boliden nach ausgiebigen Testfahrten am besten kannte, um das große Renault-Ziel sicherzustellen: Mit Fernando Alonso an der Spitze zu stehen.

Montagny hatte mehr Kilometer in dem Renault abgespult als jeder andere und gab ausgezeichnetes Feedback. Doch Briatore glaubte offenbar nicht an die Notwendigkeit, einen französischen Fahrer innerhalb einer französischen Struktur zu haben. Zunächst interessierte dies den Italiener nicht, doch im Zuge der Image-Neubildung fiel die Cockpit-Wahl auf Grosjean.

Unter französischer Flagge

Grosjean besitzt eine doppelte Staatsbürgerschaft, die schweizerische sowie die französische. Allerdings fährt er unter französischer Flagge und die Fans begrüßten ihn als die nächste große Hoffnung - wie auch bei Jules Bianchi und Jean-Eric Vergne. Grosjean tauchte allerdings früher als die beiden als in den Köpfen als potentieller Champion auf.

Doch seine Ankunft bei Renault verlief nicht wie geplant: Es war eine, wie er gegenüber Motorsport-Magazin.com sagte, "schlechte Zeit und ein schlechter Ort", um dort aufzutauchen. Renault war das einzige Team, das keinen Simulator in den eigenen Hallen stehen hatte. Die Konsequenz: Grosjean hatte nie die Möglichkeit, die Setup-Einstellungen des Autos außerhalb der Rennwochenenden einstellen zu können.

Der kleine Shrimp

Das sollte sich als extrem stressig herausstellen, denn er musste bei den Trainings-Sessions sofort hart pushen und wollte sich an den Speed von Alonso annähern. In Sachen reinem Speed machte Grosjean sogar einen guten Job und war glücklich damit. Allerdings bereiteten dem Team zur Mitte der Saison hin Probleme außerhalb der Strecke Sorgen. Wer Grosjean 2009 im F1-Paddock antraf, erlebte einen äußerst gestressten Fahrer. Aufgrund des KER-Systems sollte er Gewicht verlieren, nachdem Teamkollege Alonso dies getan hatte. Allerdings sah man bereits in Grosjeans Gesicht, dass er nicht viel abnehmen konnte. Nicht umsonst nannte ihn seine Freundin "kleinen Shrimp".

Grosjean samt Freundin Marion Jolles, Foto: Sutton
Grosjean samt Freundin Marion Jolles, Foto: Sutton

Nach den Trainings-Sessions setzte sich Grosjean an den Computer um zu schauen, was die Medien über ihn geschrieben hatten. Dadurch machte er sich schließlich noch mehr Druck. Um ihn herum gab es nicht viele, die ihn dabei unterstützen, sich als Fahrer wohl zu fühlen und den äußeren Umständen zu trotzen.

Wenn man den heute 25-Jährigen während der Qualifyings in der Renault-Box beobachtete, dann sah man einen Fahrer, der sich schon 15 Minuten vor dem Beginn die Handschuhe und Helm angezogen hatte. Zahlreiche kleine Gesten verrieten, unter welchem Stress der Franzose stand. Zum Vergleich: Teamkollege Alonso tauchte manchmal erst in der Box auf, wenn die anderen Fahrer im ersten Qualifying-Segment schon die ersten Runden gedreht hatten - darunter auch Grosjean.

Diesmal traf Motorsport-Magazin.com einen wesentlich ruhigeren und ausgeglicheneren Grosjean…